Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 14


Wie man die irdischen Schätze betrachten und nützen soll.

01] (Der Herr:) ”Sieh Mich an! Muß Ich nun nicht verkehren mit der Welt? Ich esse und trinke, und die Welt dient Mir, wie einst die Flut dem Kasten Noahs gedient hat! Wohl tobt sie gar gewaltig unter den festen Wänden Meines Kastens, - aber verschlingen kann sie ihn ewig nimmer!

02] Du kannst nicht darum, dass da ein römisches Reich dereinst entstanden ist. Nun ist es einmal da, und du kannst es nicht zunichte machen! Das Reich aber hat dennoch gute Gesetze, die zur Aufrechterhaltung einer Ordnung und zur Demütigung der Menschen recht wohl taugen. Dünkst du dich ein Herr zu sein, der über dem Gesetze steht und darum eine Krone tragen kann, so bist du auf dem falschen Wege für dich, wennschon nicht gegenüber den Menschen, die das Gesetz, das einmal sanktioniert ist, sowieso tragen müssen mit allen seinen Vor- und Nachteilen. Stellst du dich aber auch unter das Gesetz und betrachtest dich bloß als den vom Staate und von der Notwendigkeit aufgestellten Leiter und Ausfolger desselben, so stehest du am rechten Standpunkte und zimmerst dir aus dem geistigen Material des Gesetzes eine Arche, die dich über alle noch so stürmende Flut der Weltsünden hinwegtragen muß!

03] Wenn du dazu aber noch in aller Tat die leichten Grundsätze Meiner Lehre beachtest, die mit euren Gesetzen ganz gut zu vereinbaren ist, so tust du auch nach Möglichkeit für deine Seele und für deinen Geist zur Genüge. Wenn aber Ich dir das als genügend darstelle, so nenne Mir noch jemanden, der dir das als ungenügend bezeichnen könnte!“

04] Sagt Cyrenius: ”Aber bedenke, o Herr, die Pracht und den Luxus, in dem ich des Staates wegen leben muß, und bedenke, was Du eben vorher von der Pracht und vom Luxus der Welt geredet hast!“

05] Sage Ich: ”Liebst du denn in deinem Herzen die Pracht und den Luxus der Welt?“

06] Antwortet Cyrenius: ”Oh, nicht im geringsten; mir ist all das wie eine rechte Qual!“

07] Sage Ich: ”Nun, was beirrt dich dann die Mußpracht und der Mußluxus? Kein Glanz und keine Verzierung kann ohne Liebe deines Herzens dafür zu einem Nachteile für Seele und Geist werden! Aber wenn dein Herz an etwas Materiellem hängt und wäre dasselbe an und für sich noch so nichtig, so kann es der Seele und dem Geiste ebenso schädlich sein wie eine schwerste Krone aus reinstem Golde und aus den kostbarsten Edelsteinen.

08] Es kommt da darum alles nur auf die Verfassung des Herzens an; denn sonst müßten allerlächerlichsterweise auch Sonne, Mond und all die Sterne den Menschen dieser Erde als Sünden angerechnet sein, weil sie sehr prachtvoll leuchten und glänzen, und weil der Mensch denn doch sicher eine rechte Freude daran hat. Also kannst auch du, Mein lieber Cyrenius, eine rechte Freude an deinem Glanze vor den Menschen haben, aber nur keine eitle und darum dumme, denn durch sie wird die Seele verdorben und am Ende getötet!

09] Ist doch dem Salomo gestattet und sogar anbefohlen gewesen, sich mit einer solchen Pracht zu umkleiden, wie sie vor ihm kein König getragen hatte und nach ihm auch kein König je mehr tragen wird. Solange er daran keine dumme, eitle Freude knüpfte, sondern eine rechte, in der Weisheit begründete hatte, war die Freude erhebend für seine Seele und seinen Geist. Als er aber in der Folge des großen Glanzes wegen eitel ward und die Hoffart sich seiner bemächtigt hatte, da auch sank er gleich in allem vor Gott und allen besseren Menschen und verfiel in alle Sünden der üppigen Welt, und seine Werke und Taten wurden zu Narrenstreichen vor den besseren Menschen und zu wahren Greueln vor dem Angesichte Gottes.

10] Ich sage es dir und auch allen andern, dass es dem Menschen sogar gut und nützlich ist, wenn er als ein an Seele und Geist vollreif Gewordener schon auf dieser Erde die Pracht der Himmel nachahmt und sein Gemüt daran auf eine gerechte Art erheitert; denn es ist löblicher, zu bauen, als zu zerstören. Aber nur vollreife Menschen an der Seele und am Geiste sollten so etwas tun, auf dass die Unreifen ersähen, was alles ein Reifer zu schaffen vermag.

11] Aber wer sich einen Palast erbaut seiner Ehre und seines Ruhmes wegen und liebt sich am Ende selbst in seiner Pracht, der begeht eine mächtige Sünde gegen seine eigene Seele und gegen den göttlichen Geist in ihm und verdirbt sich und alle seine Nachkommen, die sich dann schon von der Geburt an für viel besser halten als die andern Menschen.

12] Werden aber durch die Pracht der Paläste die Herzen der Bewohner der Paläste verdorben und werden dabei voll Hochmutes und voll Verachtung gegen solche Menschen, die keine Paläste bewohnen können, dann ist es wieder besser, die Paläste sogleich in Schutthaufen zu verwandeln.

13] Also ist es auch gar nicht wider die göttliche Ordnung, sich eine Stadt zu erbauen, in der die Menschen in Frieden und Eintracht beisammen, wie eine Familie in einem Hause, leben, wirken und handeln und sich in allen Dingen gegenseitig leichter unterstützen können, als wohneten sie stundenweit auseinander. Reißt aber in einer Stadt dann Hochmut, Luxus, Prachtsucht, Neid, Haß, Verfolgung und sogar Totschlägerei ein, und Schwelgerei, Unzucht und Trägheit, dann sei eine solche Stadt nur gleich wieder in Schutt- und Moderhaufen zu verwandeln, sonst wird sie eine Pflanzstätte für allerlei Erzübel, die mit der Zeit die ganze Erde durch und durch verpesten würden gleich dem vorsündflutlichen Hanoch und dem nachsündflutlichen Babylon und der großen Stadt Ninive! Wie groß waren dereinst diese Städte, und nun stehen wenige ganz elende Hütten an ihrer Stelle! Wo aber einst Hanoch stand, da ist jetzt ein Meer, so wie an der Stelle des alten Sodom und Gomorrha und der zehn kleineren Städte im Umkreise der zwei großen, von denen jede größer war denn das heutige Jerusalem, das auch nicht mehr völlig so groß ist, als wie groß es war unter Davids Zeiten.

14] Was aber mit jenen Städten geschehen, das wird auch mit Jerusalem geschehen, und es sind etwelche hier, die den Greuel der Verwüstung mit ansehen und mit genießen werden! Denn wie gesagt, es ist besser, keine solchen Städte und dafür desto mehr vollends lebendige Seelen, als eine Stadt, in der die Menschenseelen vollauf zugrunde gerichtet werden für die Zeit und für die Ewigkeit!

15] Also magst du, lieber Cyrenius, alles haben, was nur die Erde Köstliches und wundersam Schönes auf ihrem weiten Boden trägt, und kannst dich daran, Gott lobend und preisend, ergötzen. Aber hänge dein Herz nie daran; denn alle diese Erdenpracht muß dereinst vergehen für sich und für dich, wenn du das Zeitliche mit dem Ewigen vertauschen wirst! Denn alle Materie ist ja im Grunde nichts als das allein, was Ich dir in einer früheren Rede klar und deutlich genug auseinandergesetzt habe. - Sage, bist du damit zufrieden, und hast du das wohl also verstanden, wie es vor Gott und aller Welt verstanden werden muß?“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers