Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


25. Kapitel: Vermutung der jungen Jüdin über die Person Jesu.

01] Hier erst fing der Tochter innerlich ein helleres Licht über Mich aufzugehen an, so daß sie mit der Mutter darob zu Mir hintrat und sagte (die junge Jüdin): »O Herr und Meister, mein Herz sagt es mir, daß nur Du allein hier solches tust, was keinem Menschen, keinem Propheten und ohne Deinen Willen auch keinem Engel, sondern nur einem Gott allein möglich ist, und somit bist Du auch ein Gott! Darum sei auch Dir allein alle unsere Verehrung und Liebe unser ganzes Leben hindurch! Alle Ehre und alles Lob Dir ganz allein!«

02] Sagte Ich: »Wer da glaubt und tut nach Meinem Worte, der wird selig werden! Aber ihr glaubt nun, dieweil ihr Zeichen gesehen habt, und saget, daß Ich ein Gott sei; hättet ihr aber keine Zeichen gesehen, so hättet ihr auch nicht geglaubt und nicht gesagt, daß Ich ein Gott sei. Nun, wie kommt denn das?

03] Seht, das kommt daher, weil in euch bis jetzt noch keine Wahrheit ist und auch nicht sein kann, weil ihr eben bis jetzt noch nie eine Wahrheit vernommen habt! Ich aber sage es euch nun: Befleißigt euch alle der reinen Wahrheit; denn nur sie allein kann euch vollkommen frei machen am Leibe und an der Seele, - am Leibe, weil euch die Wahrheit sagen wird, warum euch ein Leib zu tragen gegeben worden ist, und an der Seele, weil euch eben die Seele aus der Wahrheit in ihr selbst sagen wird, daß sie für die vollste Freiheit und ewige Selbständigkeit da ist!

04] Nun, Meine arme und holde Tochter, Ich hätte dir das nun wahrlich nicht gesagt, so Ich es nicht wüßte, daß du ein in allem möglichen ganz besonders wohlerzogenes Kind bist. Aber Ich sage es dir, daß Ich Menschen, die manchmal in ihrem besseren Erkennen so ein wenig hartnäckig sind, lieber habe als jene, die oft nach wenigen Zeichen und Beweisen schnell wie ein Schilfrohr im Sturme umwenden und sich nach des Richters (Sturmes) Zuge kehren, was dann für sie offenbar beweist, daß sie eben keine irgend besondere Selbstkraft besitzen. Wenn aber jemand die Selbstkraft nicht besitzt und kein gutes Urteil fällen kann in seinem Verstande, ist er zum Reiche Gottes ebensowenig geschickt wie derjenige, der einen Acker pflügt und sich dabei fortwährend nach rückwärts umsieht.

05] Und siehe, du holde Gestalt, also steht es nun noch mit dir! Du hast Mich ehedem wohl für einen Gott erklärt, wozu dich die Zeichen und Meine Weisheit nötigten; aber du verwarfst im selben Augenblick den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Denn du dachtest dir: "Wer also weise reden und solche unbegreiflichen Wunderzeichen wirken kann, der ist dann bei dir schon ein Gott!" Aber nun reut es dich schon geheim im Herzen, daß du solches ausgesprochen hast, weil du dir gleich darauf wieder die Gesetze Mosis ins Gedächtnis gerufen hast, und du hast nun eine Furcht in dir, daß du in einer Gemütsübersprudelung des alten Jehova vergessen und Mir die nur dem wahren Gott gebührende Ehre geben konntest. Und siehe, das heißt die Hand an den Pflug legen und dabei nach rückwärts schauen!

06] Wenn du Mich aber schon für einen Gott ansiehst, so mußt du Mich ganz für einen Gott wohlerkenntlich ansehen und dir keinen andern Gott neben Mir denken; denn so du Mich nun für einen Gott erklärst, dabei aber auch an den alten Gott denkst und dich vor Ihm darob fürchtest, weil du dich dadurch am Gesetze Mosis versündigt zu haben wähnst, so ist solch ein Bekenntnis von dir an Mich ein eitles, und du bist dadurch um nicht vieles besser als eine Heidin, die wohl auch an den Gott Mosis glaubt, aber dabei auch an den Jupiter, Apollo, Merkur und noch viele andere Götter mehr.

07] Siehe, als du zu Mir hertratst, da dachtest du, daß Ich einer der erwähnten Götter der Heiden wäre, und gabst Mir jener hohen Römer wegen die Ehre! Aber sogleich gedachtest du des Gottes Mosis, der da sagt: "Du sollst nur an einen Gott glauben und keine fremden Götter neben Mir haben!" Es übermannte dich die Reue, das laut ausgesprochen zu haben, und siehe, das war sonach offenbar nicht recht von dir! Denn so du an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs glaubst, so kannst du Mich nicht als einen Gott begrüßen. Glaubst du aber ernstlich, daß nun Ich ein Gott bin, so mußt du den alten Gott fahren lassen, da es nur einen Gott geben kann, und nicht zwei oder noch mehrere Götter, gleichwie es auch nur einen unendlichen Raum und nur einen ewigen Zeitenlauf gibt, in dem alles ist und geschieht.

08] Nur wenn du glauben könntest, daß Ich und der alte Gott etwa ein und dasselbe sind - obwohl es geschrieben steht, daß niemand Gott schauen und leben kann -, dann bliebe doch wenigstens dein Gewissen ruhiger, und deine Furcht vor dem alten Gott wäre dadurch offenbar eine mindere! - Sage Mir aber nun, was du tun wirst!«



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