Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 8. Kapitel: Gesang eines Harfenspielers vor Jesus.

01] Da es aber in Jericho Markt war, der sieben Tage hindurch andauerte, so kamen dahin nebst vielen Kaufleuten auch allerlei Gaukler, Pfeifer, Sänger, Harfner und Leierer, die abends von Herberge zu Herberge zogen und den Gästen um eine kleine Bezahlung allerlei vorzeigten und vormachten; und so kam denn in unsere Herberge ein Sänger mit einer Harfe, die er recht gut zu behandeln verstand und dazu auch mit einer reinen Stimme die Psalmen Davids sang.

02] Als er ins Zimmer trat, da bat er die Gäste um die Erlaubnis, sich um einen kleinen Lohn produzieren zu dürfen.

03] Die Fremden, zumeist Griechen und Römer, sagten: »Ah, gehe du mit deinem alten Judengekrächze! Die Musik, die göttliche Kunst, ist ja nur unter den Griechen zu Hause! Wenn dich aber der Haupttisch dort anhören will, so werden wir nichts dagegen haben; doch einen Lohn wirst du von uns nicht ernten.«

04] Darauf kam der arme Harfner und Sänger an unseren Tisch und bat uns um die Erlaubnis, sich für und nur vor uns produzieren zu dürfen.

05] Und Ich sagte mit freundlicher Stimme: »Produziere du dich nur ohne Scheu und Bedenken, denn Ich kenne dich und weiß es, daß du ein reiner Sänger ganz in der Weise Davids bist! Der Lohn soll dir darum gar reichlich werden!«

06] Darauf verneigte sich der Sänger und Harfner tief vor uns, stimmte seine Harfe rein und verwunderte sich selbst, sagend: »Wahrlich, das ist ein guter Saal für Musik und Gesang; denn so himmlisch hell und rein habe ich noch niemals die Saiten meiner Harfe ertönen hören!«

07] Sagte Ich: »Nun, wenn also, da magst du dich nun schon zu produzieren anfangen!«

08] Darauf griff der Harfner mit kunstgeübten Fingern in die Saiten und ließ ein ergreifendes Vorspiel ertönen. Als die Fremden die höchst reinen Töne und kunstvollen Tonweisen vernahmen, da wurden sie stille und hörten mit der gespanntesten Aufmerksamkeit dem Künstler zu.

09] Bei vollster Stille im ganzen Saale begann der Künstler unter gar herrlich klingender Begleitung mit einer wunderreinen und auch höchst wohlklingenden Stimme folgenden Psalm Davids zu singen: »Singt dem Herrn ein neues Lied; singe dem Herrn alle Welt! Singt dem Herrn, und lobt Seinen Namen! Prediget einen Tag um den andern Sein Heil! Erzählt den Heiden Seine Ehre, unter allen Völkern Seine Wunder; denn der Herr ist hoch und groß zu loben, wunderbarlich über alle Götter! Denn alle Götter der Völker sind tote Götzen; nur der Herr hat den Himmel gemacht. Es steht herrlich und prächtig vor Ihm und geht gewaltiglich und löblich in Seinem Heiligtume.

10] Ihr Völker, bringt her dem Herrn, bringt her dem Herrn Ehre und Macht! Bringt her dem Herrn die Ehre Seinem Namen, bringt Geschenke, und kommt in Seine Vorhöfe! Betet an den Herrn im heiligen Schmuck, und es fürchte Ihn alle Welt! Sagt es unter den Heiden, daß der Herr allein König sei und habe Sein Reich, so weit die Welt ist, bereitet, daß es bleiben solle, und richtet die Völker recht! Himmel, freue dich, und du, Erde, sei fröhlich; das Meer brause, und was darinnen ist! Das Feld sei fröhlich, und alles, was darauf ist, und lasst alle Bäume im Walde rühmen vor dem Herrn; denn Er kommt, und Er kommt zu richten das Erdreich! Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Seiner Wahrheit.«

11] Als unser Sänger und Harfner diesen Psalm ausgesungen hatte, machte er noch ein Nachspiel und schloß damit seine Produktion. Da überhäuften ihn die Fremden mit Lob und Beifall und gestanden, daß sie in ihrem ganzen Leben etwas Herrlicheres sowohl in der Saitenmusik und ebenso auch im Gesange nicht vernommen hätten und baten ihn auch um Vergebung, daß sie ihn gar so roh und grob empfangen hätten, baten ihn aber zugleich auch um die Wiederholung des gesungenen Psalmes.

12] Der Sänger aber fragte Mich, ob er das noch einmal tun dürfe.

13] Und Ich sagte: »Tue das nur immerhin, denn herrlicher hat auch David diesen Psalm nicht gesungen!«

14] Und der Sänger sagte: »Herr, wer du auch seist, - ich selbst auch noch niemals! Es kam mir unterm Singen wahrlich vor, als wäre mir Jehova ganz nahe gewesen und hätte mich wohlgefällig behorcht; und wieder kam es mir vor, als hätten ganze Chöre der Engel mit mir gestimmt. Oh, wenn mir doch die Kunst und Stimme bliebe, so würde ich der glücklichste Mensch auf der Erde sein und alle Heiden durch meinen Gesang zu unserm Jehova bekehren!«

15] Sagte Ich: »Singe du nun nur noch einmal den 96. Psalm, und sei versichert, du frommer Samarite, daß dir die Kunst und Stimme erhalten bleibt bis ans Ende deiner irdischen Lebenstage, - und im Himmel sollst du vor dem Throne des Allerhöchsten ein lieblicher Sänger sein und bleiben ewig! Aber nun singe!«

16] Sagte der Sänger: »O Herr, du mußt ein Prophet sein aller Wahrheit nach; denn so wie du reden gewöhnliche Menschen nicht! Doch nun nichts Weiteres mehr davon, denn ich muß ja noch einmal den Psalm singen!«

17] Hierauf griff er wieder in die Saiten, und sie klangen noch heller und reiner denn das erste Mal, und so war es auch mit seiner Stimme. Alle Meine Jünger, unsere Wirtsleute und ebenso auch die Fremden wurden zu Tränen gerührt, und die Meinen an unserem Tische am meisten, da sie wohl wußten, wem dieser Psalm galt.



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