Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 178


Zweierlei Menschen auf Erden: Seelen von oben und Seelen von unten. Lehren und Zeichenwirken mit verschiedenen Wirkungen.

01] Nur Lazarus sagte und fragte: ”Herr und Meister, bin ich etwa auch einer von oben her?“

02] Sagte Ich: ”Allerdings, denn sonst hättest du die Zeichen, die Ich vor deinen Augen schon mehrfach gewirkt habe, nicht mit so viel Ruhe und Gleichmut ertragen, als wäre da etwas ganz Natürliches geschehen. Alles hatte dich nur gleich während des Geschehens überrascht, - einige Augenblicke später war dir die Sache schon wieder mehr gleichgültig; denn du dachtest es dir also: Einem Menschen sei es unmöglich, so etwas wie das Fliegen in der Luft gleich den Vögeln zu bewirken. Ich sei aber einmal ganz Gott, und es sei denn auch ganz natürlich, daß Mir alles gerade also möglich sein müsse wie dem Vogel das Fliegen in der Luft, und es sei daher durchaus kein anderes Wunder wie alle von Mir erschaffenen Dinge. Der Mond, die Sonne, die Sterne und diese Erde und alles, was in ihr, auf ihr und über ihr ist, lebt und sich regt, seien bleibende Wunder Meiner Weisheit und Macht, und die jetzigen Wunder seien bloß momentane Zeugen davon, daß Ich eben Derselbe sei, der schon von Ewigkeit her die Unendlichkeit mit zahllosen und bleibenden Wundern angefüllt habe. So Ich denn als Gott Wunder wirke, so sei das nichts Wunderbares, sondern das eigentlich Wunderbare an Mir sei Meine unbegreifliche Liebe zu euch, Meinen Geschöpfen, und Meine so große Herablassung und selbstlose Güte, Sanftmut, Geduld und ordentliche Demut vor den Menschen, die Ich mit einem Hauche ins reinste Nichts verwehen könnte.

03] 'Ja', sagst du bei dir weiter, 'wenn das alles auch ein Mensch zuwege bringen möchte, dann wäre es wohl ein Wunder, so gut, als es sehr wunderbar wäre, so ein Mensch gleich einem Vogel sich in die Luft erheben und im Freien herumschweben könnte.'

04] Siehe, so du nicht von oben her wärest, wärest du solcher Gedanken nicht fähig, und Ich würde vor dir aus weiser Schonung deines freien Willens solche Zeichen, wie Ich sie gewirkt habe, nicht gewirkt haben! Die da unten aber sind nicht von oben her, sondern von dieser Welt, und Ich darf darum vor ihnen auch keine solchen Zeichen wirken wie vor dir und vor diesen Meinen Jüngern. Sie dürfen nur davon reden hören, aber ja nicht viel davon sehen; denn sähen sie die großen Zeichen, die Ich wirke und gewirkt habe, so würde sie das völlig töten. Darum müssen sie allein an Meiner Rede nagen.

05] Es wird ihnen aber schon auch noch ein Zeichen gegeben werden, aber kein anderes als das des Propheten Jonas; denn wie er nur drei Tage in dem Bauche des Fisches verweilte und dann lebend an das Ufer gesetzt wurde, also werde auch Ich drei Tage im Grabe zubringen und dann wieder lebend hervorgehen zum größten Schreck und Gericht für die da unten.

06] merkt euch alle das, daß die Kinder dieser Erde nicht durch Zeichen, sondern nur durch das lebendige Wort für Mein Reich zu gewinnen sind! Denn die meisten Kinder dieser Erde - wenn sie nicht schon durch allerlei falsche Zeichen zu verdorben sind - sind leichtgläubig und nicht begriffsstutzig und können daher durch eine rechte Rede bald und leicht für die Wahrheit gewonnen werden; aber durch zu auffallende Zeichen würden sie jedes eigenen Denkens und Wollens völlig verlustig werden. - Weißt du nun, Lazarus, ob du von oben oder von unten her bist?“

07] Sagte Lazarus: ”Ja, das sehe ich nun schon ein, daß ich auch irgend von oben her sein werde; aber wie werden wir denn erkennen, wer unter den uns begegnenden Menschen von oben oder von unten her ist?“

08] Sagte Ich: ”Wenn es nötig sein wird, so wird es euch schon der Geist in euch kundtun. Aber es gibt auch ein äußeres und selten trügliches Zeichen, durch das bald an dem Menschen wohl zu erkennen ist, von wo er der Seele nach herstammt.

09] Seht, die Seele behält auch in ihrem notwendig finsteren Fleische ein gewisses Gefühl davon, woher sie ist, und kehrt selbst des Fleisches Ohren und besonders die Augen gerne dahin, von wo sie urständig abstammt. Menschen, die ihre Blicke gerne nach oben richten und gerne der Berge Höhen besteigen, auch gerne jene Laute vernehmen, die irgend aus der Höhe an ihr Ohr kommen, sind sicher auch von oben her. Aber Menschen, die ihre Blicke zumeist auf den Erdboden richten und in selbem herumwühlen und allerlei Schätze suchen und nur selten ihre Augen und Ohren nach aufwärts richten, die sind auch ganz sicher von unten her. Nach diesem könnt ihr, wenn ihr darauf achtet, auch schon so recht klar erkennen, wen ihr vor euch habt.

10] Menschen, die von oben her sind, sind gewöhnlich auch sehr erfinderisch und bringen allerlei Künste und Wissenschaften zuwege; aber sie sind dennoch alle mehr oder weniger hartgläubig, denn sie wollen alles ganz klar bewiesen haben. Der Grieche Philopold in Kane bei Kis glaubte nicht eher, als bis Ich ihm jene Sonnenerde zeigte, auf der er zuerst ein Fleisch trug; und beinahe alle Kyniker sind ganz dasselbe. Vor denen könnt ihr Welten erschaffen, so wird das vor ihren Augen kaum so viel Wirkung haben, als so ihr einem Menschen dieser Erde sagt: 'Gehe hin und tue das!' Der wird euch kaum fragen und sagen: 'Ja, warum denn das?', sondern er wird es darum gläubig tun, weil es ihm ein Weiser gesagt hat; die Ursache hofft er dann noch immer früh genug zu erfahren. Aber ein Mensch von oben her wird euch ernst und fest ins Auge fassen und fragen: 'Warum denn das? Ohne Grund tue ich nichts! Erkläret euch näher, und ich werde sehen, was daran ist, darum ihr sagt: Gehe hin und tue das!'

11] Denn Ich sage es euch, daß es da auf gar vieles ankommt, um sich zu vergewissern, mit welches Geistes Kindern man es als ein Lehrer zu tun hat, und mit welchen Reben in Meinem Weinberge; denn dasselbe Wort kann die besten, aber auch die schlechtesten Folgen haben, so man es dem Charakter des Anhörers entweder gemäß oder nicht gemäß vorträgt.

12] Die schwachen kleinen Kinder dieser Erde glauben, wie schon gesagt, alles bald und leicht, was man ihnen zum Glauben vorstellt, und benötigen der Erklärung erst hintennach, wenn sie sich einen großen Vorrat an Glaubenssätzen angeeignet haben. Es ist daher bei ihnen wohl sehr darauf zu achten, daß ihnen ja stets die reinste Wahrheit gepredigt wird, - und wehe dem, der die Kleinen der Erde mit allerlei falschen Lehren und Beispielen ärgern möchte, wie Ich euch solches schon einmal in einem kleineren Bilde in Galiläa gezeigt habe! Aber bei den Kindern von oben ist die Erklärung entweder schon zum voraus oder doch mindestens mit der Lehre zugleich zu geben, ansonst sie nicht leichtlich etwas als eine volle Wahrheit annehmen werden.

13] Ihr waret schon gar oft Zeugen, wie Ich es mit den Griechen und Römern gemacht habe; tut auch ihr desgleichen, und ihr werdet sie um so leichter gewinnen, weil ihr Mich und Meine Werke vor euch habt, auf die ihr euch allzeit fruchtbringend berufen könnt! Im Notfalle werdet ihr auch selbst Zeichen zu wirken imstande sein; aber seid damit ja sparsam und wirkt erst dann ein Zeichen, so ihr im Geiste dazu genötigt werdet! Denn ein Zeichen wirkt zwar Gutes, aber ein wahres, lebendiges Wort um tausend Male ein Besseres, weil durch das Wort dem Menschenherzen kein Zwang auferlegt wird.

14] Denn das Wort beleuchtet zuerst den Verstand des Menschen. Dieser erweckt dann erst den Willen und die Liebe im Menschenherzen. Die Liebe wird zu einer mächtigen Flamme. Diese beleuchtet und belebt dann erst den Willen im Herzen, und dieser handelt dann nach der Vorschrift des eigenen Verstandes, und was der Mensch also frei aus sich tut, das ist eigene, verdienstliche Tat, und der Mensch hat also erst seinen eigenen Lebensherd gefunden.

15] Das Zeichen aber schlägt des Menschen Verstand auf eine lange Zeit nieder und schreckt allein die Liebe und ihren Willen zum Handeln auf. Aber es ist dieses Handeln gleich einem durch die Luft geworfenen Steine, der sich auch so lange durch die Luft bewegt, als die Wurfkraft mit seiner Schwere in Verbindung bleibt; sowie diese aber nur zu bald aufhört, fällt der Stein nach seiner Schwere wieder als tot und unbeweglich auf den Boden und bleibt da liegen in seinem alten Gerichte.

16] Die Seele eines durch ein Zeichen bekehrten Menschen gleicht da völlig einem geworfenen Steine und handelt dann blind aus Furcht vor dem Zeichen; wenn aber das Zeichen dann mit der Zeit an seiner Kraft verliert, so erschlafft auch die Liebe und der Wille der Seele, besonders bei den Nachkommen, die kein Zeichen gesehen haben, und wird völlig träge und hält das Zeichen entweder für ein Zauberstückchen oder platterdings für eine Lüge und Erfindung der Vorfahren. Denn fragt die Seele den Verstand, was an dem Zeichen sei, so kann dieser ihr keine Erklärung geben, da er selbst nie eine bekam, und er urteilt dann ganz gut also: 'Sind wir denn weniger Menschen als unsere Vorfahren, die allerlei Zeichen erhielten und dann leicht glauben konnten? Wir sollen nun glauben, was wir nicht verstehen, und die Zeichen, von denen wir bloß reden hörten, sollen uns als Glaubensmotive dienen? Nein, das geht durchaus nicht! Das kann ein weiser Gott, so Er irgend einer ist, von uns schwachen Menschen ewig nie verlangen! Daher verlangen auch wir Zeichen oder wenigstens eine solche Erklärung, die uns ein rechtes Licht gibt über das, was wir glauben und was wir tun sollen, auf daß wir den rechten Grund erkennen. Denn wir verlangen solche Glaubensmotive, die für alle Menschen zu allen Zeiten als wirksam erscheinen, aber nicht solche, die wir zuvor auch erst glauben müssen, auf daß wir dann auch das glauben können, was zu glauben wir durch sie genötigt werden.'

17] Seht, so urteilt dann der Verstand der Menschen, und das sogar mit Recht! Denn ist die Lehre auch mit gegebenen Zeichen vor dem Menschenverstande nicht in das rechte Licht gestellt worden, so geht sie ehest mit allen Zeichen unter, und die Menschen kommen dabei um allen Glauben und verfallen in ihr altes, träges und wildes Leben, bis dann irgendein pfiffiger Magier über sie kommt und sie mit falschen Zeichen leicht und bald auf seine Seite bringt.

18] Daher sage Ich euch allen noch einmal ganz eindringlich: lehrt hell und klar, und seid in hohem Grade sparsam mit den Zeichen, so werdet ihr bleibende und unwandelbare Jünger zeihen! Denn das Zeichen vergeht; aber die helle und reine Wahrheit bleibt ewig und bedarf zu ihrer Bestätigung gar keines Zeichens mehr, weil sie selbst das höchste Zeichen ist, das aus den Himmeln zu jeder Zeit den Menschen, die es suchen, gegeben wird.

19] Es gibt aber schon auch Zeichen, die ihr wirken mögt; aber da soll das Zeichen nur eine rechte Wohltat sein für arme und bresthafte Menschen ohne Unterschied des Standes und des Glaubens, aber nicht ein besonderes Beweismittel für die reine Göttlichkeit Meiner Lehre.

20] Die Lehre muß durch ihr Licht selbst sich auch ohne alle andern besonderen Zeichen als rein göttlich erweisen und jedem, der danach tut, den inneren, lebendigen Beweis ihrer vollsten Echtheit geben. Wenn ihr das beachtet, so werdet ihr Mir wahrlich gute Jünger nach euch erziehen; werdet ihr alles das aber nicht ganz genau beachten, so werdet ihr selbst dem Gegenchrist die Tore öffnen, und ihr werdet offenbar selbst das Weite zu suchen bekommen.“



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