Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 21


Cyrenius droht den Templer härteste Strafen wegen des Steinigungsversuches an Jesus an, sofern sie nicht schweigen. Prophezeiung Jesu über das Judenschicksal.

01] Sagt Cyrenius: »Habt ihr von einer vom Tode Wiedererstandenen vernommen ein Zeugnis wider euch, was euch schwerer inkriminiert (beschuldigt) denn aller Raub und Mord? Was soll ich denn auf diese höchst wahre Anschuldigung mit euch machen? Ans Kreuz hängen wäre viel zu wenig! Euch bis zu den Knochen einen vollen Tag hindurch geißeln und euch dann erst die Köpfe abschlagen lassen, wäre auch noch viel zu gelinde! Aber ich weiß schon, was ich tun werde, und ihr werdet mit mir ganz zufrieden sein können!« - Auf diese Anrede des Cyrenius werden alle leichenblaß und fangen ganz entsetzlich an zu heulen und zu bitten.

02] Cyrenius aber fragt Mich heimlich, ob er über die Argen im Ernste eine Strafe verhängen solle, nebst dem Verdikte (Wahrspruch), laut dessen ihnen über all das Vorgefallene ein ewiges Stillschweigen aufgetragen werde.

03] Sage Ich »Erlaß bloß das Verdikt mit einer ernsten Bedrohung, die sie bei der ersten Übertretung ohne alle weitere Gnade zu gewärtigen bekommen sollen! Darauf entlasse sie!«

04] Cyrenius tritt vor, gebietet zu schweigen und sagt hernach: »Höret mich nun an, ihr argen Wichte! Diesem hier, den ihr steinigen wolltet der heiligen Wahrheit wegen, die aus Seinem Munde an euch erging, habt ihr es allein zu danken, daß ich euch nicht samt und sämtlich in die Wüste treiben und daselbst auf Felsen, die ringsum mit Abgründen umgeben sind, setzen und die Augen ausstechen ließ! Aber so es einer wagen sollte, von all dem, was sich zugetragen hat, auch nur eine Silbe aus der Schule zu schwätzen, entweder mündlich oder schriftlich oder durch Gebärden, Mienen oder Handzeichen, an dem wird unerbittlichst die schärfste Strafe in Vollzug gesetzt werden!

05] So werde ich es auch nicht ungeahndet lassen, so ich erfahre, daß ihr durch ungesetzliche Erpressungen das Volk quälen solltet und verfolgen möchtet die göttliche Wahrheit eurer schändlichen, selbstsüchtigen Satzungen halber! Lehret das Volk Gott und dessen Gesetze kennen und danach handeln, so werdet ihr ebenso angesehen sein, wie dieser göttliche Mann Jesus es ist, der durchaus keine neue, sondern nur die uralte Lehre von Gott den von euch in die tiefste Nacht versenkten Völkern verkündet, was Er um so leichter und wahrer tun kann, da Er - was ihr nicht begreifet, aber ich als ein von euch deklarierter (erklärter) Heide ganz wohl begreife - im Geiste Selbst Der ist, der nach eurer Lehre auf Sinai vor etwa tausend Jahren dem Moses für euch die Gesetze gab! Hütet euch daher, diesen Heiligen zu verfolgen; denn solch eine Verfolgung würde euch das doppelte Leben kosten, hier leiblich und jenseits geistig! - Habt ihr mich verstanden?«

06] Sagen alle die Betreffenden: »Ja, hoher Herr, und wir wollen alles tun, was du von uns verlangst! Aber du weißt es ja, daß wir Menschen keine Götter sind und allerlei Schwachheit an uns haben; wenn sich jemand denn doch möglicherweise in irgendwas und - wo ein wenig verginge, so wolle du, als selbst Mensch, uns auch nur menschlich zur Rechenschaft ziehen und strafen!«

07] Sagt Cyrenius: »Griechische Kaufleute und Krämer pflegen wohl mit sich handeln zu lassen, - aber die Römer nie! Dies bedenket wohl und handelt danach, so werdet ihr keiner Nachsicht benötigen; denn nur durch scharfe und unerbittliche Gesetze werden die Menschen stark und werden Helden der Ordnung und werden eines Sinnes und voll Eifer in allen gesetzlichen Bestrebungen!

08] Hätte der Soldat nicht die unerbittlich schärfsten Gesetze, so wäre er ein Feigling, und so es hieße, den Feind verfolgen, bekämpfen und besiegen, da hätte der Feind eine gute Zeit - und mit dem notwendigen Schutze des Vaterlandes hätte es seine geweisten Wege! Aber so das eherne Gesetz dem Soldaten auf Tod und Leben jeden Schritt und Tritt vorschreibt, was er vor dem Feinde zu tun hat, so tut er es sicher! Denn täte er es nicht, so wäre der Tod sein Los; tut er aber, was ihm geboten ist, so ist ihm der Tod durch den Feind ungewiß, und er kann als Sieger und gekrönter Held aus der Schlacht hervorgehen!

09] Das ist denn in Rom strengste Regel: 'Ein strenges Gesetz macht auch strenge und ordentliche Menschen.' Daher lassen wir denn auch kein Häkchen groß mit uns handeln, und jeder Mensch steht ohne Rangesrücksicht vor dem Gesetze! Ihr wißt nun meine gesetzliche Gesinnung. Tut danach, so seid ihr frei im Gesetze; tut ihr es aber nicht, so wird das Gesetz euch richten ohne alle Gnade darum, weil es ein Gesetz ist.

10] Die ganze Erde und alles, was in und auf ihr ist, besteht nur durch die ewige Unbeugsamkeit des göttlichen Willens. Ließe Gott nur im geringsten mit Sich handeln, wie sähe es im nächsten Augenblick mit der Erde und mit uns allen aus? Da ginge alles aus den Fugen!

11] Ebenso erginge es einer staatlichen Völkergesellschaft; würde da nur ein Gesetz gelockert, so würden auch die andern ihre Kraft und Festigkeit verlieren, und das große Staatsgebäude würde nur zu bald zu einer Ruine! Also bleibt es unabänderlich bei meiner euch gemachten Androhung!«

12] Auf solch entschiedene Erwiderung des Oberstatthalters machten die Ältesten und die Pharisäer ganz entsetzlich bittere Gesichter, und einer aus ihnen sprach in einer Art schmerzlicher Begeisterung: »O Rom, o Rom! Du bist ganz entsetzlich hart und schwer! - Jehova! Aus der babylonischen Gefangenschaft hast Du Deine Kinder befreit, als sie Buße taten und darum baten; wirst Du uns aus dieser tausendmal härteren Gefangenschaft nimmer erlösen?« -

13] Sage Ich: »So ihr bleibet wie ihr seid und euch nicht vom Grunde aus bessert, so sollt ihr nicht nur ewige Untertanen Roms verbleiben, sondern vom selben ganz gefressen werden wie ein Aas von den Adlern! Nur noch eine kurze Zeit wird Gott gedulden, dann aber wird über euch das scharfe Los ausgeworfen werden, und es wird dann mit euch werden, was Ich euch zuvor geweissagt habe, und man wird euch verfolgen bis ans Ende der Welt. Jetzt aber gehet, und ärgert euch nicht mehr!«

14] Auf dieses Mein Wort entfernten sich alle in ihre Nebengemächer; wir aber verblieben in der Schule, in die bald eine Menge Nazaräer kamen, um die hohen römischen Herrschaften zu sehen. Wir mußten uns am Ende auf Tische und Bänke stellen, um nicht erdrückt und um vom gafflustigen Volke gesehen zu werden.


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