Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 209


Jesu Wunder in der Herberge.

01] Sagte Ich: ”O du Mein Freund und Bruder! Diese Blinden aus eigenem bösen Wollen wissen nur zu gut, daß Ich sehr mächtig bin, und sie bedürfen keines noch größeren Beweises Meiner Weisheit, Kraft und Macht; denn sie hassen Mich ja eben darum, weil sie Mich Meiner Weisheit und Meiner Macht wegen fürchten. Also darum wäre es wahrlich nicht nötig, diesen Blinden einen neuen Beweis Meiner Macht zu geben; aber den Römern zuliebe werde Ich ganz unversehens doch etwas tun, auf daß dadurch die Römer eine Sache wider sie in ihren Mund bekommen. - Da nun aber die Sonne schon knapp am Horizonte steht, so wollen wir denn aufbrechen und ins Haus ziehen. Wer uns folgen will, der wird uns dann schon im Hause finden; denn im Freien werde Ich heute nichts mehr reden und tun. Und so begeben wir uns denn ins Haus!“

02] Sagte Lazarus: ”Herr, mein Haus hat zwar eine große Räumlichkeit, - ob es aber alle, die nun da sind, fassen wird, das weiß ich nicht!“

03] Sagte Ich: ”Sorge dich nicht darum; denn friedliche Schafe haben viele Platz in einem Schafstalle! Auf die zwei etwas räudigen Pharisäer wird es da nicht ankommen. Gehen wir denn!“

04] Darauf gingen wir und waren bald im Hause an unserem Tische, auf dem sich schon Brot und Wein befand. Wir aber hatten uns noch kaum gelagert, so drangen auch schon alle, die draußen ehedem noch ganz lebhaft miteinander Worte tauschten, zu uns in den großen Speisesaal; aber so viele ihrer auch waren, so fanden sie doch alle bequem Platz, und Lazarus und sein Wirt wunderten sich darob.

05] Und der Wirt sagte: ”Entweder sind die Menschen kleiner - oder der Saal ist größer geworden! So viele Menschen waren noch nie in diesem einen Saale beisammen! Und woher sind alle die bestgeordneten Tische und Stühle gekommen, und woher auf einmal soviel Brot und Wein? Ich habe noch keinen Tropfen und auch nicht ein Stückchen Brot aufgetragen. Wie ging denn das zu? Hast du heimlich den Dienern befohlen, daß sie das tun sollen?“

06] Sagte Lazarus: ”Ich sicher noch weniger als du! Das hat schon wieder der Herr also angeordnet durch Seinen allmächtigen Willen. Ich und die Römer durch mich haben Ihn der blinden hier verkleideten Pharisäer wegen um ein Zeichen gebeten, und wie ich's nun deutlich sehe, so hat Er es auch ganz unbemerkt schon gewirkt. Und sieh auf den Tisch der Römer hin! Die Weinkrüge reinstes Silber, und die Trinkbecher blankstes Gold! Hast du etwa derlei zur Bedienung der Gäste?!“

07] Hier machte der Wirt große Augen und noch größere die Römer.

08] Agrikola war ganz außer sich vor Bewunderung über solch eine Auszeichnung und sagte zu Lazarus: ”Freund, warum ehrst du uns denn heute abend also, und warum hast du das nicht schon gestern abend und heute am Tage getan? Denn das ist ja nun eine solche Prachtehrung, welche jene, die es haben, ausschließlich nur einem Kaiser tun.“

09] Sagte Lazarus: ”Meine Freunde! Wenn ich solche Geschirre gestern und heute gehabt hätte, wahrlich, ihr wärt stets also bedient worden; aber es sind diese Geschirre mir ganz unbewußt gleichsam wie ins Haus und hier auf euren Tisch gebracht worden, und so meine ich, daß das schon das gewisse Machtpröbchen wegen der an Seiner Macht Zweifelnden sein wird!

10] Es geht hier nun schon in allem ganz wunderbar zu. Seht die vielen Tische im Saale an! Sie sind da, und weder ich noch mein Wirt wissen es, woher sie gekommen sind! Auch befindet sich auf allen Tischen Brot und Wein in schwerer Menge, und weder der Wirt noch ich und irgendeiner unserer Diener haben eines von beiden auf irgendeinen Tisch gesetzt! Dazu weiß ich nur zu genau, wie viele Gäste im äußersten Falle hier Raum zur Genüge haben. Und nun sind gut fünfmal soviel Gäste da, und es ist noch freier Raum zur Genüge für noch einmal so viele, und dennoch hat der wahrlich sehr vergrößerte Saal seine vorige Gestalt ganz unverändert! Wenn ihr diese Sache so recht bei Lichte betrachtet, so ist das alles ja doch noch mehr als das von euch verlangte Machtpröbchen des puren Willens unseres Herrn und Meisters!“

11] Sagte der ganz über und über erstaunte Römer: ”Ja, Freund, da wirst du schier recht haben! Denn hättest du auch für uns irgend heimlich die kostbaren Geschirre von deinem Bethanien herschaffen lassen, wobei wir dreißig doch bemerkt hätten, daß irgend etwas ins Haus gebracht worden wäre - außer, du hättest von hier bis nach Bethanien einen unterirdischen Gang, was sehr zu bezweifeln ist -, so hättest du aber in den wenigen Stunden doch nicht alle die vielen Tische und Stühle herbeischaffen und den Saal erweitern können! Und somit ist das wahrhaft ein nie erhörtes Wunderwerk, und der es bewirkte, ist ein Gott und kein Mensch mehr!“

12] Hier schauten (staunten) die im ganzen nun fünf Pharisäer und ein paar Leviten und wußten nicht, was sie dazu sagen sollten.

13] Da es aber im Saale bald recht dunkel geworden war, so mußten Lichter angezündet werden, was da stets etwas beschwerlich war; denn man hatte in jener Zeit keine derartigen Zündapparate wie heutzutage. Wenn das sogenannte ewige Licht, womit jedes Haus versehen war, erlosch, so mußte man zu einem Nachbar gehen und allda Feuer leihen, oder man mußte gewisse ganz trockene Hölzer aneinander so lange reiben, bis sie zu brennen begannen. Diesmal aber war auch in diesem Hause das Feuer ganz ausgegangen, und die Diener rieben die gewissen Hölzer, die aber diesmal nicht brennend werden wollten. Und so ward es stets dunkler, und niemand konnte ein Licht zustande bringen.

14] Da kam Lazarus zu Mir und sagte: ”Herr, es ist im ganzen Hause das Feuer erloschen, und wir können nun kein Licht zustande bringen! Dir ist ja alles möglich; so Du willst, da erzeuge Du uns ein Licht!“

15] Sagte Ich: ”So setzt die Lampen auf die Tische, und bestellet auch die Wandlichter; dann werde Ich sehen, ob wir ein Feuer zuwege bringen werden!“

16] Es ward alles hergestellt und hergerichtet, und Ich sagte: ”Wie es im ersten Buche Mosis geschrieben steht, da Gott sprach zu den Finsternissen: "Es werde Licht!", und es ward Licht in den Weiten der Schöpfung, ebenalso habe auch Ich die Macht, zu sagen: Es werde Licht in diesem ganzen Saale und in dem ganzen Hause!“

17] Als Ich solches ausgesprochen hatte, da erbrannten augenblicklich alle Lampen im ganzen Saale und also auch im ganzen Hause, und in der Küche brannte das Holz auf dem Herde, so daß da die Köche sich an die Bereitung der Speisen machen konnten.

18] Als die Pharisäer das sahen, da wurden sie ganz verblüfft, sahen sich nach den Römern um und erwarteten, was etwa diese zu dieser Erscheinung sagen würden. Aber die Römer konnten sich selbst vor lauter Staunen gar nicht fassen, so daß beinahe eine halbe Stunde verstrich, bis die Zungen wieder in Bewegung gesetzt wurden.

19] Aber da erhob sich Agrikola, ging an den Tisch, an dem ganz separat die Verkleideten saßen, und sagte zu ihnen: ”Sagt mir, wie euch solche Schwäche dieses wahrsten Messias gefällt! Nennet ihr das nun auch noch eine Schwäche, oder könnt etwa auch ihr das Gleiche mit eurem puren Willen bewirken? Könnt ihr solche kostbaren Trinkgeschirre also erschaffen und sie mit dem köstlichsten Weine füllen? Könnt auch ihr das herrlichste Brot aus der Luft herzaubern, dann die Tische und die Bänke? Euer Tisch und eure Bänke und Stühle sind doch sicher fest genug, und sie sind nicht gemacht, sondern erschaffen bloß durch den Willen Dessen, von dem ihr behauptet, daß wir Römer Ihm nur deshalb also sehr zugetan sind, weil wir von Seiner Schwäche gewisserart nichts zu befürchten hätten. Was also sagt ihr nun dazu?“



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