Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 227


Die Nichtigkeit einer Kraft ohne Gegenkraft.

01] (Der Herr:) ”So da jemand von einer derartigen Riesenstärke hier wäre, daß er mit seinen Händen die stärksten Eichen und Zedern zu entwurzeln vermöchte, hätte aber keinen Widerstand, sondern um seine zu entwurzelnden Bäume nur Schlamm und Wasser, würde er da wohl einen Baum, der etwa um ein paar Klafter tiefer seine Wurzeln wohl in festem Erdreiche stecken hätte, zu entwurzeln imstande sein? Ich sage: Nein; denn sowie er sich anschickte, mit seinen mächtigen Armen den Baum aus der Erde zu reißen, da würde er einsinken in des Wassers und Schlammes Tiefe und somit mit aller seiner Riesenkraft gar nichts ausrichten.

02] Wenn also ein Riese die große Muskelstärke seiner Hände als wirksam darstellen will, so müssen auch seine Füße einen sehr festen Boden als eine notwendige Stütze haben, was sicher jedem von euch wohl einleuchtend sein wird. Ich setze aber hier noch einen Mir gar wohl möglichen und für euch noch einleuchtenderen Beispielsfall.

03] Nehmen wir an, hier vor uns befänden sich etwa ein paar hundert allerkräftigster Kämpfer, hundert auf der einen und hundert auf der andern Seite. Sowie sie aufeinander loszugehen anfangen, hebe Ich sie mit Meiner innern Macht hoch in die Luft empor und lasse sie durch einen heftigen Wind in alle Gegenden und Richtungen zerstreuen. Frage: Wie werden diese ohne allen festen Stützpunkt nun ihren Kampf beginnen und vollführen? Wird einer selbst mit den kräftigsten Füßen in der Luft sich auch nur um einen Schritt weiterbewegen können oder so einen recht gewaltigen Hieb mit der Hand tun und dabei seine aufrechte Stellung behalten können?

04] Ich sehe, daß ihr da nun so ein wenig zu studieren anfanget, wie etwa solches möglich wäre. Es steht aber in Meiner Macht, einem von euch das praktisch zu zeigen, und so sagt Mir nur, wer von euch sich wohl einer solchen Probe unterziehen will! Willst du, Epiphan, etwa eine Mannshöhe über der Erde dich von der Wahrheit Meiner Aussage überzeugen?“

05] Sagt Epiphan: ”O ja, Herr und Meister; denn es kann mir unter Deiner Obhut ja unmöglich etwas Übles begegnen! Ich bin demnach schon entschlossen dazu.“

06] Sage Ich: ”Nun gut, erhebe dich eine Mannshöhe vom Boden der Erde in die freie Luft, und erzähle es den andern, wie du dich befindest!“

07] Epiphan befand sich nun ganz freischwebend in der Luft, und zwar ganz ruhig in aufrechter Stellung, und Ich sagte zu ihm: ”Mache nun etwelche Bewegungen, und tue, als ob du irgendwohin kommen oder dich gegen irgendeinen Feind verteidigen wolltest, und erzähle es uns, was du empfindest, und wie es dir zumute ist!“

08] Epiphan versuchte das, verlor aber natürlich sogleich die bequeme, aufrechte Stellung, und je mehr er mit Händen und Füßen arbeitete, desto mehr kam er in allerlei höchst unbequeme Stellungen. Am Ende drehte er sich wie ein in der Luft schwebendes Blatt herum, und ein nur ganz leiser Lufthauch fing an ihn weiterzuschieben, und zwar nach Meinem Willen gegen des Aziona Haus, an dessen Wänden er einen festen Stützpunkt fand, seine unbequeme Stellung wieder in die bequeme aufrechte umwandelte und sich dann, die Wand erfassend, bis zur Erde gewisserart herabschob.

09] Als Epiphan mit den Füßen wieder den Erdboden erreichte, da war er, Mich lobend, über alle Maßen froh, kam schnell zu uns an den Tisch und sagte: ”O Herr, alles, was Du willst, - aber nur keine solche verzweifelte Probe mehr! Ich hätte euch wohl von der Luft herab erzählen sollen, was ich empfand und fühlte! Ja, das hätte ich in der aufrechten Stellung, die von einem ziemlich angenehmen Gefühle begleitet war, wohl erzählen können, wie ich mich eben recht angenehm fühle und sehr anmutiglich befinde; aber als ich mich dann auf Dein Geheiß zu bewegen anfing und alle Stellungen mir mußte gefallen lassen, weil ich sie nicht zu ändern vermochte, da war es mit der Sprache aus. Ich hätte allenfalls, so ich mich nicht geschämt hätte, ein angstvolles Zetergeschrei beginnen können, aber von einem verständlichen Worte wäre da gar keine Möglichkeit gewesen! Von tausend Schwindeln ergriffen und sich ohnmächtiger denn eine Mücke fühlend, - da rede, wer da wolle; für mich war das die allerplatteste Unmöglichkeit!

10] Nur eine Mannshöhe vom festen Boden in die freie Luft entrückt, und man ist im Augenblick das aller Macht und aller Kraft barste Wesen! Der leiseste Lufthauch, der kaum ein Blättchen an einem Baume zu rühren vermag, trägt einen ohne irgend möglichen Widerstand fort, und das in einer zumeist sehr unbequemen Stellung. Nein, alles, wie gesagt, - aber nur keine solche Probe mehr! Aber der Satz aus Deinem Munde, o Herr, ist nun als eine glänzendste Wahrheit bestätigt, daß nämlich die größte Kraft ohne einen festen Stützpunkt, den ich als eine notwendige Gegenkraft betrachte, so gut wie gar keine Kraft ist. Das ist nun so meine lebendigste und wahrste Überzeugung.

11] Was und worin bestehend nach Deiner früheren Erklärung der Orkus, Tartarus oder die Hölle in sich ist, das wäre mir nun schon so ziemlich klar; aber mit dem Satan und seinen Helfershelfern, den sogenannten Teufeln, weiß ich jetzt noch nichts zu machen! Weil Du, o Herr und Meister, uns schon das eine so gut erklärt hast der vollsten und vernunftgerechten und

-gemäßen Wahrheit nach, so erkläre uns auch noch das, so es Dein heiliger Wille ist!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 5  |   Werke Lorbers