Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 113. Kapitel: Notwendigkeit der Verschiedenheit alles Geschaffenen.

01] Sagte Raphael: »Du hast recht geantwortet; denn bei solch einer Gleichförmigkeit der Geschöpfe hörte jeder Lebensreiz und mit ihm auch alles Denken auf. Das äußere Denken geht ja von da aus, daß ein Mensch mit seinen gesunden Sinnen die verschiedenen Dinge und ihre höchst abwechselnden und verschiedenen Formen betrachtet, sie vergleicht und über ihre zwecklichen Verhältnisse nachdenkt und urteilt, sich die vielen verschiedenen Formen merkt und ihnen dann auch verschiedene Namen gibt, wodurch der Menschen Mundsprache und später auch die durch Schriftzeichen (Schriftsprache) entstand.

02] Wenn aber einmal eine Gegend der andern, ein Baum dem andern, auch ein Tier dem andern und alle Menschen, Männer und Weiber, Eltern und Kinder, jung und alt, einander völlig gleich sähen, welchen Reiz würde das auf die Sinne des Menschen wohl ausüben? Sicher nicht den geringsten! Er hätte sich dabei sehr wenig zu merken und noch weniger zu denken; auch mit der Mundsprache sähe es sehr karg aus, und mit den Schriftzeichen auch, und siehe, das wäre die notwendige Folge, wenn der allweise Gott die Welten und die Geschöpfe alle nach deinem strengen Ordnungsbegriff erschaffen hätte!

03] Aber da Gott noch endlos viel weiser ist, als wir uns das vorzustellen vermögen, so hat Er alles auch in einer viel besseren Ordnung erschaffen, als wir uns dieselbe je vorstellen werden können, und Er ist dadurch schon ein beständiger Lehrer und Meister der Menschen, weil Er in Seinen Geschöpfen eine so unendliche Mannigfaltigkeit verordnet hat, damit der Mensch, um dessentwillen alles da ist, eben die gar so mannigfaltigen Geschöpfe aller Art und Gattung betrachten, sie leichter erkennen, benennen, über sie nachdenken und sie dann auch so und so zu seinem Nutzen oder Schaden gebrauchen soll und kann, - was er aber, wie gezeigt, nach deiner Ordnungsweise wohl nimmerdar vermocht hätte.

04] Würdest du wohl je eine entschiedene Liebe zu einem Weibe fassen können, wenn es allen anderen Weibern so völlig ähnlich sähe wie eine Hausfliege der andern? Du könntest dir dein Weib gar nicht merken, sowenig du dir eine Hausfliege merken und dann sagen könntest: "Sieh, das ist mein Liebling!" Denn sowie sich deine Lieblingsfliege unter die andern gemengt hätte, könntest du sie dann sicher nimmer als die deinige erkennen, und ebenso ginge es dir mit deinem Weibe und deinem Weibe auch mit dir.

05] Aus diesem allem aber kannst du nun schon ersehen, daß eben der dir scheinenden Unordnung im Bereiche der Geschöpfe Gottes viel größere und wahrere Beweise für das Dasein und für die höchste Liebe und Weisheit eines allmächtigen Schöpfers zugrunde liegen als der Ordnung, die du schon so lange suchtest und doch nicht finden konntest!

06] Ich habe dich schon darauf aufmerksam gemacht, daß deine Blutadern, die du an deinen Händen und Füßen, wie auch an deinem Kopfe bemerken und ganz gut beobachten kannst, eben nicht in jener völlig symmetrischen Ordnung unter deiner Haut angebracht sind, wie du sie gar so gerne sähest, sondern sie liegen bei dir wie auch bei jedem andern Menschen ganz merklich verschieden gestellt ersichtlich da. Ja, warum denn solche Unordnung?

07] Siehe, du wirst nicht leichtlich irgend zwei Menschen treffen, die sich ganz vollendet ähnlich sähen! Wenn Gott der Herr aber aus den dir wohl gezeigten Gründen auch die Außenformen ganz verschieden formt, so formt Er auch den Organismus der Menschen verschieden und mit ihm auch die Talente einer jeden Seele. Denn hätten alle Menschen die haargleichen Talente, so würden sie einander gegenseitig bald ganz vollkommen entbehrlich werden, und die Nächstenliebe wäre ein leerer Wortlaut.

08] Nun hast du gesehen, wie die dir scheinende Unordnung der treueste Zeuge für das Dasein Gottes und für die höchste, weiseste und liebevollste Ordnung aus Gott ist, und so können wir nun zu unserem bösen See wieder zurückkehren!«



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