Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 163


Das Schicksal der Selbstmörder. Lehre ohne gutes Beispiel ist nichts nütze. Glaube ohne Werke ist tot.

01] Nach dem Mahle aber erhob sich ein Ältester der gewissen Judgriechen und sagte zu Mir: ”Herr, ich habe während des Essens viel darüber nachgedacht, wie man das Leibesleben gar nicht lieben, sondern vielmehr verachten und fliehen solle, um dadurch das Leben der Seele zu gewinnen und zu erhalten! Das ist mir nun schon so ziemlich klar geworden; aber es ist da dennoch ein Punkt, der mir noch nicht so recht einleuchten will. Es gibt unter den Menschen auch solche, die da wahre Erzfeinde ihres eigenen Lebens sind, und wenn sie dessen aus irgendeiner Veranlassung überdrüssig werden, so entleiben sie sich selbst. Diese müßten doch da vor allem das Leben der Seele gewinnen! - Was ist da Deine Meinung?“

02] Sagte Ich: ”Hat ihnen Gott denn das Leibesleben darum gegeben, daß sie es vernichten sollen?! Das Leben des Leibes ist das dem Menschen von Gott gegebene Mittel, durch welches er das Leben der Seele für ewig gewinnen kann und soll. Nun, so er aber das Mittel zuvor vernichtet, womit soll er dann das Leben der Seele erhalten und eigentlich zuvor gewinnen? So ein Weber zuvor seinen Webstuhl zerstört und vernichtet, wie wird er auf demselben hernach seine Leinwand weben? Ich sage es dir: Die Selbstmörder - so sie nicht Irrsinnige sind - werden schwerlich je oder auch gar nie das Reich des ewigen Lebens besitzen! Denn wer einmal ein solcher Feind seines Lebens ist, in dem ist keine Liebe zum Leben; ein Leben ohne Liebe aber ist kein Leben, sondern der Tod. - Weißt du nun, wie du daran bist?“

03] Sagte der Judgrieche: ”Ja, Herr und Meister, jetzt bin ich im klaren, und es soll das für mich auch ein Hauptteil Deiner Lehre sein, der den Menschen nicht genug vorgepredigt werden kann!“

04] Sagte Ich: ”Ganz wohl, - aber vor allem muß der Prediger für sich selbst ganz in der Ordnung sein, bevor er jemand anderen lehrt; denn sonst ist die Lehre hohl und läßt auch den Lehrling hohl. So jemand selbst ein eifriger Befolger dessen ist, was er lehrt, so werden auch seine Jünger sich mit allem Eifer bestreben, so vollkommen zu werden, wie vollkommen da ihr Meister ist. So aber die Jünger hie und da Lücken und Unvollkommenheiten an ihrem Meister nur zu bald entdecken, so werden sie auch bald in ihrem Eifer nachlassen und am Ende sagen: ”Der Meister ist selbst ein Stümper, - was soll aus uns werden?!“ Und Ich sage euch: Die Jünger werden solch einem Meister bald den Rücken weisen; denn das Stümpern gehört stets unter das gemeine Handwerk und nie in die Sphäre der Künste, und noch weniger in die Sphäre der Weisheit. Darum müsst ihr zuvor selbst in allem vollkommen sein, das heißt, in der Lehre und in der Tat danach, ansonst ihr nicht fähig wäret, wahre Ausbreiter Meines Evangeliums zu sein.

05] (Ein Beispiel:) Es bestünde irgendwo noch eine alte Heldenschule, in der die stärksten und mutigsten Menschen zu Kriegshelden herangebildet werden. Der Meister würde ihnen vor allem die Verachtung des Todes ans Herz legen und sagen, daß ein feiger Mensch, der den Tod fürchtet, nie ein wahrer Held werden kann. So es aber dann auf eine ernste Probe ankäme, in der der Heldenmeister seinen Jüngern zeigen sollte, wie man dem Tode kaltblütig entgegengehen muß, er aber dann zaudern würde und am Ende selbst die Flucht ergriffe, - würde das seine Heldenjünger zum wahren Mut entflammen? Ganz sicher nicht; denn die Jünger werden sich denken: ”Ach, der will uns nur durch wohlgewählte Worte die Todesverachtung einreden; in der Tat aber hat er hundertmal mehr Furcht vor dem Tode als der Zaghafteste unter uns! Der soll lieber eine Schule für Feiglinge als für Helden halten!“

06] Ganz etwas anderes aber wird ein Heldenmeister bewirken, so er vor seinen Jüngern den Kampf mit einem Löwen aufnimmt und ihn durch seine Kraft und Gewandtheit besiegt und zu Boden streckt. Da werden ihn seine Jünger bewundern und in sich stets mehr die Begierde beleben, auch sobald als möglich einen solchen Kampf durchzufechten. Und es bleibt der Spruch stets wahr, daß nur der Geist der Tat belebt, der tote Wortbuchstabe aber tötet. Denn was selbst tot ist, das kann nicht beleben für sich, sondern der Geist, der sich durch die lebendige Tat bekundet, macht alles lebendig.

07] Ich sage es euch: Es werden nicht die in das Reich Gottes eingehen, die da zu Mir sagen werden: ”Herr, Herr!“, sondern nur die, welche den erkannten Willen Meines Vaters im Himmel tun werden (vgl. mt.07,21)! Es ist nicht genug, daß da jemand glaubt, daß Ich Christus, der Gesalbte Gottes bin, sondern er muß auch tun, was Ich gelehrt habe, sonst nützt ihm der Glaube nichts; denn ohne die Werke ist der stärkste Glaube tot und gibt keiner Seele das ewige Leben. - Das merkt euch alle wohl und tut danach, so werdet ihr leben!“

08] Nach dieser Meiner Lehre fragte niemand um etwas Weiteres; denn sie hatten da alle genug zu denken und untereinander zu besprechen.



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