Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 88


Jesus über die Voraussetzungen zur geistigen Vollendung. Das Wesen Gottes.

01] (Der Herr:) ”Du siehst daraus, daß da ohne den wahren und lebendigen Glauben an einen einigen und ewig wahrhaftigen Gott kein Mensch zur Lebensmeisterschaft gelangen kann. Daher ist es vor allem notwendig, an einen wahren Gott zu glauben; denn solange du nicht glaubst, daß es einen allein wahren Gott gibt, solange kannst du auch keine Liebe zu Ihm in deinem Herzen wachrufen. Ohne solche Liebe aber ist es unmöglich, sich Gott zu nähern und endlich nahe völlig eins zu werden mit Ihm.

02] Ohne das aber kann von einer wahren Lebensmeisterschaft ebensowenig die Rede sein, als daß da jemand ein Meisterspieler auf der Harfe werden sollte, der nie von ihr etwas hat reden hören und noch weniger irgendwo eine gesehen hat.

03] Wenn du aber noch immer fragst und sagst: "Ja, wo ist denn Gott, und wie sieht Er wohl aus?", da sage Ich dir, daß das eigentliche Gottwesen niemand sehen kann und leben, - denn Es ist unendlich und somit auch allgegenwärtig und ist sonach als Reinstgeistiges auch das Innerste eines jeden Dinges und Wesens, das heißt in Seinem auswirkenden Willensmachtlichte; in Sich Selbst und für Sich aber ist Gott ein Mensch wie Ich und auch du und wohnt in einem unzugänglichen Lichte, das in der Welt der Geister die Gnadensonne genannt wird. Diese Gnadensonne aber ist nicht Gott Selbst, sondern sie ist nur das Auswirkende Seiner Liebe und Weisheit.

04] Wie du aber die Sonne dieser Welt wirken siehst dadurch, daß sie allenthalben gegenwärtig ist durch den beständigen Ausfluß ihres Lichtes nach allen erdenklichen Richtungen hin, also wirkt auch der Gnadensonne allenthalben wirkende Kraft als ein aus ihr strömendes Licht in allen Wesen schaffend und belebend gegenwärtig.

05] Wer nun versteht, recht viel des Lichtes aus der Gnadensonne der Himmel im Herzen seiner Seele aufzufangen, aufzunehmen und dann zu behalten durch die Macht der Liebe zu Gott, der bildet in sich selbst eine Gnadensonne, die der Urgnadensonne in allem völlig ähnlich ist, und die volle Innehabung einer solchen Gnadensonne ist dann eben soviel als die Innehabung der allein wahren Lebensmeisterschaft.

06] Die Klarheit und die lichte Fülle dieser wahrsten Lehre aber wirst du auch erst dann einsehen, wenn du auf diese Weise selbst zur Lebensmeisterschaft gelangen wirst; denn jetzt kannst du das noch nicht völlig fassen, obwohl du all das Gesagte ganz gut aufgenommen hast.“

07] Sagte der Zöllner: ”Ja, du hast recht, lieber Meister! Ich habe wohl alles verstanden; aber ich weiß nun noch nicht, was ich damit beginnen soll. Das jedoch ist etwas Sicheres, daß die Erlangung der vollen Lebensmeisterschaft durchaus keine leichte Arbeit ist; denn da heißt es viel betrachten, viel erfahren, viel denken, wollen und handeln danach. - Aber nur eine Frage noch, lieber Meister!“

08] Sagte Ich: ”So rede, obwohl Ich ganz genau weiß, was du Mich fragen wirst!“

09] Sagte der Zöllner: ”O lieber Meister, so rede du nur gleich; denn ich zweifle nicht daran!“

10] Sagte darauf Ich: ”Du zweifelst gar nicht daran, - aber so ein wenig möchtest du denn doch dich überzeugen, ob Ich das wohl wüßte, um was du Mich noch fragen möchtest! Allein das macht nichts, und Ich werde dir die Frage dennoch vorsagen! Sie lautet also: "Meister, bist du auch auf diese Weise zu deiner Lebensmeisterschaft gelangt, und wer hat dir also wie du nun mir die gehaltvolle Anleitung gegeben?"

11] Siehe, also lautet deine Frage Wort für Wort! Aber Ich kann dir darauf nur eine dich ebensowenig befriedigende Antwort geben als auf deine früheren ganz ähnlichen Fragen. Sieh, als purer Mensch habe Ich wahrlich ganz dasselbe (wie du) tun müssen; aber da Ich, aufrichtig gesagt, Meinem inneren Geistwesen nach etwas mehr denn ein purer Mensch bin, was du morgen schon noch früh genug erfahren wirst, so hatte Ich es eigentlich schwerer, weil Ich als Mensch dieser Erde nie einen eigenen Willen in Mir aufkommen lassen durfte, sondern stets den Willen Dessen auf das genaueste befolgen mußte, der durch Mich in diese Welt kommen und den Menschen das ewige Leben bringen und geben wollte. Davon jedoch wirst du morgen von Meinen Jüngern ein mehreres überkommen. Für heute aber werden wir unsere Sitzung beschließen und uns zur Ruhe begeben!“

12] Sagte der Zöllner: ”Meister, so es dir genehm wäre, da könntet ihr alle gleich in diesem Saale die Ruhe nehmen; denn an den Wänden sind hier rundherum die allerbequemsten Ruhestätten angebracht!“

13] Sagte Ich: ”Gut denn, so bleiben wir hier, und derlei Ruhestühle sind Mir lieber als die faulen Liegestätten, die sich höchstens für die Kranken schicken. - Und so stehen wir auf und begeben uns zur Ruhe!“



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