Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 81


Jesus im Norden von Galiläa.

01] Ich blieb zu Kana in Galiläa bei sieben Tage lang, und Meine Jünger predigten das Evangelium dem Volke. Nach sieben Tagen aber zogen wir weiter, nachdem wir zuvor viel Gutes gewirkt hatten. Von Kana aus begleitete uns viel Volkes eine weite Strecke und kehrte voll Trostes wieder heim.

02] Wir zogen aber von da ganz an die nördlichsten Grenzen Galiläas, wohin wir zuvor noch nicht gekommen waren. Allda aber trafen wir eine Menge Heiden an, die sehr abergläubisch waren und auf allerlei Amulette große Dinge hielten. Sie betrachteten uns auch mit sehr verwunderlichen Augen und begriffen gar nicht, wie wir uns ohne solche Schutzmittel zu reisen getraueten. Als wir ihnen andere Beweise von unseren inneren Kräften zu geben anfingen, da fielen sie auf ihre Angesichter; denn sie hielten uns für Götter aus dem Olymp und getrauten sich nicht, uns anzusehen. Erst nach längerem Reden und Beweisen fingen sie wieder an, uns für Menschen zu halten, und es war von da an erst möglich, sich ihnen näher zu offenbaren.

03] Daselbst blieben wir wohl bei drei Wochen lang und bekehrten da eine große Anzahl Heiden zum reinen Judentume. Es waren aber das sonst ganz gute Menschen, und sie bedienten uns sorglichst mit allem, was sie nur immer besaßen. Als wir sie verließen, da ward viel um uns geweint; aber Ich stärkte sie, und dann ließen sie uns ruhig ziehen.

04] Auf daß aber der Leser dieser Schrift sich leichter orientiere, wo sich eigentlich diese Amulettheiden befanden, so sehe er auf einer alten Landkarte nach, und er wird in Kleinasien eine Landschaft finden, die da heißt Cappadocia (Cai pa dou ceio? = Was wollen diese hier?). Da, an der Grenze gen Süden, war eine Stadt unter den Namen Melite (Mei liete! = Habe oder zähle die Jahre!). Diesen Namen bekam die Stadt von einem jungen Könige, der zwar recht weise und tapfer war, - als aber der alte König starb, so wollte sogleich der junge den Thron besteigen. Dabei aber stellte sich im Rate der Ältesten des Volkes heraus, daß der Sohn noch nicht das erforderliche Alter hatte, und man sagte zu ihm: ”Mei liete!“ = ”Habe die Jahre!“ Da ward der Sohn zornig, zog mit einigen tapferen Streitern gen Osten, eroberte eben die obbenannte Landschaft Cappadocia zur schon früher innegehabten Landschaft Cilicia (Ci lei cia = So sie nur will), und erbaute daselbst eine Stadt und gab ihr den triumphierenden Namen Mei liete nei (griechisch: Melitene = Habe die Jahre nicht), womit er dem Rate der Ältesten sagen wollte: ”Da seht her, ob ich nicht die Jahre habe!“

05] Nun, das gehört freilich wohl nicht so ganz in unser Evangelium; aber es schadet niemandem, auch so etwas zu wissen, weil er sich hernach in vielem leichter orientieren kann.

06] Also von dieser alten Stadt westlich lag ein bedeutendes Gebirge an der Grenze von Syrien, und daselbst wohnten unsere Amulettgriechen. Wie Ich die Sache mit ihnen ab- und durchgemacht habe, ist in Kürze schon bekanntgegeben worden, und eines weiteren bedarf es da nicht.

07] Von diesen gemütlichen Menschen zogen wir südwestwärts und gelangten in ein Städtchen namens Chotinodora (Choti no dora = Im Winkel ackert oder pflügt man nicht). In diesem Städtchen wohnten viele Juden aus Bethlehem und trieben da Handel mit allerlei, betrieben auch mit besonderem Eifer das Wechselgeschäft. Zugleich aber waren da auch Griechen aus Armenien und trieben Holzhandel am Strome Euphrat bis nach Indien, da dies Städtchen, so wie ein gleich großes Nachbarstädtchen namens Samosata, eben an dem vorbenannten Strome lag.

08] ”Nun, lauter Handelsleute! Da werden wir für unsere Sache wenig Geschäfte machen!“, so meinten die Jünger unter sich, und ein ältester Neujünger sagte zu Mir, als wir am Ufer des Stromes dem regen Tun und Treiben der Menschen zusahen: ”Herr, diese Orte aber gehören doch nicht mehr nach Galiläa, und doch hast Du sie bereist, obwohl Du nur in Galiläa allein umherziehen wolltest! Wie kam das, und wie sollen wir das verstehen?“

09] Sagte Ich: ”Das kam ganz natürlich, und das darum, weil nun nach der Ländereinteilung der Römer das alles bis an die Grenze von Kleinasien zu Galiläa gehört, und so sind wir nun noch in Galiläa und sehen uns nicht mehr nach den alten Namen um, sondern nur nach denen, wie sie nun bestehen! Dies Land, das in den Zeiten Jakobs und später unter den Richtern das Land der Trauer, ein Land für Verbannte war, ist nun ein Land der Freude geworden, und ob es schon früher klein war, so ist es nun aber dennoch größer geworden denn alle Länder vom ganzen großen Gelobten Lande. Wir sind nun zwar im alten Syrien, aber dennoch sind wir im neuen Galiläa (G = wie Sch ausgesprochen, lautet es "Schalilia" = ein Ort der Trauer), das nicht ein Land der Trauer, sondern ein Land der Freude und der geistigen Auferstehung geworden ist, - Versteht ihr das?“

10] Sagten alle: ”Herr, das verstehen wir nun ganz gut, weil es in aller Wahrheit also ist! Aber es fragt sich jetzt nur, was wir hier machen werden. Es ist schon zu Ende mit dem heutigen Tage, und wir haben noch keine Herberge. Auch unser Mundvorrat ist ganz ausgegangen. Darum bitten wir Dich, o Herr, daß Du uns da Rat schaffen möchtest! Oder sollen wir hier im Freien übernachten oder uns umsehen in der Stadt, irgend etwas Brot zum Kaufen zu bekommen?“

11] Sagte Ich: ”O ihr Kleinmütigen! Geht und tut das letztere! Aber um eine Herberge braucht ihr euch nicht umzusehen: denn sie wird noch von selbst kommen, wenn sie kommen will. Kommt sie nicht, so bleiben wir hier, und es wird niemandem irgend etwas zuleide geschehen. Morgen erst werden wir sehen, was da zu machen sein wird.“



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