Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 123. Kapitel: Samaritaner suchen Jesus.

01] Als wir aber bei einer Stunde lang uns auf unserem Hügel unterhalten hatten, da kamen etliche Samariter in den Ort Kis und erkundigten sich bei mehreren Menschen, ob sie nichts von Mir wüßten, wo Ich Mich irgend aufhielte.

02] Und einer von den Dienern des Kisjona sagte, daß Ich Mich samt den Jüngern seit gestern abend eben in diesem Orte befände und wahrscheinlich im großen Herrenhause Mich aufhalten dürfte.

03] Da wurden die Samariter überfroh und heiter, denn sie hatten schon gar vieles über Mich reden hören, wie auch, daß Ich erst vor wenigen Tagen durch Samaria gezogen sei. Aber sie hatten dennoch nicht das Glück gehabt, Mich irgendwo gesehen und gesprochen zu haben. Sie ließen sich von dem Diener alsogleich ins Haus führen und brannten vor Begierde, Mich endlich einmal zu sehen, zu sprechen und zu hören.

04] Als sie in den großen Saal kamen, grüßten sie alle Anwesenden und fragten gleich den Nächstbesten, wo Ich wäre, oder welcher unter ihnen der große Meister in aller Fülle der göttlichen Macht und Kraft wäre.

05] Thomas aber, der gefragt wurde, sagte: »Freunde, körperlich befindet Sich in diesem Augenblick der Herr und Meister nicht unter uns, wohl aber im Geiste! Was wollt ihr denn, das Er euch tun soll?«

06] Sagten die Samariter: »Freunde, wir haben Seine Lehre und leben und handeln streng nach ihr, und es haben auch schon mehrere unter uns die alles belebende Kraft dieser Lehre in sich gefunden und loben und preisen darum Gott, daß Er Sich nun Seiner Völker gar so augenscheinlich erbarmt habe! Aber es gibt unter uns viele, die da, uns gleich, den großen Meister, dieweil Er noch auf dieser Erde umherwandelt, persönlich sehen und hören möchten; aber sie haben die Gelegenheit und auch die Mittel nicht, Ihm nachzureisen. Daher haben sie uns abgeordnet, Ihn im Namen aller aufzusuchen und Ihm den gebührenden Dank zu überbringen und die Ihm allein gebührende Ehre zu geben. Darum sind wir denn auch hierhergekommen und werden diesen Ort nicht eher verlassen, als bis wir in Ihm Selbst den Herrn und Meister aller Meister werden begrüßt haben!«

07] Sagte Thomas: »So geduldet euch denn; es wird so lange nicht dauern, bis Er kommen wird!«

08] Darauf setzten sie sich an den Tisch, ließen sich etwas Brot und Wein geben und behorchten die Reden, die unser Raphael mit den sieben Templern und auch mit den vier Indojuden führte, und staunten über die große Weisheit des vermeinten Jünglings.

09] Gabriel und Johannes aber besprachen sich mehr still mit den Jüngern. Den Samaritern schmeckte das Brot und der Wein trotz ihrer stets sehr mäßigen Lebensweise gar gut, und sie ließen sich darum mehr Brot und Wein geben, aßen und tranken und wurden dabei voll heiteren Mutes.

10] Dabei aber sahen sie, wie Raphael bei Gelegenheit seiner den sieben Templern und den vier Indojuden gegebenen Erklärungen über Verschiedenes auch so manches Wunder wirkte, wie ehedem einmal zu Jerusalem auf dem Ölberge vor Heiden und Juden, wennschon nicht in dem großen Maße, und sie fingen an, sich gegenseitig zu befragen, wer denn doch der Jüngling sei, der da so weise rede wie ein Salomo und Wunder wirke wie ein Moses. Einige meinten, daß er ein Anverwandter, die andern aber, daß er ein bester Jünger von Mir sein werde. Mit dieser geteilten Meinung begnügten sie sich denn auch einstweilen.

11] Raphael aber fing an, seiner vorbezeichneten Zuhörerschaft die ganze Erde, den Mond, die Sonne, die andern Planeten, und daneben auch die Kometen, die Fixsterne mit ihren Planeten, das Wesen der Zentralsonnen und am Ende auch der Hülsengloben, deren Unzahl im endlosen Schöpfungsraume, und des Großen Schöpfungsmenschen leichtfaßlich und mit wenigen Worten zu erklären, und versinnlichte seine Erklärungen mit sogleich im Luftraume des Saales geschaffenen Bildern, was natürlich am meisten dazu beitrug, daß die Zuhörer das Erklärte um so leichter und schneller begreifen konnten.

12] Aber das war unseren Samaritern für einen puren, vermeintlich besten Jünger von Mir denn doch zu viel, und es stand einer von ihnen vom Tische auf, ging zu Thomas hin und fragte ihn, sagend: »Freund, vergib es mir, daß ich so frei bin, dich zu fragen, was es mit diesem Jünglinge für eine Bewandtnis habe! Wer, was und woher ist er denn? Seines Mundes Rede ist weiser denn die eines Salomo, und er wirkt dabei Wunder wie dereinst Moses in Ägypten und in der Wüste!«

13] Sagte darauf Thomas: »Freund, geduldet euch nur, bis der Herr Selbst kommen wird, dann werdet ihr nicht nur über diesen Jüngling ins klare kommen, sondern noch viel Größeres erfahren! Das aber könnt ihr euch wohl vorstellen, daß um den Herrn sich allerlei himmlische erste Mächte und Kräfte sammeln und auf uns Menschen belehrend und belebend einwirken. Denn der Herr ist ja der Mittelpunkt alles Seins, Lebens, aller Macht und Kraft, wie aller Liebe, Wahrheit und Weisheit!

14] So ihr an den Herrn glaubt, da werdet ihr es auch einsehen, daß derlei Wesen fort und fort entweder von Zeit zu Zeit sichtbar, für sinnliche Menschen aber, wenn auch nicht allzeit sichtbar, doch fühlbar immer um Ihn sind und auf Seinen Willen horchen; denn sie selbst sind Sein allzeit und ewig wirkender Wille.

15] Zudem aber steht es geschrieben: "In jener Zeit aber werdet ihr die Mächte der Himmel zur Erde herabkommen sehen; die werden Ihm und den Menschen, die eines guten Willens sind, dienen. Sonne, Mond und alle Sterne werden sich beugen vor Seiner Herrlichkeit!" Ja, Freund, so uns blinden Menschen nicht diese himmlischen Wesen die Augen öffneten über die zahllosen Wunder der Himmel Gottes, - wer sonst wohl könnte uns da die Augen auftun?

16] Wer Gott wahrhaft lieben will, der muß Ihn auch erkennen, wie Er wunderbar ist auch in Seinen Werken. Wir Menschen stehen wohl inmitten von lauter Wundern Gottes, und wir selbst sind dazu noch das größte Wunder; so wir uns aber von der Geburt an betrachten, da finden wir uns schwach, unbehilflich, sprachlos und ohne welche Gedanken. Wenn ein Kind nicht langehin sorgsam gepflegt würde, so würde es um vieles schlimmer mit ihm stehen als selbst mit dem elendsten Tier. Erst durch die Liebsorge der Eltern wird aus dem Kinde ein Mensch.

17] Gehe du nun aber auf einen ersten Menschen zurück! Wie möglich wohl wäre er je verständig und voll Vernunft und auch voll anderer und höherer Erkenntnisse geworden, so Gott nicht durch höhere, himmlische Wesen ihn erzogen und Sich ihm geoffenbart hätte? Wenn Gott der Herr nun uns nicht in allen Dingen Selbst belehren und uns zeigen möchte, wie weit wir uns schon von der Wahrheit entfernt haben, so würden die Menschen derart verwildern, daß sie tief unter die Tiere zu stehen kämen.

18] Siehe an die gewissen Tempeljuden, die Pharisäer und Schriftgelehrten! Wie waren sie zur Zeit der ersten Richter und auch noch zur Zeit der ersten Könige, - und wie sind sie in dieser Zeit? Sie sind in allen Dingen blind, dumm und dabei voll Hochmutes und jeglicher Bosheit und hassen die, welche aus den Himmeln das Licht des wahren Lebens wiederbringen, und keiner von ihnen glaubt an den Herrn, sondern haßt und verfolgt Ihn nur, wo und wie er es nur immer mag und kann.

19] Und siehe, das ist ja schon ein hoher Grad der bösen Entartung und Verwilderung der Menschen! Stehen aber nun die Lehrer des Volkes auf einer so tiefen Stufe der Verwilderung, woher soll dann das Volk eine höhere Weisheit nehmen, so nicht der Herr Selbst Sich seiner erbarmte und es nun erleuchtete in allen Dingen durch Lehren und Zeichen?

20] Und so siehst du denn nun diesen Jüngling auch den blinden Menschen durch Worte und wunderbare Zeichen, die zu bewirken ihm im Namen des Herrn wohl gar leicht möglich sind, den gestirnten Himmel erklären, auf daß aus ihren Herzen der finstere und böse Aberglaube verschwinde und der Wahrheit Licht sie erleuchte! Und so du das nun so recht überdenkst, so wirst du über die Wesenheit dieses Jünglings auch bald im klaren stehen!«



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