Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 212


Griechen in Kana fühlen sich hintergangen und wollen ihre Position nicht aufgeben.

01] Die Rede macht die Griechen stutzen, und einige sagen: »Das haben die sonst sehr dummen Juden dennoch sehr fein ausgedacht; diesen wundertätigen Jesus haben sie hierher verschrieben, dass Er uns ins Bockshorn treiben soll! Aber wir haben einen Boden und stehen fest.«

02] Ich selbst aber wurde diesmal erregt über die Härte der Griechen und sagte zu dem harten Redner, der die andern, mitunter doch um etwas besseren Griechen von einer guten Tat ablenken wollte: »Höre, du hartherziger Mensch! Gib acht, ob der Boden wanke, und wie fest du stehst! Es hat schon gar viele gegeben, die auch mit einer überheldenmäßigen Stimme ihrer Umgebung zugerufen haben: "Laßt zertrümmern die Erde, und die zerschellten Reste werden mich in vollster Unerschrockenheit im endlosen Raume herumtragen!"; als aber darauf die Erde nur in ein kleines Beben versetzt ward, so war der großsprechende Held der erste, der das Weite mit überraschender Hurtigkeit seiner Füße suchte! Vielleicht tat er aber das etwa dennoch nicht so sehr aus Furcht, in seinem Hause unter dessen Trümmern begraben zu werden, als etwa vielmehr nur, um draußen ein Trumm (Stück) Erde, so diese im Ernste zertrümmert würde, zu erhaschen und auf demselben dann einen unerschrockenen Ritt durch die Unendlichkeit anzufangen!

03] Ich sage dir, du großsprechender Grieche, der du Philopold dich nennst, die Fliege, die sich nicht selten die kecke Freiheit nimmt, über deine Nase einen kleinen Geschäftsgang zu machen, steht an der Spitze deiner Nase fester als du auf deinem Erdboden! Denn so auch deine Nase einen Schiffbruch erlitte, so hat die Fliege eine zweite Unterlage, an der sie sich gar wohl erhalten kann, und das ist die Luft; wo aber ist deine zweite Unterlage, so der Boden unter deinen Füßen schwach würde?!«

04] Auf diese Meine geflissentlich ein wenig witzstechenden Worte wird der Grieche Philopold, der von Hause aus auch ein Witzler war, etwas ärgerlich und sagt: »Siehe da, eine seltene Erscheinung! Auch ein Jude witzig?! Wohl der erste und wahrscheinlich auch zugleich der letzte in ganz Israel! Freund! Wenn ein Grieche vom Mute spricht, so ist es also, wie er spricht! Denn ein Grieche weiß das Leben zu fliehen und den Tod zu suchen; die Geschichte kennt nur einen griechischen Heldenmut, und die unbegreifliche Klugheit der Juden ist ihr nicht unbekannt! Laß erbeben die Erde, oder laß alle Drachen der Erde los, und du sollst sehen, ob ein Philopold darob nur im geringsten seine Miene verändern wird!«

05] Sage Ich: »Laß ab von deiner leersten Großsprecherei und tue, was Ich euch allen geboten habe, ansonst du Mich im Ernste zwingen würdest, deinen Mut auf eine harte Probe zu stellen! Denn ein Gott von einem Juden läßt in so ernsten Dingen mit Sich keinen Scherz treiben; denn auch die große Geduld Gottes hat in gewissen Dingen ihre bestimmten Grenzen!

06] Willst du es aber mit deinen Anhängern darauf ankommen lassen, so sollst du dich darauf vollkommen überzeugen, dass ein zürnender Gott nicht so leicht mehr zu besänftigen ist und dem groben Sünder eine verdiente Strafe von heute bis morgen nicht nachsieht!«

07] Sagt Philopold: »Das wird etwa doch echt jüdisch sein!? Die Juden haben gewisse Weissager gehabt; diese taten ihren Mund nicht auf, außer in puren Drohungen, von denen manche in zumeist unbestimmter Zeit eingetroffen sind; die meisten aber waren allein nur in die Luft hinaus geredet, denn die Natur der Erde ist hoffentlich doch allzeit stärker gewesen als der Mund eines jüdischen Weissagers! Die Griechen sind zumeist Stoiker, und ein rechter Stoiker fürchtet nichts - und somit auch ich nichts! Denn auch ich bin ein steinfester Stoiker!«

08] Sagt zu Mir insgeheim der junge Matthäus, der Apostel, der ehedem Zöllner zu Sibarah war: »Herr, den kenne ich, ein überaus fataler und ärgerlicher Mensch! Der hat allzeit bei meinem Zollamte unausstehliche Anstände gemacht, sooft er mit allerlei Verkaufswaren nach Kapernaum oder nach Nazareth zog. Auf den habe ich noch gleichfort einen kleinen Ärger und hätte eine gute Lust, ihn ein wenig in die Arbeit zu nehmen.«

09] Sage Ich: »Laß das gut sein! Ich habe nun schon ein Pröbchen für ihn, und das wird für ihn bald in die Erscheinlichkeit treten.«

10] Matthäus tritt sobald zurück; aber Philopold erkannte seinen Zöllner von Sibarah und sagte zu ihm: »Na, na, du geiziger Mautschrankenreiter, wie kommt es denn, dass auch du hier bist?! Was wird jetzt deine Schranke machen, so du mit deinen Luchsaugen in alle Weltgegenden hin sie nicht überwachen kannst?! Hast eben auch nicht nötig, diesen Wunderheiland gegen mich aufzuhetzen; er wird wohl selbst wissen, was er zu tun hat, wenn ich ihm zu steif werde. Aber mit mir dürftet ihr beide auf einem ganz natürlichen Wege einen harten Kampf haben; denn ein Stoiker ist kein Strick und kein Bindfaden, den man nach Belieben beugen kann, wie man will!

11] seht, die wunderbare Heilung der zweihundert Kranken hat nahe alle Bewohner Kanas breitgeschlagen; warum denn mich nicht?! Weil ich ein echter Stoiker bin, für den die ganze Schöpfung kaum einen Nasenstüber wert ist und mein Ich samt dem elenden Leben noch weniger! Womit wollt ihr mich denn strafen? Etwa mit dem Tode? Ich sage euch: Ich wünsche ihn samt der ewigen Vernichtung; denn für dies Schandeleben bin ich wohl keinem Gott einen Dank schuldig! Oder soll man wohl jemandem für die verhaßteste aller Gaben zu einem Danke verpflichtet sein?! Ich meine, einem allmächtigen Gotte solle es eben nichts Schweres sein, einen Menschen ins lebendige Dasein zu rufen! Wer soll Gott wohl daran hindern können?! Der erst zu erschaffende Mensch wird sicher nicht gefragt, ob er erschaffen sein will, auf dass er als allein Berechtigter sein Ja oder Nein ausspräche; einen schon Erschaffenen aber geht eine Nacherschaffung eines nachkommen sollenden Menschen ebensowenig an - als einen noch gar nicht Erschaffenen! Erschaffen ist für einen Gott sonach gar nichts besonderes; aber für den Erschaffenen wohl, weil er etwas sein muß, was zu sein er nie irgendeinen Wunsch äußern konnte. Was kann denn wohl Elenderes sein, als sein müssen, ohne je sein gewollt zu haben?!

12] Gebt mir zu essen und zu trinken ohne meine Arbeit und Mühe, dann will ich mich wenigstens für die Zeit meiner irdischen Lebensdauer in etwas zufriedenstellen; aber für die Erhaltung dieses Seins noch unsinnig schwer arbeiten müssen, also leiden wie ein verfolgter Wolf, und dazu einem Gotte dafür noch zu Dank verpflichtet sein und gewisse, nur für den Schöpfer selbstsüchtige Gebote halten, dafür bedanke ich mich vor allen jüdischen und griechischen Ganz- oder Halbgöttern!«

13] Sagt Matthäus: »Solcher Menschen mehr auf der Erde, und Satan hat eine Schule, in der er selbst noch hundert Jahre lang in die Schule gehen kann! Herr, was ist mit dem zu machen? Wenn er wirklich also ist, wie er spricht, so richten alle Engel nichts mit ihm aus auf einem natürlichen Wege!«



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