Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 113


Jesus erlätert rechtes Loben und Gefahr des Lobens.

01] Sagt die älteste Schwester, die ein wenig die Eifersucht zu plagen begann: »Die Jarah war schon von jeher sehr verliebter Natur und verliebte sich bald in alles, was ihr unterkam; was wunder, daß sie sich in einen so schönen Mann, wie du einer bist, bis zum Sterben verliebt?! Das ist wahrlich keine gar so große Lebenskunst! Das könnte ich auch; aber was würde es mir nützen, wenn dich die klein verliebte Jarah nun ganz in Beschlag genommen hat?«

02] Sage Ich: »Siehe, du eifersüchtige Schwester, hättest du je eine rechte Liebe in deinem Herzen gehabt, so würdest du nun auch nicht also geredet haben! Weil du aber nie eine rechte Liebe ob der Verzärtelung in dein Herz bekamst, so kannst du auch nicht umhin, daß du eben also redest, wie du nun redest!

03] Siehe, die Jarah liebt - und fragt nicht, ob sie wiedergeliebt wird! Freund und Feind sind ihr gleich; sie ist ganz glückselig, daß sie nur alles mit Liebe umfassen kann. Daran zu denken nur, ob auch sie geliebt werde, ist noch nie in ihren Sinn gekommen; sie liebt dich und alle ihre Geschwister sowie ihre Eltern mehr, als sie von allen geliebt wird! Sie steht in eurer Liebe aber als die letzte, was sie noch nie in ihrer großen Liebe zu euch beirrt hat! Siehe, das heißt wahrhaft lieben!

04] Wenn du liebst, so willst du dafür noch zehnmal mehr geliebt sein! Und wird dir die Liebe nicht also erwidert, so wirst du voll Unmutes und voll allerlei Verdachtes in deinem von Eigenliebe vollen Herzen!

05] Siehe dagegen die liebe Jarah an, ob sie je noch auf Gegenliebe einen wie immer gearteten Anspruch gemacht hat! Aus dem Grunde aber darf sie Mich denn nun auch lieben, was nur immer ihr Herz vermag! Denn allein dieser zuliebe kam Ich hierher, und ihr zuliebe werde Ich noch etliche Tage hier verweilen; und so habt ihr es alle diesem Mägdelein zu verdanken, daß Ich hierher kam und eure Kranken, sowie den ganzen Ort geheilt habe und hinfort noch mehrere Kranke heilen werde.

06] Denn wohin Ich komme, suche Ich das Niederste und das Gedrückteste! Alles aber, was vor den Augen der Welt groß und hochgeachtet ist, ist vor Gott ein Greuel! Bestrebet euch darum, so zu sein, wie da ist die liebe Jarah, so werdet ihr Mir auch ebenso nahestehen wie sie nun, geistig und leiblich, für zeitlich und dereinst für ewig!

07] So ihr aber jemand lobet, da lobet den, der wahrhaftig ein Lob verdient! Wird der Belobte aber auf das Lob eitel, dann lobet ihn nicht mehr; denn die Eitelkeit ist der Same zum Hochmut, und dieser ist des Satans Geist!«

08] Sagt Ebahl: »Aber Herr, wenn Du meine Jarah gar so auszeichnest vor ihren übrigen Geschwistern, ist es nicht zu besorgen, daß sie eitel wird?«

09] Sage Ich: »Habe du nur darum keine Sorge! Wer einmal Mich umfaßt hat, von dem ist jede Eitelkeit für ewig gewichen! Jarah, sage es Mir, ob du darum dich nun für besser hältst als alle deine Geschwister, dieweil Ich dich nun so ausschließlich liebhabe!?«

10] Sagt ganz schüchtern die Jarah: »O Herr, Du mein einzig Geliebter, dafür kann ich nicht und meine Schwester auch nicht! Ich möchte aber, daß Du meine fünf Schwestern noch lieber hättest denn mich; denn sie sind ja viel schöner und viel gescheiter denn ich. Mich haben sie ja immer die Häßliche und die Dumme genannt, was ich aber auch recht wohl verdient habe; denn so schön bin ich sicher nicht wie sie, und - nun ja - dumm hin ich wirklich auch. Aber ich bin ja noch jung und werde schon noch gescheiter werden, wenn ich so alt werde, wie sie sind!

11] Oh, über meine lieben Schwestern lasse ich nichts aufkommen; denn sie lehren mich ja allerlei nützliche Dinge und haben mich alle recht lieb, aber ich liebe sie auch aus allen meinen Seelen-Leibeskräften. Herr, mußt ihnen auch gut sein! Denn siehe, ich fühle gleich ein starkes Herzeleid, so ich meine Geschwister in etwas bekümmert ersehe; da möchte ich gleich wieder alles hergeben, daß nur meine lieben Geschwister recht heiter und froh sein möchten!

12] Ich kann keinen Traurigen und keinen Unglücklichen sehen; lieber möchte ich alle Traurigkeit und alles Unglück auf mich nehmen, wenn dadurch nur alle Unglücklichen und Trauernden glücklich, froh und heiter sein möchten! Darum sei Du, mein allerliebster Herr Jesus, auch meinen Schwestern gleich so gut wie mir; denn sie verdienen es ja auch!«

13] Sage Ich: »Ja - dir, Meine allerliebste Jarah, kann Ich freilich nichts abschlagen! Deine Schwestern sehen nun aber auch schon ein, warum Ich dich gar so liebhabe, und so sie dir in ihren Herzen vollends gleichen werden, werde Ich sie auch so liebhaben wie dich; sei du darum ganz unbesorgt!

14] Denn sieh, geradeso, wie du keinen Unglücklichen und Trauernden sehen kannst, ohne den Wunsch, ihm zu helfen, ist es auch bei Mir - nur in einem viel größeren Maße - der Wunsch und mit ihm der allmächtige, feste Wille, jedem Menschen für Zeit und Ewigkeit zu helfen!

15] Das Verlorene zu suchen, das Kranke zu heilen, und alles, was da gefangen ist, zu erlösen, ist Mein Sinn, Meine Absicht und Mein Wille; aber dennoch soll auch einem jeden Menschen sein freiester Wille unverrückt belassen werden.- Sage Mir, du Meine allerliebste Jarah, ob dir Meine Absicht nicht recht gut gefällt.«


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