Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 108


Jesus behebt Marias häusliche Sorgen. Ihr Dank. Lobpreisung Marias durch Jünger. Jesu Tadel dafür und Begründung.

01] Wir gehen nun, und viele, die uns begegnen, grüßen uns zwar, aber niemand fragt uns, wo wir waren, und wohin wir gingen.

02] Am Wege aber kommt uns auch Judas Ischariot unter; dieser fragt uns, wo wir gewesen wären, und wohin wir nun gingen. Denn dieser war nicht in der Synagoge, weil er mit seinen Fischen und Töpferwaren Markt gehalten und viel Geld eingelöst hatte, was ihn sehr froh machte. Er ging aber dennoch mit uns in Mein Haus und ließ es sich allda wohlschmecken, weil es ihn nichts kostete. Aber nach dem Mahle ging er sobald wieder zu seiner Marktbude und machte daselbst seine Geldgeschäfte, denn der Markt dauerte drei Tage, und es machten da allerlei Kaufleute viel Geschäfte und ließen sich ihre Waren gut bezahlen.

03] Am andern Tage fragte Mich die Mutter Maria, ob Ich hier nicht öffentlich wieder etwas tun würde, und wie lange Ich Mich hier im Hause diesmal aufhalten und ob noch jemand hinzukommen werde, auf dass sie sich um einen genügenden Mundvorrat umsehen könnte; denn der gegenwärtige sei nahe zu Ende.

04] Sage Ich: »Weib, sorge dich nicht um Mich, noch um Meine Gesellschaft und um einen genügenden Mundvorrat! Denn sieh, Der die ganze, große Erde ernährt und die Sonne, den Mond und all die Sterne mit Seiner Liebe sättigt, Dem ist dies kleine Haus nicht fremd, und Er weiß es ganz genau, was diesem Hause not tut! Daher kümmere und sorge dich nicht; denn für das du dich nun sorgest, dafür ist von oben schon gesorgt!

05] Der Vater im Himmel läßt Seine Kinder nicht hungern, außer - wann es nötig ist zu ihrem Heile.

06] Hast du es ja zu Sichar in vollster Genüge gesehen, wie der Vater im Himmel gesorgt hatte für Seine Kindlein! Meinst du, dass Er seit etwelchen Tagen härter geworden ist?! Gehe hinaus in die Speisekammer, und du wirst sehen, dass du dich umsonst gesorgt hast!«

07] Maria eilt nun in die Speisekammer und findet diese vollgesteckt mit Brot, Mehl, Früchten, geräucherten und frischen Fischen, mit Milch, Käse, Butter und Honig! Als die Mutter solch großen Vorrat in der Speisekammer erschaut, da wird es ihr völlig bange; sie eilt schnell zu Mir zurück, fällt vor Mir auf die Knie nieder und dankt Mir kniend für solch eine reiche Versorgung ihrer Speisekammer! Ich aber beuge Mich schnell zur Erde und hebe die Mutter empor, und sage zu ihr: »Was tust du Mir, das allein dem Vater gebührt? Stehe auf; denn wir beide kennen uns ja schon seit dreißig Jahren, und Ich bin ja doch stets Derselbe und der Gleiche!«

08] Maria aber weint vor Freude, begrüßt alle Meine Jünger und geht dann schnell hinaus, um uns ein gutes Mittagsmahl zu bereiten.

09] Die Jünger aber treten zu Mir und sagen: »Siehe, welch ein liebes Weib, und welch eine zärtlichste Mutter! Sie ist nun schon 45 Jahre alt und sieht aus, als hätte sie kaum das zwanzigste Jahr zurückgelegt. Und wie ungemein zärtlich besorgt sie ist, und wie hoch schwellt die reinste Mutterliebe ihre wahrhaft heilig reinste Brust! Wahrlich, ein Weib der Weiber der ganzen Erde!«

10] Sage Ich: »Ja, ja, Sie ist die Erste, und es wird nimmer eine mehr sein wie Sie! Aber es wird auch kommen, dass man ihr mehr Tempel denn Mir erbauen wird, und wird sie ehren zehnfach mehr denn Mich, und wird des Glaubens sein, nur durch sie selig werden zu können!

11] Darum will Ich denn nun auch, dass man sie nicht zu sehr erhebe, indem sie wohl weiß, dass sie Meines Leibes Mutter ist, und auch weiß, Wer hinter diesem Leibe, den sie gebar, steckt!

12] Deshalb seid mit ihr überaus gut und artig, nur hütet euch davor, ihr irgend eine göttliche Verehrung zukommen zu lassen!

13] Denn bei allen ihren über alle Maßen vortrefflichsten Eigenschaften ist sie dennoch ein Weib; und vom besten Weibe bis zur Eitelkeit ist und bleibt nur ein sehr kleiner Zwischenraum!

14] Und jede Eitelkeit ist der Same des Hochmuts, aus dem alles Übel in die Welt gekommen ist, noch kommt und allzeit kommen wird! Deshalb beachtet auch gegen die Mutter, was Ich euch nun gesagt habe!«



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