Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 147. Kapitel: Das Versprechen der Pharisäer.

01] Der Ägypter aber fragte sie, sagend: »Nun, wie gefallen euch zum Beispiel diese nun von mir gewirkten Zeichen?«

02] Keiner getraute sich mehr, diesem Wundermann eine Antwort zu geben; denn sie hatten, ihrer Frevel sich bewußt, eine zu große Angst und Furcht vor ihm!

03] Er aber sagte: »O ihr elenden Heuchler! Vor mir habt ihr nun wohl Furcht, weil ihr solches von mir gesehen und erfahren habt; aber Den suchet ihr zu fangen und zu töten, durch dessen allmächtigen Willen, den ich kenne, ich nun das alles gewirkt habe! O ihr elend blinden Narren! Wer ist denn mehr: der Herr oder der Knecht, der Meister oder der schwache Jünger? Bebet ihr nun vor mir schon so sehr, wie werdet ihr denn vor Seinem Angesichte bestehen?!«

04] Sagten mit einer ganz verzagten Stimme die Pharisäer: »Ja, ja, du überaus mächtiger Mann, du hast nun ganz richtig und wahr gesprochen; aber wir können denn am Ende und im Grunde des Grundes doch nicht dafür, daß der Tempel sich gegen den Propheten aus Galiläa gar so feindlich stellt! Der Tempel mit seinen Einrichtungen ist ein noch immer weltlich mächtiger Strom; wir befinden uns inmitten dieses Stromes und können unmöglich gegen seine Wogen schwimmen! So aber schon der mächtige Prophet den Tempel nicht umwandeln mag oder will, was sollen dann wir ohnmächtigen Mitglieder desselben gegen ihn vermögen?! Ja, hätten wir deine uns unerklärliche Macht, da wollten wir den hohen Priesterrat bald umgestimmt haben; aber allein mit puren Worten ist das unmöglich. Wir können uns in der Folge höchstens einer Mitstimmung gegen den großen Propheten enthalten oder den Tempel auch verlassen, das heißt, wir können uns in ein mehr privates Leben mit unseren Mitteln zurückziehen, - aber umändern können wir den Tempel nicht, was du mit deiner wahrlich großen Weisheit gar wohl einsehen wirst. Aber du und noch mehr der große Prophet könntet den Tempel und seine Diener mit solchen Zeichen schon umändern; aber wir allein können das nicht.«

05] Sagte der Ägypter: »Das, was ihr da zu eurer Entschuldigung nun vorgebracht habt, weiß ich nur zu gut; aber ich weiß auch, daß eben ihr, streng an der Seite eures Hohenpriesters, es seid und waret, die den eigentlichen Kern der grellsten Feindschaft gegen den größten Propheten, den je die Erde getragen hat, bildetet, - und das ist arg und böse von euch.

06] Ich aber sage es euch nach der ewigen Weisheit Gottes in mir: Der große Meister, voll des Geistes Gottes und aller Seiner Kraft und Macht, will die Menschen nicht durch pure Zeichen, sondern vielmehr durch Seine reinste und weiseste Lehre auf den Weg des Lichtes und des Lebens setzen, weil die Zeichen die Menschen wohl nötigen, an Ihn und Sein Wort zu glauben, - aber sie verschaffen niemandem eine innere freie und lebendige Überzeugung von der großen Wahrheit; solange aber dem Menschen diese fehlt, die er sich nur durch das genaue Handeln nach der Lehre verschaffen kann, so lange ist er der Seele nach auch noch als ein Toter anzusehen. Denn der pure, blinde, und genötigte Glaube gibt dem Menschen kein inneres, wahres Leben, sondern nur der lichtvolle und durch das Handeln lebendige Glaube, und dieser wird nie und nimmer durch äußere Wunderzeichen, sondern nur durch das lebendige Wort der ewigen Wahrheit aus Gott von jenem Menschen erreicht, der es als solche Wahrheit annimmt und danach tätig wird.

07] Da aber daß der große Meister aus Galiläa wohl am allerklarsten weiß und einsieht, was Seinen Menschen zum wahren Heile gereicht, so wirkt Er Selbst offen vor der Welt auch nur wenige Zeichen, sondern lehrt sie nur den Willen Gottes der vollen Wahrheit nach erkennen und muntert sie auf, denselben auch zu erfüllen. Zeichen aber wirkt Er nur, wo Er es wohl einsieht, daß sie niemandem an seiner Seele schaden können.

08] Er will darum aber auch dem Tempel keinen Zwang antun und läßt ihn frei walten; wenn aber der Tempel nicht nachlassen wird, so wird der Tempel samt seinem ganzen Anhange dem Gericht und seinem Untergange überlassen werden. Das merkt euch wohl und schreibt es euch hinter die Ohren! Denn Gott, der ist, ewig war und ewig sein wird, läßt mit Sich nicht scherzen, da Er Selbst in Seinem höchsten göttlichen Ernste die Menschen für eine wahre, ewige Seligkeit bestimmt hat.

09] Denn wenn es um den Menschen so etwas ganz Geringfügiges wäre, so würde ihn Gott erstens nicht wunderbar weise und kunstvoll eingerichtet haben, so daß er schon seinem Leibe nach ein höchstes Meisterwerk der gesamten materiellen Schöpfung ist, und zweitens würde Er ihm nicht eine Seele gegeben haben, die Ihm, dem Schöpfer, selbst in allem ähnlich werden kann, wenn sie das nur ernstlich will, - und drittens würde Er nicht schon so oft zu den Menschen Selbst geredet und sie belehrt haben, was Sein Wille ist, welche Absichten Er mit ihnen hat, und was sie erreichen können.

10] Wenn ihr nun das wohl bedenkt und euer ganz verkehrtes Leben dagegen betrachtet, so werdet ihr es doch einsehen, wie sehr ihr stets mit Wort und Tat dem göttlichen Willen zuwiderhandelt, und ihr müsst daraus auch das erkennen, daß ihr eben aus dem Grunde, daß ihr dem göttlichen Willen allzeit widerstrebt habt, nun auch den großen Meister aus Galiläa also hasst und verfolgt! Der zeigt euch nur zu klar, daß alle eure Werke wider den Willen Gottes und somit vollends böse sind! - Habt ihr mich wohl verstanden?«

11] Sagten die Pharisäer: »O ja, verstanden haben wir dich schon, und du hast auch ganz wahr geredet; aber wir sehen auch leider ein, daß wir im Tempel dadurch keine große Änderung bewirken werden, wenn wir im Rate auch alles das, was wir hier erlebt haben, getreu kundgeben werden. Übrigens werden wir uns vom hohen Rate die Zungen nicht binden lassen und werden ihm unser Bedenken ganz offen dartun. Wir für uns aber werden fortan keine Gegner des großen Galiläers mehr sein; denn wir sehen es nun an dir schon ein, wie weit es ein Mensch bringen kann, wenn er die Wege kennt und den vollernstlichen Willen hat. Hast du als ein Mensch es so weit gebracht, - warum der Galiläer nicht noch weiter?! Wir werden seine Lehre, von der wir schon so manches wissen, da er schon zu öfteren Malen im Tempel gelehrt hat, so für uns, sie mit der Schrift vergleichend, durchprüfen und sie uns dann zu unserer eigenen Lebensrichtschnur machen. Ist es recht also?«

12] Hier trat Raphael vor und sagte: »Da werdet ihr aber sehr vieles gutzumachen haben, was ihr der armen Menschheit Übles und Böses angetan habt! Ohne das ist für euch keine Vergebung eurer Sünden möglich; denn so euch die Menschen nicht vergeben, was ihr ihnen schuldet, da kann es euch auch Gott nicht vergeben!«

13] Sagte ein Pharisäer: »Was haben wir denn gar so Arges der Menschheit zugefügt? Wir handelten wohl strenge nach den Gesetzen des Tempels, aber sonst wüßten wir wahrlich nicht, was wir außerdem der Menschheit gar so Arges zugefügt hätten!«

14] Sagte Raphael: »Wartet nun, - des Nikodemus Leute bringen soeben eine Leibesstärkung; wenn diese eingenommen sein wird, dann werde ich euch schon einige Beweise liefern, die es euch zeigen werden, was ihr mit der armen Menschheit getrieben habt! Aber nun eine kleine Geduld!«

15] Sagte der Pharisäer: »Wir wollen uns schon ein wenig gedulden; ob wir aber auch eine Leibesstärkung zu uns nehmen werden, das bezweifle ich sehr, - denn du hast uns nun eben nicht etwas besonders Tröstliches und Erfreuliches kundgetan. Alles, was uns dieser mächtige Ägypter gesagt und getan hat, hat uns nicht so sehr angegriffen wie eben das, was du uns gesagt hast!

16] Es ist schon wahr, daß vom Tempel aus gar manche Bedrückungen verübt worden sind, die wir anordnen mußten, weil wir zu den obersten Gewalthabern des Tempels gehören; aber die Gesetze, deren Handhaber und Vollzieher wir waren, haben ja schon lange vor uns bestanden. Wir können da wahrlich nicht dafür, daß es bei uns solche Gesetze gibt! So wir aber auf dem gesetzlichen Wege irgend Menschen zu einem Schaden gebracht haben - was wahrlich eben nichts Seltenes war -, da fragt es sich dann sehr, ob wir auch solchen Schaden wieder gutzumachen haben!«

17] Sagte Raphael: »Nur eine kleine Geduld, bis wir das Brot, den Wein und die etlichen Fische verzehrt haben werden, dann werde ich euch schon antworten!«

18] Hierauf wurden die Körbe mit Brot, Wein und Fischen vor die verschiedenen Gästegruppen gestellt. Alle stärkten sich.

19] Nur die vier Templer wollten sich trotz allen Zuredens nicht daran beteiligen; denn einer sagte: »So ein Jude ein Sünder ist, da muß er fasten, beten, in Sack und Asche Buße tun und nicht essen und trinken gleich anderen ehrlichen Menschen, die rein und gerecht vor Gott und vor allen Menschen sind. Wir werden nicht essen und nicht trinken, bis wir erfahren haben werden, wie und wodurch wir zu Sündern geworden sind.«



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