Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 200


Raphael überzeugt die Mohren von der Göttlichkeit Jesu.

01] Gleich darauf berufe Ich den Engel und sage zu ihm, der Tischgenossen wegen laut: ”Raphael, nun ist Oubratouvishar mit seinen Gefährten auf den rechten Punkt wieder zurückgekommen, und da kannst du dem Streite mit einem Hiebe helfen! Sie sind ganz geneigt, nun seine An- und Einsicht über Mich anzunehmen, wenn er's ihnen beweisen kann, dass der Stein wirklich durch dich in einem Momente aus Nouabia hierhergeschafft worden ist. Gehe denn hin und schaffe jedem, der es verlangt, das, was er verlangt, aus seiner Hütte hierher, und die ganze Streitsache wird damit vollkommen abgetan sein!

02] Denn diese festwilligen, aber schwer fassenden Menschen müssen durch ein Wunder bekehrt werden, weil das Wort allein für sie zu wenig überzeugende Kraft besitzt. Diesen Menschen schadet ein Wunder auch nicht soviel wie irgend euch und ganz besonders so manchen Juden; denn sie als Naturmenschen können selbst ganz ansehnliche Wunder bloß durch ihren festen Glauben und durch ihren unbeugsamen Willen zustande bringen, was sie aber freilich als eine nahe ganz natürliche Sache ansehen. Davon werden wir uns später überzeugen. Ein großes Wunder gilt dann bei ihnen nur als ein halbes, und so können sie ohne irgendeine Ärgernisnahme durch Wunder ganz unschädlichermaßen bearbeitet werden. Gehe nun sonach hin! Was du zu reden und zu tun hast, liegt schon in dir.“

03] Mit dem nun allen bekannten Bescheide begibt sich der Engel zu dem Tische, wo die Schwarzen, durch den Genuß des Weines noch lebhafter gemacht, ihre ziemlich lauten Disputationen halten. Als er dort anlangt, sagt er mit einer durchdringend lauten Stimme: ”Was beschuldiget ihr diesen euren größten Freund und Wohltäter, dem ihr alles Gute zu verdanken habt, als wollte er euch betrügen und einen falschen Glauben aufdrängen?! Was verdächtiget ihr das Wunder, das ich zu seiner Überzeugung auf Geheiß des Herrn gewirkt habe, dahin, als wäre ich ein von ihm bestellter Gauner, der, um euch zu betrügen, ihm behilflich wäre! Welche Beweise wollt ihr denn, die da vermöchten, eure Zweifelsucht in euch bekämpfend, euch zurechtzubringen? Soll ich für euch aus euren Hütten etwas hierherschaffen? Verlangt, und ich werde es tun!“

04] Auf diese energische Anrede wurden alle still und wußten vor Angst nicht, was sie tun sollten.

05] Aber der Anführer sagte: ”Das ist Gottes Hilfe! Die wird mich rechtfertigen von euren schon ganz arg gewordenen Anwürfen! Verlanget und überzeuget euch; denn nichts als das allein nur kann eure große Torheit brechen!“

06] Darauf erhob sich einer, der am meisten gezweifelt hatte, und sagte: ”In meiner Hütte ist ein Schatz verborgen; außer mir und meinem Weibe, das hier ist, kennt ihn wohl niemand. Schaffe mir ihn hierher, und ich werde dann vollauf glauben!“

07] Sagt der Engel: ”In welcher Zeit soll ich dir den Schatz, den du in Linnen und Röhricht eingewickelt und in den Winkel gen Sonnenaufgang in deiner Hütte an der Stelle, wo außerhalb der Hütte ein großer Palmbaum steht, zwei Schuh tief in den Sand verscharrt hast, und der in einem dreißig Pfunde schweren und ganz reinen Goldklumpen besteht, hierherschaffen? Sage mir an die Zeit!“

08] Hier macht der Zweifler große Augen und sagt: ”Aber um aller Himmel willen, wie möglich kannst du, holdester Junge, das so genau wissen? Schon damit hast du meinen Zweifel vernichtet; denn nun ist mir alles einleuchtend, was immer unser Führer und Ältester von jenem jungen Manne ausgesagt hat! Aber bei alldem wird die Sache stets fürchterlicher merkwürdig! Wenn außer allem Zweifel in jenem Manne die ganze Fülle des urewigen Gottgeistes wohnt, wie werden wir bestehen vor Ihm! Muß Ihn unser Zweifeln nicht im höchsten Grade beleidigt haben? Oh, oh, wir sind alle verloren!“

09] Sagt der Engel: ”O mitnichten, ihr seid nun nur alle gewonnen! Aber nun bestimme du die Zeit, in der ich dir deinen Schatz hierherholen soll!“

10] Sagt der Zweifler: ”O Holdester,- ist nun gar nicht mehr nötig um meines Unglaubens halber; aber so du ihn mir schon wunderbarst herschaffen willst, da lasse es dir leicht geschehen! Wenn er etwa hier für jemanden einen besonderen Wert hat, so soll er ihn mir mit anderen nützlichen Werkzeugen ablösen; denn mir ist er ja ohnehin zu nichts nütze! Er ist schön und hat Stellen, die an der Sonne sehr stark glänzen; und wenn man ihn recht aufmerksam betrachtet, so besteht er aus allerlei Figuren, die auf seiner Oberfläche ersichtlich sind. Manche sind dunkel und glanzlos, aber manche leuchten mächtig an der Sonne. Darin lag für mich der eigentliche Wert des ziemlich großen und ganz kompakten Klumpens. Wenn du, holdester, schönster Junge, ihn mir sonach herschaffen willst, so brauchst du dich bei aller deiner wundersamen Kraft nicht zu übereilen!“

11] Sagt der Engel: ”Sieh mich an! In diesem Augenblick hole ich deinen Schatz; zähle die Augenblicke, wie viele ich derer brauchen werde, um hin- und wieder zurückzukommen!“

12] Der Zweifler und seine Gefährten richten ganz scharfe Blicke auf den Engel, um zu sehen, wann er sich entferne, und wie bald er darauf wiederkehren werde.

13] Aber der Engel entfernt sich gar nicht, sondern fragt den früheren Zweifler: ”Nun, hast du meine Abwesenheit bemerkt?“

14] Sagt der Zweifler: ”Nein; denn bis jetzt standst du noch immer felsenfest auf demselben Flecke!“

15] Sagt der Engel: ”Oh, mitnichten; denn sieh nur hinab, zu deinen Füßen liegt schon ganz gesund und wohlbehalten dein Schatz!“

16] Der Zweifler schaut unter den Tisch, und sein wohlerkennbarer Schatz ruht in der unversehrten Einfassung zu seinen Füßen! Darüber erschrickt der Zweifler so sehr, dass darob seine sonst ganz karminroten Lippen blaß werden und er ordentlich zu beben anfängt.

17] Auch die anderen machen ein ganz absonderlich betroffenes Gesicht über diese Erscheinung und schreien: ”Aber um Gottes Willens Macht! Was ist das, wie kann das sein?! Du Holdester hast dich von der Stelle ja doch nicht einen allerkürzesten Augenblick entfernt! Wie war hernach das möglich?“

18] Sagt der Engel: ”Bei Gott ist alles möglich, und ihr könnt daraus entnehmen, wie Gott der Herr, wenn Er auch hier als Mensch gleich einem andern Menschen anwesend ist, mit Seiner allerunendlichsten Willensmacht dennoch die ganze Unendlichkeit leitet, regiert und erhält, und wie vor Seinen allsehenden Augen es ewig nirgends etwas Verborgenes geben kann, um das Er nicht auf das allergenaueste wüßte!

19] dass der ewige Gottgeist nun auf dieser Erde das Fleisch angenommen und Selbst persönlich Mensch geworden ist, dazu bewog Ihn Seine übergroße Liebe zu euch Menschen dieser Erde vor allem, und dadurch auch zu den Menschen von all den zahllosen anderen Weltenerden, um euch für alle ewigen Zeiten ein fühlbarer, schaubarer und sprechbarer Gott und Vater in aller Liebe zu sein! Denn Er als Gott ist die mächtigste und reinste Liebe, darum sich Ihm aber auch kein Mensch und kein Engel anders als allein nur in und durch die Liebe nahen kann.

20] Wollt ihr zu Ihm kommen, so müsst ihr Ihn vor allem über alles lieben und euch untereinander als wahre Brüder und treuherzige Schwestern; ohne solche Liebe ist eine wahre Annäherung zu Ihm so gut wie rein unmöglich! Nun aber hebe du, erschreckter Hase, deinen Schatz herauf auf den Tisch und betrachte ihn, ob er wohl der rechte ist!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 4  |   Werke Lorbers