Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 166. Kapitel: Jesus und der reiche Synagogen-Oberste.

01] Als wir da das Brot und den Wein verzehrt hatten und etliche Meiner Jünger sich zu erkundigen anfingen, wie weit es bis zum nächsten Orte wäre, und wir auch Miene zur Weiterreise machten, a da trat ein Oberster zu Mir und sagte: »Höre, du wahrhaft großer und guter Meister in Deiner Sache! Da Du als ein vom Geiste Gottes erfüllter Mann das Himmelreich besser zu kennen scheinst, als wir es kennen, so sage es mir, was ich wohl tun soll, um das ewige Leben zu erreichen im Himmelreiche!« (a Lukas.18,18*; Lukas.10,25-28;  Markus.10,17; vgl. Matthäus.19,16;  ⇒ jl.ev05.258,02)

02] a Sagte Ich: »Da du Mich nur für einen Menschen deinesgleichen hältst, wie magst du Mich für einen guten Meister halten? Niemand ist gut als Gott allein nur! (a Lukas.18,19; Markus.10,18Matthäus.19,17;  ⇒ jl.ev05.258,03)

03] Da du ein Jude und dazu ein Oberster der Synagoge bist, so wirst du ja wohl auch wissen, was Moses geboten hat! Da steht unter vielem andern: Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsches Zeugnis geben, und du sollst Vater und Mutter ehren!' Wer das beachtet, dem wird auch das ewige Leben zuteil werden.«

04] a Sagte hierauf der Oberste: »Lieber Meister, das alles habe ich von meiner Jugend an gehalten, und das genau und pünktlich; aber dessen ungeachtet habe ich noch nichts derartig Offenbarliches an mir selbst wahrgenommen, das mir eine Versicherung dahin gäbe, daß ich nach dem Tode des Leibes das ewige Leben im Himmelreiche überkommen werde. (a Lukas.18,21; Markus.10,20; vgl. Matthäus.19,20;  ⇒ jl.ev05.258,08)

05] Man sagte mir von mehreren wohlerfahrenen Seiten, daß Menschen, deren Seelen zum Himmelreiche sich würdig gemacht haben, schon oft im Leibesleben Erscheinungen haben, aus denen sie wohl innewerden können, daß sie nach dem Abfalle des Leibes alsbald ins Himmelreich unter die Scharen der Engel aufgenommen werden. Ich aber bin nun schon ziemlich alt geworden und habe alle Gesetze Mosis von meiner Kindheit an musterhaft gehalten, - aber von einer besagten geistigen Erscheinung, die mir eine vorerwähnte innere Versicherung vom ewigen Leben der Seele hätte geben können, ist mir wahrlich noch nichts vorgekommen! Und so glaube ich wohl, was Moses und die Propheten gelehrt haben, gewisserart blind; doch von einer Vorüberzeugung ist da noch lange keine Rede!

06] Und siehe, lieber Meister, aus diesem Grunde habe ich die Frage an dich gestellt; denn du als ein vom Geiste Gottes vollsterfüllter Mann wirst wohl auch schier am besten wissen, wie und ob ich für ein künftiges ewiges Leben der Seele in Gottes Himmelreiche schon in diesem Leben wahre und verläßliche Vorandeutungen und Bürgschaften haben kann! Denn der bloße Glaube nach den geschriebenen Worten ist eine schwache Stütze zur Aufrechthaltung der wahren Tugend der Menschen. Also, lieber Meister, sage mir darüber etwas Wahres!«

07] Sagte Ich: »Ja, Freund, was du von den Bürgschaften und hellsten Vorandeutungen geredet hast, so hat es damit wohl seine vollste Richtigkeit! Alle wahrhaft nach der Gotteslehre lebenden, tugendhaften und frommen Menschen überkommen solche sie tröstenden und stärkenden Bürgschaften, und du hättest sie vermöge deines sonst nach dem Gesetze gerechten Lebenswandels auch schon überkommen können; aber es fehlt dir dazu noch eines, und zwar für den Zweck von größter Wichtigkeit!

08] Siehe, du bist ein gar reicher Mann und bist, wennschon gerade nicht geizig, aber doch ein sparsamer Wirt, der es mit der Nächstenliebe stets kärglich zu drehen versteht! Dein Herz und deine Seele hängen noch viel zu mächtig an den toten Schätzen dieser Welt, und durch diese kann das sanfte Lebenslicht der Himmel nicht dringen. Solange deine Seele durch ihre Liebe zu den toten Schätzen und Reizen dieser Welt gefangen ist, solange ist sie auch wie mittot, weil ihre Liebe zu dem, was tot ist, auch tot ist so lange, wie sie an den toten Gütern dieser Welt überwiegend stark hängt.

09] In solcher deiner Lebenslage kann von den inneren Lebenserscheinungen freilich wohl nie eine Rede sein! Aber Ich will dir nun einen Rat geben; wenn du diesen befolgst, so wird dir alles werden, was dir bis jetzt unmöglich hatte werden können.

10] a Gehe hin, verkaufe alle deine Güter und verteile den Erlös weise unter die Armen, und du wirst dir dadurch einen Schatz im Himmelreich bereiten, aus dem dir ein rechtes Lebenslicht werden wird; dann aber komme zu Mir und folge Mir nach, und du wirst da der wahrsten Bürgschaften für ein ewiges Leben der Seele in Hülle und Fülle finden! - Hast du Mich verstanden ?« (a Lukas.18,22; Matthäus.06,20Markus.10,21;  vgl. Matthäus.19,21;  ⇒ jl.ev05.258,09)

11] Als aber der Oberste, der sehr reich war und viele Güter hatte, a solches von Mir vernommen hatte, da ward er alsbald traurig, kehrte Mir den Rücken und entfernte sich von Mir. (a Lukas.18,23; Markus.10,22Matthäus.19,22;  ⇒ jl.ev05.258,10)

12] Als der Wirt und auch die andern noch Anwesenden solches sahen, da sagten sie: »Ja, ja, Du lieber und wunderbarst weiser Meister, Du hast auch da wieder den Nagel fest auf den Kopf getroffen! Dieser Oberste ist sonst wohl ein gesetzlich ganz gerechter Mann, und man kann ihn nirgends einer Ungerechtigkeit zeihen; aber zu den freigebigen Menschen ist er noch nie zu zählen gewesen, und selbst alle seine Diener haben einen sehr spärlichen Lohn und eine magere Kost. Wer für ihn etwas macht, der hat selbst bei dem billigsten Verlangen einer Bezahlung für die geleistete Arbeit seine entschiedene Not. Er findet überall Fehler und zieht deshalb denn auch gleich selbst die bedungene Bezahlung oft bis über die Hälfte herab. Daher aber mag auch schon beinahe kein Handwerker mit ihm mehr etwas zu tun haben.

13] Er und der alte Pharisäer, der sich nun mit ihm aus dem Staube gemacht hat, weil Du, lieber Meister, auch ihn sehr getroffen hast, taugen auf ein Haar zusammen, einer so ein Habefest wie der andere; aber wenn sie von ihren guten Werken, die sie etwa im geheimen den Dürftigen erweisen, reden, so müßte man auf den Glauben kommen, daß es schon keine wohltätigeren Menschen auf der ganzen Erde gäbe. Und wir haben darum nun eine große Freude darob, daß Du, o liebster Meister, diesen beiden die vollste Wahrheit gesagt hast.«

14a] Sagte Ich: »Ja, Ich habe beiden die vollste Wahrheit gesagt, aber dadurch auch den Weg gezeigt, auf dem allein sie zum ewigen Leben gelangen können; aber das sage Ich euch allen auch als allzeit gültige Wahrheit noch hinzu, und die besteht darin: a Oh, wie schwer werden solche Reichen ins Reich Gottes, welches ist das wahre, ewige Leben, kommen! (a Lukas.18,24*; Markus.10,23Matthäus.19,23;  ⇒ jl.ev05.258,12a)

14b] Ich sage es euch: a Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr denn solch ein Reicher ins Reich Gottes! (a Lukas.18,25*; Markus.10,25Matthäus.19,24;  ⇒ jl.ev05.258,12b)

15] Denn eine jede Seele nimmt nach dem Abfalle ihres Leibes nichts mit sich hinüber als ihre Liebe, der ihre Werke als Produkte ihres Willens nachfolgen. Hängt die Liebe der Seele aber an den toten Dingen dieser Welt so sehr, daß sie mit ihnen vollends eins geworden ist, so ist sie auch tot; und da ihr Wille gleich ist den gerichteten, toten Dingen dieser Welt, so entbehrt er der vollsten Freiheit, ist sonach auch gerichtet und somit als tot zu betrachten, - und das ist es, was man die Hölle und den ewigen Tod nennt!

16] Hütet euch darum vor allem, daß eure Seelen nicht die Liebe zur Welt, ihren Schätzen und Reizen gefangennehme; denn wen die Welt einmal gefangengenommen hat, der wird sich höchst schwer von ihrer Gewalt losmachen können.«

17] a Darauf sagten alle, die das gehört hatten; »O Du lieber und wahrhaftigster Meister! Wer wird bei so bewandten Umständen dann selig werden? Denn mehr oder kaum um etwas weniger sind alle uns bekannten Menschen selbstÄ und weltliebig, und wir selbst leiden an diesem Übel.« (a Lukas.18,26*; Markus.10,26Matthäus.19,25;  ⇒ jl.ev05.258,13)

18] Sagte Ich: »Ja, ja, es ist wohl leider also, und die Menschen selbst könnten sich auch ewig nimmer helfen! a Was aber jetzt wie allzeit bei den Menschen unmöglich ist, das ist jedoch bei Gott möglich, und Ich bin eben darum Selbst als ein Mensch in diese Welt gekommen, um den Menschen jene Hilfe zu bringen, die sie sich ewig nimmer verschaffen könnten. Wer da nun an Mich glaubt und nach Meiner Lehre handelt, der auch wird das ewige Leben überkommen; denn Ich Selbst bin der Weg, die Wahrheit und das ewige Leben.« (a Lukas.18,27*; Markus.10,27;  ⇒ jl.ev08.166,18-20; vgl. Matthäus.19,26;  ⇒ jl.ev05.258,14;  )

19] Auf diese Meine Worte stutzten alle, und der Wirt sagte: »Liebster und wunderbarster Meister! Daß hinter Dir mehr verborgen steckt als etwa bloß hinter einem andern Propheten, das habe Ich bei mir im geheimen gleich wahrgenommen, obschon ich es mich nicht laut auszusprechen getraute; aber da Du nun Selbst ein großes und inhaltsschwerstes Wort über Dich ausgesprochen hast, so kann ich nun auch nichts Weiteres tun und sagen als: Herr, ich bin nun nimmer wert, meine Augen zu Dir emporzurichten, sondern sei Du mir armem Sünder gnädig und barmherzig!«

20] Sagte Ich: »Sei getrost, Mein Freund! Darum bin Ich ja zu dir gekommen, da Mir deine Werke um gar vieles besser gefielen als jene des reichen Obersten und Pharisäers. Liebe du nur gleichfort Gott über alles, und deine Nächsten, das die Menschen sind ohne Ausnahme ihres Standes und ihres Glaubens, wie dich selbst, tue ihnen, was du vernünftigermaßen auch wünschen kannst, daß sie dasselbe auch dir tun möchten, und du erfüllst dadurch das ganze Gesetz und auch alles, was die Propheten gelehrt haben! Tust du aber das, dann sind dir auch alle Sünden vergeben, und wäre ihre Zahl gleich der des Sandes im Meere und des Grases auf der Erde! Also ist bei Gott alles wohl möglich, was bei den Menschen unmöglich ist.«

21] Für diese Belehrung dankte der Zöllner und auch alle die andern, die da anwesend waren.



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