Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel


Verhaltenshinweise für Wohlhabende.

01] Die Bürger begeben sich nun nach Hause und geben in dem Geheilten dessen Kindern den Vater und dessen über die Maßen traurigem Weibe den ganz gesunden Mann wieder, das anfangs ihren Sinnen kaum traut, aber darauf bald in einen Strom von Dankes- und Freudentränen ausbricht und mit den Kindern, deren sie zehn hatte, sogleich hinaus zu Mir eilt und samt den Kindern Mir auf den Knien für solch eine ihr und ihren Kindern erwiesene nie erhörte Wohltat dankt. Sie bittet Mich aber auch zugleich, Meinem Hause mit allem möglichen, was nur immer in ihren Kräften stünde, dienen zu dürfen, wie auch jedem andern, den Ich ihr nur immer anempfehlen möchte!

02] Sage Ich: »Alles, was du den Armen um Meines Namens willen tun wirst, wird also angesehen werden, als ob du es Mir tätest! Mein Haus aber ist nun versorgt zur Genüge für die kurze Zeit, die Ich noch hier zubringen werde; wenn Ich aber wiederkommen werde, dann wirst du es schon erfahren.«

03] Das Weib weint vor Freude und Dankbarkeit und sagt: »Herr, du wahrhaftigster Meister, aus den Himmeln uns gegeben! Ich habe ein großes Vermögen; die Hälfte will ich sogleich den wirklich Armen zukommen lassen, und die andere Hälfte will ich für sie verwalten, auf daß sie bei mir immer etwas finden sollen. Denn ich meine, daß solches gut sei, da mir bekannt ist, daß die Armen mit einem größeren Vermögen nicht haushälterisch umgehen können, gewöhnlich auf einmal zuviel ausgeben und zur Zeit der Not dann wieder nichts haben!«

04] Sage Ich: »Tue das, liebes Weib! Also sollten es alle Reichen tun, dann würden die Armen nie Not zu leiden haben; denn die Not ist ein übles Ding und verleitet den Menschen oft zu größeren Lastern als der Reichtum. Der Reiche bleibt wenigstens in seiner Ehre öffentlich vor der Welt und gibt selten so viel Ärgernis der Welt wie ein Armer, den die Not nur zu leicht für die schlechtesten Taten fähig macht; aber der unbarmherzige Reiche, der die Armen zur Ausführung seiner Laster benützt, ist dennoch bei aller seiner Weltehre um tausend Male schlechter denn der lasterhafte Arme. Denn der Arme wird lasterhaft durch die Not, und der Reiche ist des Lasters Schöpfer in seinem unverzehrbaren Überflusse.

05] Aber wie du, Mein liebes Weib, nun deinen Reichtum verwenden willst und auch wirst, da ist der Reichtum ein Segen aus den Himmeln und wird zeitlich und ewig dessen Verwaltern den größten Gewinn abwerfen! Darum, wer da recht tugendhaft sein will, der sei allzeit sparsam und haushälterisch, auf daß er zur Zeit der Not fähig sei, den Armen und Schwachen unter die Arme zu greifen.

06] Ich sage es euch allen: Eure Liebe zu euren Kindern brenne wie ein Licht; aber die Liebe zu den fremden Kindern armer Eltern sei ein großer Feuerbrand! Denn niemand in der Welt ist ärmer denn ein armes verlassenes Kind, ob ein Knabe oder ein Mägdlein, das ist einerlei. Wer ein solch armes Kind aufnimmt in Meinem Namen und versorget es leiblich und geistig also wie sein eigenes Blut, der nimmt Mich auf, und wer Mich aufnimmt, der nimmt auch Den auf, der Mich in diese Welt gesandt hat und vollkommen Eines ist mit Mir!

07] Wollt ihr Segen von Gott in euren Häusern ziehen und ihn wie ein wohlbestelltes Feld zur reichen Ernte erheben, so leget in euren Häusern Pflanzschulen für arme Kinder an, und ihr sollet mit allem Segen überschüttet werden also, wie ein hoch angeschwollener Strom die niederen Ebenen, die er überschwemmt, mit Sand und Steingerölle überschüttet; aber so ihr arme, hungrige Kindlein von euch weiset und sie obendrein noch angrollet, als wenn sie euch schon einen Schaden zugefügt hätten, der kaum ersetzlich wäre, da wird der Segen von euren Häusern also weichen wie der sterbende Tag vor der ihn raschen Schrittes verfolgenden Nacht. Wehe dann solchen Häusern, die von solcher Nacht ereilt worden sind! Wahrlich, darin wird es nimmer wieder zu tagen beginnen! Und nun gehe du, Mein liebes Weib, nach Hause und tue, was du dir vorgenommen hast, und gedenke vorzüglich der armen Witwen und Waisen!«

08] Nach dieser Lehre erhebt sich das Weib mit seinen Kindern, dankt Mir noch einmal samt seinen Kindern und ruft endlich laut aus: »O Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wie groß, gut und heilig bist Du und wie endlos mächtig und weise, der Du uns armen Sündern einen Menschen aus Deinem Herzen gegeben hast, der wohl imstande ist, zu heilen alle unsere Gebrechen, leiblich und geistig! Dir, heiliger Vater, sei allein alles Lob, alle Liebe, alle Ehre und aller Preis ewig! O Du lieber Vater Du, wie gut doch bist Du denen, die auf Dich allein vertrauen! Du züchtigest wohl scharf alle, die Deine Gebote nicht achten; aber wenn Dich dann der reumütige Sünder wieder rufet: Lieber heiliger Vater, vergib mir Schwachem!, o dann erhört ihn der heilige gute Vater gleich wieder und hilft ihm mit Seinem allmächtigen Arm aus jeglicher Not!

09] O Menschen, nehmt euch alle an mir ein Beispiel! Auch ich war eine Sünderin, und Gott hat mich gewaltig unter Seine allzeit heilige Zuchtrute getan; aber ich wankte in meinem Vertrauen nicht, bereuete meine Sünden und betete inbrünstig zum Vater im Himmel; und seht, Er, Er allein hat mein Flehen erhört und half mir wunderbarst aus der größten und schrecklichsten Not!

10] Darum vertrauet und bauet alle allein auf Ihn! Denn wo kein Mensch mehr helfen kann, da kommt Er und hilft dem Bedrängten! Darum lobe Ihn alles unaufhörlich! Denn Er allein nur kann jedermann wahrhaft helfen! Dir, du lieber Gesandter aus den Himmeln, aber danke ich auch noch einmal; denn du selbst mußt ein heiliges Werkzeug in der Hand des allmächtigen Gottes sein!«

11] Diese Exklamation (Ausruf), die Mich, dem Weibe unbewußt, allein anging, kostete Mich etliche Tränen der innigsten Rührung, daß Ich Mich von ihr abwenden mußte.

12] Es bemerkte aber solches der Cyrenius und sprach: »Herr, was ist Dir, daß Du weinest?«

13] Und Ich antwortete: »Freund, solcher Kindlein wie dieses gibt es wohl wenige auf der Erde! Sollte Ich als der Vater, den es so herzlich lobte, denn nicht auch vor Freude zu Tränen gerührt werden können? Oh, Ich sage es dir: Mehr als jeder andere Vater! Siehe, das ist eine, die da ist, wie jede sein sollte, und Ich habe eine unbeschreibliche Freude an ihr! Aber sie soll es auch gewahr werden, was das ist, wenn Ich über sie vor großer Freude geweint habe!«

14] Nach diesen Worten trocknete Ich Mir die Tränen an Meinen Augen und sagte zum noch ganz durch und durch für Gott allein liebeglühenden Weibe und deren Kindern: »Du Mein liebes Weib! Weil deine Liebe und dein Glaube zu Gott so mächtig ist, wie dergleichen noch selten vorkam, so kann Ich dich so, wie du nun bist, denn doch nicht entlassen. Sende den ältesten Sohn nach deinem Manne, daß er herauskommen solle; denn Ich habe mit ihm noch so manches sehr Wichtige zu besprechen!«

15] Nach diesen Worten läuft der Knabe sogleich in die Stadt und kommt in kurzer Zeit mit dem geheilten Vater wieder.

16] Als die beiden ankamen, sagte Ich zu ihm: »Freund, auf daß du nicht nur dem Leibe nach, sondern vorzugsweise auch der Seele nach, die ewig leben wird, völlig gesund werdest und wissen sollst, wie du daran bist mit all dem, was sich hier alles ereignet hat, so habe Ich dich nun herausrufen lassen. Fürs erste wirst du diesen Abend hindurch Mein Gast sein samt deinem lieben Weibe und deinen Kindern, und fürs zweite wirst du hier so manches sehen und hören und daraus leicht entnehmen, wer Der ist, der dich geheilt hat. Nachdem du und dein Weib dessen innesein werdet, wird es euch noch ums tausendfache leichter ums Gemüt werden, und du wirst es einsehen, daß du wahrhaft vollkommen geheilt bist.

17] Bevor aber noch die Zeit des Abendmahles kommt, wollen wir einen kleinen Weg nach der neuen, vom Jairus erbauten Synagoge machen, und Jairus, sein Weib, seine Tochter, ihr Gemahl Borus, Cyrenius, Kornelius, Faustus, Kisjonah, dein Weib und deine Kinder sollen uns begleiten. Dort soll dir etwas gezeigt werden, was dich in deinem Glauben sehr stärken soll!«

18] Sagt der Geheilte, der Bab hieß: »Meister, es geschehe, was und wie du es willst! Ich bin bereit, dir bis ans Ende der Welt zu folgen.«

19] Auf dies Wort Babs begaben wir uns sogleich nach der Synagoge, die man bei mäßigem Schritte in einer Viertelstunde, ganz bequem aber in einer halben Stunde, erreichen konnte.


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