Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 204. Kapitel: Roklus verweist die Reichen an Jesus.

01] Sagte Roklus: Seht, Freunde, ich bin ein ebenso schwacher und ohnmächtiger Mensch, wie ihr selbst es seid, und habe auch niemals die Kraft und Macht besessen, einen schon völlig toten Menschen wieder ins Leben zu rufen oder einer ihres Leibes ledig gewordenen Seele einen neuen Leib zu verschaffen! Das ist nur Gott allein möglich und einem solchen Propheten, der darum vom Geiste Gottes erfüllt ist, daß er den verirrten Menschen wieder zeige den verlorenen Weg zum ewigen Leben der Seele.

02] So uns aber Gott Selbst gebietet, die verstorbenen Menschen in der von Ihm bestimmten Ruhe zu lassen und den Lebenden durch allerlei magische Künste keine unnützen Hoffnungen und leeren Freuden zu machen, so werdet ihr das auch nun einsehen, daß wir Essäer Gott gehorchen müssen, da Er Selbst Sich uns geoffenbart und gezeigt hat und wir Ihn nun erst also erkennen, daß Er ist, wie Er ist, und was Er mit uns Menschen will. Und so können wir nun nicht mehr uns mit der alten und nichtigen Magie befassen, wohl aber mit dem einen und allein wahren und allmächtigen Gott durch unsere Liebe zu Ihm und zu unseren Nächsten und durch die genaueste Erfüllung Seines uns geoffenbarten Willens; und so können und dürfen wir das denn auch nimmer tun, was Er uns untersagt hat. Bittet Ihn, den ewig großen Meister des Lebens, aber selbst! Was Er euch tun wird, das wird wahrhaft wohlgetan sein.«

03] Sagte abermals ein Hauptredner aus der Zahl der dreißig: »Meister und Oberster der mächtigen Brüder! Du hattest aber doch etwa bloß nur durch die Auflegung deiner Hände und durch das ausgesprochene Wort alle die vielen Elenden urplötzlich geheilt und einem sogar die verlorenen Hände wiedergegeben und mehreren die Augen, Nasen und Ohren, was mir noch mehr zu sein deucht, als ein totes, mit allen Gliedern noch wohlversehenes Kind zu erwecken vom Todesschlafe. Konntest du das, da ist es uns dann wohl kaum glaublich, daß du auf die gleiche Weise nicht auch unsere Kinder wiederbeleben könntest, so du das nur wolltest.«

04] Sagte Roklus, nun ein wenig verlegen: »Freunde, ich will euch nicht länger mehr hinhalten, sondern euch sagen und zeigen unverhüllt die volle und reine Wahrheit! Seht, ihr habt ehedem selbst euren Entschluß dahin offen ausgesprochen, daß ihr nach Galiläa zu dem neuen, großen Propheten der Juden ziehen wollt, so ihr hier keine Hilfe finden würdet! Und ich sage es euch, daß ihr sehr recht tun würdet, so das nun nötig wäre. Ihr kennt den Propheten nicht, ich aber kenne Ihn und sage euch, daß Er endlos mehr ist als ein Prophet; denn Er ist eben Der, von dem alle Propheten geweissagt haben, daß Er im Fleische in diese Welt kommen werde und werde erlösen die Menschen, die an Ihn glauben und Ihn als den alleinigen Herrn Himmels und der Erde und alles Lebens über alles lieben werden, von der Knechtschaft der alten Sünde, des Teufels und des ewigen Todes!

05] Seht, das ist nun der Prophet, zu dem ihr hingehen wollt! Der könnte eure toten Kinder freilich wohl wieder beleben, da Ihm allein nichts unmöglich ist - und seht weiter -: Nur in und durch Seinen Namen, der überheilig ist, habe ich auf Sein Geheiß den Elenden geholfen; darum priesen die Geheilten auch nur Ihn und nicht irgend mich! - Begreifet ihr nun diese höchst wunderbare Sache?«

06] Hier machten die dreißig große Augen, und der Redner fragte ganz hastig den Roklus: »Wo, wo weilt Er, der Allmächtige, nun denn, auf daß wir zu Ihm zögen und Ihm gäben die Ihm allein gebührende Ehre?«

07] Sagte Roklus: »Hört, Freunde! So ein Mensch oft unvermuteterweise einer großen Begebenheit nahe ist und mit seinem Verstande und also auch oft mit seinen Augen und Ohren nicht wahrnimmt, was Großes und Außerordentliches sich schon in seiner Nähe befindet, da hat der Mensch im Herzen einen eigentümlichen Sinn, den man das Ahnungsvermögen nennt. Ist das, was sich dem Menschen ohne sein Wissen ganz nahe befindet, etwas außerordentlich Gutes und Glück- und Segenbringendes, so wird das Herz durch das Ahnungsvermögen ganz fröhlich und heiter gestimmt, im Gegenteile aber traurig und gedrückt. Fragt nun diesen euren inneren Ahnungssinn! Wie ist er gestimmt? Was fühlen eure Herzen?«

08] Sagte der Redner: »Mir wenigstens kommt es freudig also vor, als befände sich der Allererhabenste und Heiligste irgend in unserer Nähe und wie sogar in dieser Herberge, und ich fühle darum eine besondere Freude in mir, obschon ich samt allen meinen Gefährten gerade nicht die entfernteste Ursache haben könnte, im Herzen freudig gestimmt zu sein; denn ich habe, sage, allein vier tote Kinder den weiten Weg hierher in der Hoffnung gebracht, daß sie allda neu belebt werden, und habe darauf nun volle zwei Monde vergeblich gewartet! Das ist doch sicher ein Umstand, der aus leicht begreiflichen Gründen das Herz nicht fröhlich und heiter stimmen kann; und dennoch sind wir heute schon vom frühesten Morgen an merkwürdigermaßen ganz heiter und fröhlich und können uns nicht in unsere alte Trauer zurückversetzen. Ja, es kommt mir im Herzen sogar also vor, als gäbe mir jemand die Versicherung, daß ich meine vier Kinder lebend nach Kahiro zurückbringen werde!«

09] Sagten darauf auch alle die andern: »Auch wir empfinden das gleiche, und es kommt uns so vor, daß es schon also und nicht anders sein werde! Aber, da nun unsere Herzen in allerfreudigster Begierde erbrannt sind, so halte, o Meister, uns nicht länger mehr hin und sage es uns, wo sich der Allererhabenste nun befindet in Seiner Persönlichkeit! Im Geiste, was wir vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs als alte Juden noch wohl wissen, ist Er überall gegenwärtig und sieht alles, hört alles, weiß um alles und erschafft und erhält überall alles. Aber da Er Selbst nun nach den alten Verheißungen in Menschengestalt Sich unter Menschen dieser Erde aufhält und ihnen große Wohltaten erweist, so möchten wir - freilich leider allzeit große Sünder vor Gott - den alten Schöpfer und Vater der Menschen denn doch auch mit unseren leiblichen Augen sehen und mit unseren schmutzigen Ohren Seine Vaterstimme vernehmen, auf daß wir daheim es allen Menschen sagen könnten: 'Wir haben Gott gesehen und gesprochen und haben aus Seinem Munde vernommen Seinen Willen, nach dem alle Menschen handeln und leben sollen!' - Sage uns, du großer Meister und Oberster dieser altbekannten Wunderheilanstalt, wo Sich Der nun etwa irgend gar in unserer Nähe befindet, dessen Namen keine Menschenzunge auszusprechen vermag, wie auch die Zungen aller Engel nicht!«



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