Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 158. Kapitel: Jesu Abschied vom Hause Lazarus.

01] Darauf berief Ich den Raphael und gab ihm den Wink, daß er nun alles zur Abreise der Römer in Bereitschaft halte.

02] Da sagte Raphael: »Herr! Dein heiliger Wille voll der ewigen und endlosen Kraft und Macht in mir ist ein schon vollbrachtes Werk! - Seht hinaus in den großen Hofraum, und ihr werdet alles in der besten Ordnung finden; auch die Jugend sitzt schon auf den geeigneten Lasttieren und harrt auf den Augenblick der Abreise von hier, vor allem aber den wahren Vater in diesem Leben noch einmal zu sehen und Ihm für alles zu danken und Ihn zu bitten, daß Er ihrer in Seiner Vaterliebe allzeit gnädig gedenken möchte.«

03] Nach diesen Worten Raphaels erhob sich denn auch alles und eilte hinaus in den großen Hofraum, und alle staunten über das reine Wunder.

04] Ich ging nun zu den Jungen hin und erteilte ihnen den rechten Segen, und diese dankten Mir unter vielen Tränen und wollten Mir danken mit lauten Worten, was ihnen aber vor lauter Liebetränen kaum möglich war.

05] Ich aber sagte mit gar freundlicher Stimme zu ihnen: ». Kinder! Ich verstehe die innere, lebendige Sprache eurer Herzen, die Mir um gar vieles lieber ist als die schönsten Worte des Mundes; verharret in solcher Liebe, und Ich als euer wahrer Vater werde im Geiste unter euch sein und euch lehren und erziehen durch Mein lebendiges Wort. Amen«

06] Hierauf gab Ich dem Raphael abermals einen inneren Wink, und er bestieg ein Lasttier, stellte sich vor die Jugend hin, und der Zug setzte sich unter der Anführung Raphaels in eine rechte Bewegung, den Weg nach Tyrus einschlagend.

07] Darauf bestiegen denn auch die Römer mit aller ihrer Dienerschaft ihre Lasttiere und mit ihnen auch alle die bekehrten Pharisäer mit ihren Weibern und Kindern und, wie bekannt, auch alle die andern hier Anwesen den, die von den Römern an und aufgenommen wurden; diese dankten Mir auch unter vielen Tränen für alle die ihnen erwiesenen Gnaden und großen Wohltaten.

08] Darauf ging Ich hin zu den Römern, reichte ihnen die Hand und gab ihnen den Rat, nun dem Zuge Raphaels zu folgen, der sie bis nach Tyrus sichtbar bis vor den Palast des Cyrenius begleiten werde. Dort aber werde er ihnen schon die rechte Weisung geben, wie sie das Meer zu benutzen haben werden.

09] Agrikola dankte Mir für diese Bescheidung, fragte Mich aber noch in der Eile, was nachher Raphael machen werde.

10] Ich aber sagte freundlich zu ihm: »Kümmere dich seiner nicht, denn er ist ein Geist und weiß, was er nach Meinem ihm klar bekannten Willen zu tun hat! Wenn ihr ihn irgend in Liebe zu Mir rufen werdet, so wird er nicht ermangeln, euch mit Rat und Tat zu unterstützen. - Und nun wollt auch ihr euch in Bewegung setzen!«

11] Hierauf nahmen alle auch noch bei Lazarus Abschied, und so auch bei allen andern hier noch Zurückgebliebenen, und begannen darauf sich in Bewegung zu setzen. Die Römer begleiteten auch der Hauptmann, seine Gefährten und die drei Wirte, nachdem sie zuvor Mir auch Liebe, Dank und Ehre bezeigt hatten; denn sie wußten, daß Ich Mich nun auch nicht länger in Bethanien aufhalten werde.

12] Und so war nun Bethanien wieder von den vielen Gästen verlassen; nur Ich mit Meinen alten Jüngern, mit den Judgriechen und mit den etlichen Jüngern des Johannes waren noch auf eine kurze Zeit zurückgeblieben. Und nun erst sagte Ich im Vertrauen, daß Ich nun in die Gegend von Jericho und der bekannten zehn Städte Mich begeben werde, und stellte es den Jüngern frei, mit Mir zu ziehen. Alle wollten mitziehen, und Ich gebot ihnen, wie auch dem ganzen Hause des Lazarus, niemandem zu sagen, wohin Ich Mich begeben habe. Und alle gelobten Mir aufs feierlichste, in allem Meinem Willen gemäß zu handeln.

13] Es bat Mich nun aber auch die Maria von Magdalon (Magdalena), daß sie Mich begleiten dürfe.

14] Ich aber sagte zu ihr: »Maria, das steht dir frei, wie Ich es dir ja auch verheißen habe; doch auf daß die blinde Welt an uns kein Ärgernis nehme, so würdest du besser tun, hier im Hause des Bruders Lazarus zu verbleiben und Mir, anstatt zu Fuße, im Herzen zu folgen. Die Schwestern des Bruders haben dich lieb, und du wirst ihnen manchen guten Dienst zu erweisen die Gelegenheit bekommen, was Ich auch also ansehen werde, als hättest du solchen Dienst Mir erwiesen. Doch Ich gebe dir damit dennoch kein Gebot, sondern stelle es dir ganz frei, was du nun lieber tun willst.«

15] Hierauf sagte die Magdalena: »Herr! Ich werde von nun an nur stets das tun, was Dir lieber und angenehmer ist, und somit werde ich bis zu Deiner baldigen Wiederhierherkunft bei Lazarus verbleiben und Dir im Herzen folgen! Aber wir bitten Dich, o Herr und Meister, alle, daß Du ja bald wieder zu uns hierher kommen wollest! Denn ohne Dich wird unser Sein und Leben ein trauriges Aussehen haben.«

16] Sagte Ich: »Maria, so Ich körperlich auch nicht bei euch und unter euch Mich befinden werde, da werde Ich aber im Geiste dennoch bei euch sein und wirken; denn im Geiste bin Ich ja gleichfort allgegenwärtig, da Ich alle Dinge in der ewigen Unendlichkeit erhalten und leiten muß. Wäre Ich im Geiste aber nicht allgegenwärtig, so würde alles Sein zunichte, und es bestünde keine Kreatur in der ganzen Unendlichkeit, - was du nun schon begreifen wirst. Denn durch die Macht Meines allerlebendigsten und allertätigsten Willens bin Ich Selbst ja von Ewigkeit her Alles in Allem, und alles ist in Mir! Der Vater, der Mich als einen Menschensohn in diese Welt gesandt hat, ist in Mir, und Ich und Er aber sind nicht zwei, sondern vollkommen Eins: des Vaters Wille ist sonach auch Mein Wille, und der wirkt allenthalben.

17] Den Vater für Sich aber kann freilich kein Mensch sehen; denn Er wäre ohne Mich nicht da und Ich nicht ohne Ihn, weil Ich und Er vollkommen Ein Wesen sind! Wer aber nun Mich sieht und hört, der sieht und hört auch den Vater; denn Ich als Vater habe Mich durch Meinen Willen Selbst in diese Welt gesandt. Darum wohl euch, die ihr an Mich glaubt; denn wer an Mich glaubt, der glaubt auch an den Vater, der Mich gesandt hat, und Der wird ihm darum geben das ewige Leben!

18] Wenn ihr diese Worte recht beherziget, so werdet ihr fröhlich sein in eurem Gemüte; denn ihr werdet es wohl gewahr werden, daß Ich trotz Meiner leiblich persönlichen Abwesenheit dennoch bei euch sein und bleiben werde. - Maria, hast du diese Meine Worte wohl begriffen?«

19] Sagte Maria: »Ja, Herr und Meister und Vater. Sohn und Geist! Darum werde ich Dir um so leichter und entschiedener im Herzen folgen können.«

20] Hierauf wandte Ich Mich an Meine Jünger und sagte: »Bis jetzt habe Ich als der Herr und Meister allein gearbeitet, und ihr waret nur wie stumme Zeugen von allem, was Ich gelehrt und gewirkt habe; doch von nun an werdet auch ihr mit Mir arbeiten, gleichwie auch Raphael mit Mir gearbeitet hat sichtbar vor aller Welt Augen. Und so denn lasst uns nun von dannen ziehen!«

21] Hierauf machten wir uns gleich auf den Weg nach dem Tale, auf dem man leicht in einer halben Stunde zu dem Wirte im Tale gelangt. Lazarus mit den beiden Schwestern und mit der Maria von Magdalon gaben Mir das Geleite bis zum Talwirte, der, als er Mich schon von weitem ankommend bemerkte, Mir sogleich mit offenen Armen samt seiner Familie entgegeneilte und an Mich von den Römern noch viele Grüße auszurichten hatte. Wir hielten bei seinem Hause ein wenig an, und Ich segnete auf des Wirtes Bitte reine Kinder und sein ganzes Hauswesen, wofür Mir allseitig aus dem tiefsten Herzensgrunde gedankt wurde.

22] Hierauf beurlaubte sich Lazarus mit den Seinen und zog nach Bethanien nach Hause, wo schon so manche Arbeit seiner wartete.



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