Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 32


Von der Einheit des ewigen Lebens.

01] Sagt Mathael: ”Allerdings lassen sich diese Lebensbedingungen nicht so behaglich anhören wie die Fabeln einer Frühlingslebensphantasie, in denen das Leben gleich den Vögeln in der Luft oder den Schmetterlingen und goldenen Eintagsfliegen herumflattert, die von Blume zu Blume taumeln und aus ihren Kelchen den süßen Tau schlürfen; aber darum ist so ein Wollustleben auch nur ein vergängliches Tagsleben zu nennen, das sich erstens seiner selbst kaum bewußt und darum zweitens auch eigentlich gar kein Leben ist. Was nützte dem Menschen am Ende auch solch ein Schmetterlingsleben? Denke dir die Dauer dieses Lebens! Siebzig, achtzig bis neunzig Jahre sind schon ein hohes Alter, der Leib wird da schon sehr schwach und unbehilflich; nur ein etwas böser Lufthauch und gar ist es!

02] Frage aber: Was nachher? Wer kann dir darüber eine sichere Antwort erteilen, wenn du zuvor dein irdisches Leben hindurch nicht alles aufgeboten hast, damit dadurch dein ganzes Sein schon vor jenem bösen Lufthauche in dir zur vollebendigen Antwort geworden ist?! Hast du aber diese heilige Antwort in dir gefunden, dann auch wirst du sicher niemanden mehr ängstlich fragen und sagen: Was nachher, wenn dies kurze Leben ein Ende genommen hat?

03] Darum heißt es, sein Lebenswasser nicht gleichfort in der für den Leib behaglichen Kühle stehenlassen, sondern ans Feuer damit, auf dass es siede und in mächtigen Dämpfen aufsteige und sich zu einem neuen Leben gestalte, sonst ist alles gefehlt; und mag dir meine Rede noch so unangenehm vorkommen, die Wahrheit bleibt aber darum doch ewig Wahrheit, - und nur durch sie kann man zur wahren und vollen Lebensfreiheit gelangen, ohne die kein wahres ewiges Leben denkbar ist!“

04] Spricht nun Cyrenius in einem viel sanfteren Tone: ”Ja, ja, mein lieber Freund Mathael, ich sehe nun schon, dass du im Besitze der vollsten Wahrheit in allen Lebensbeziehungen bist, und es läßt sich dir mit irgendeinem Grunde eben nichts einwenden! Du bist in deiner Sphäre nun schon vollends auf des Lebens Heimatboden, aber unsereiner ist noch weit davon entfernt!

05] Es läßt sich hierbei nichts anderes wünschen, als dass du deine Lebenslehre in ein gewisses System zusammengefaßt hättest, nach dem man dann die Kinder dahin leiten könnte, dass sie auf diesem Wege desto leichter das erreichen könnten, was zu erreichen dem vollen Manne am Ende denn doch etwas zu schwerfallen muß!“

06] Sagt Mathael: ”Was du wünschest, ist zum Teile schon geschehen und wird noch viel mehr geschehen! Siehe, der große und mächtige Heiland, der uns geheilt hat, hat zu dem Behufe schon alle möglichen Vorkehrungen getroffen. Wir fünf wissen nun zwar auch den Weg, aber es wäre dennoch eine schwere Sache, das alles in irgendein geordnetes System zum allgemeinen Unterrichte zu bringen; aber für Menschen wie du könnten wir im Notfalle auch noch das zustande bringen! Denn es ist einem Menschen, der sich einmal auf dem Wege der Wahrheit in allen Dingen befindet, gerade nichts völlig unmöglich; denn das eigentliche freie Leben ist eins, ob in Gott, in einem Engel oder in einem Menschen.

07] Aber natürlich gibt es selbst im schon vollendeten freien Leben noch gar gewaltige Unterschiede; denn ein Leben, das sich erst jüngst zu erkennen angefangen hat, kann offenbar nicht so mächtig sein wie ein Leben, das sich schon vor Ewigkeiten in aller Fülle und Tiefe der hellsten Wahrheit nach erkannt und ergriffen hat. Solch ein Leben ist nun ein Herr der Unendlichkeit geworden, und alle Weltkörper mit allem dem, was sie tragen, stehen in der Gewalt dieses Lebens.

08] Dahin, Freund, werden wir es wohl auch ewig nicht bringen für uns selbst; aber in der Einigung mit diesem Leben werden wir am Ende auch das vermögen wie aus uns, was das große ewige Leben Gottes für sich vermag. Auch gibt es gewisse vollendete Lebenskräfte, die offenbar nach der ewigen Lebenskraft Gottes die ersten sind.

09] Diese Kräfte stehen bei weitem über unsern noch so frei und selbständig sich erkannten Lebenskräften; wir heißen sie >Engel< (Boten). Sie sind sonderheitliche Repräsentanten der allgemeinsten Gotteslebenskraft; aber wir können ihnen dennoch gleichkommen, wenn wir eins mit der allgemeinen Gotteslebenskraft werden.

10] Doch so viel, wie wir ausgestanden haben, um das zu besitzen, was wir nun besitzen, wirst du nicht ausstehen, und wirst auch das besitzen, was wir besitzen; denn die Seelen aus dieser Erde haben, als schon auf dem heimatlichen Boden seiend, alles um vieles leichter als jene, die aus einer vollkommeneren Welt hierhergesetzt worden sind.

11] Aber es ist einmal so im Grundleben Gottes für Ewigkeiten beschlossen, dass eben diese winzige Erde der Schauplatz Seiner Erbarmungen werden soll und gewisserart nun schon gleich die ganze Unendlichkeit sich wird in diese neue Ordnung begeben und in sie fügen müssen, so sie wird einen gemeinschaftlichen Teil an der endlosesten Seligkeit des einigen Gotteslebens haben wollen; so muß man sich denn auch fügen, koste es, was es wolle!

12] Wahrlich, hätten wir hier nicht ein Ende unserer Leiden gefunden, was wir aber erst nach und nach in uns innezuwerden begannen, da wäre ein vollkommener Tod uns auch ums endlosfache erwünschter gewesen, als ein nur noch einige Tage länger währendes, über alle Beschreibung qualvollstes Leben, und hätten wir darauf auch gleich in alle Gottseligkeit eingehen können!

13] Aber er hat, wie wir nun stets klarer innewerden, der große Lebensheiland unserem Leiden noch vor der bestimmten Zeit ein Ende gemacht, und wir fangen darüber nun erst an, froher und froher zu werden, und sehen nun ein, dass der große Geist Gottes nun in allem Ernste diese Erde zu einem Schauplatze Seiner Erbarmungen machen will und auch machen wird - aber leider auch zu einem Schauplatze der größten Verfolgungen, des Hochmutes, der Prachtsucht und der größtmöglichen Anfeindung alles dessen, was da geistig rein, allein gut und wahr ist!“



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