Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 141. Kapitel: Jesus über das Wesen des Jenseits.

01] Als die Fische untergebracht waren, begab Ich Mich mit den früher benannten Freunden und mit den zwanzig Fischern wieder in unseren schon bekannten Söller, in dem wir den Aufgang der Sonne erwarteten. Der Morgen war vollkommen rein und heiter, weil ein aus dem Süden wehender Wind die Dünste vom Meere und auch von den dasselbe umlagernden Bergen hinwegfegte, und es war darum nach allen Seiten hin eine herrliche Aussicht, welche besonders unsere Fischer nicht genug rühmen konnten.

02] Als unser Bootsmann ganz entzückt ward über den herrlichen Anblick der Gegend, sagte er: »O Herr und Meister, wie herrlich und wunderbar sind doch alle Deine Werke! Wer ihrer achtet im reinen Sinne, der hat sicher eine große Lust und Freude an ihnen, und das um so mehr erst dann, so er in sich fühlt, daß sie für seine Seele, die ewig zu leben hat, auch nimmerdar verlorengehen werden. Was sagst denn Du, o lieber Herr und Meister, zu dieser meiner vielleicht noch sehr unreifen Ansicht?«

03] Sagte Ich: »Deine Ansicht ist ganz gut und auch wahr; denn eine vollkommene, in Meinem Geiste der Liebe und Wahrheit wiedergeborene Seele wird durch den Abfall ihres Leibes nicht nur nichts verlieren - als ihre Last und Bürde, die sie an diese materielle Welt fesselt -, sondern nur unaussprechbar vieles noch hinzugewinnen. Denn wahrlich sage Ich dir:« Kein Fleischesauge hat es je geschaut, kein Ohr gehört, und keines Menschen Sinn je empfunden, was die im großen Jenseits alles für Seligkeiten zu erwarten haben, die Mich lieben und nach Meiner Lehre leben und handeln! Ein mehreres brauche Ich dir nicht zu sagen.«

04] Sagte abermals der Bootsmann: »O Du lieber Herr und Meister! Wo wohl befindet sich das große, so überherrliche Jenseits, in das nach des Leibes Tode eine vollkommene Seele aufgenommen wird? Ist es über all den Sternen, oder mitten unter den Sternen, oder in den freien Lufträumen, in denen die lichten Wolken schweben?«

05] Sagte Ich: »Mein Freund, du fragst da noch sehr in einer diesseitig menschlichen Weise, was bei dir aber auch noch nicht anders sein kann! Siehe, das große allerseligste Jenseits ist vor allem, als das wahre Gottesreich, inwendig im Menschen, und zwar im Innersten seiner Seele. Von da aus aber ist es dann auch überall über den Sternen den ganzen endlosesten Raum nach allen Richtungen hin, also auch in und unter den Sternen, im freien Luftraume, auf und in dieser Erde, und also auch überall, wo du dir es nur immer denken magst. Denn alles, was du schaust und fühlst auf dieser Welt, das ist entsprechend auch in der Geisterwelt vorhanden, ohnedem nichts Materielles bestehen könnte und würde.

06] Denn siehe, diese Erde, der Mond, die Sonne und alle die zahllos vielen Sterne, die auch lauter große Weltkörper sind, auf denen, so wie auf dieser Erde, allerlei Wesen und Geschöpfe leben, sind im Grunde ja auch nur pur Geistiges, weil sie nur der durch den Willen Gottes festgehaltene Ausdruck Seiner Gedanken, Ideen und Anschauungen in Ihm Selbst sind. Würde Gott eine solche Seine Idee aus dem Bereiche Seines Willens stoßen und sie nicht mehr in Seiner Anschauung halten wollen, so wäre sie auch nicht mehr da, was Gott wohl könnte, so Er das in Seiner ewigen Ordnung wollte; aber Gott will, daß alles, wie Er Selbst, ewig fortbestehe, wennschon unter so manchen Veränderungen, die aber von Gott verordnet sind, daß alles aus dem ersten, durch den Willen Gottes hart gehaltenen Zustande, in dem sich alle Materie befindet, in einen freien und wie für sich bestehenden übergehe, der eben der geistige und gottähnliche ist.

07] Wenn du im Geiste Gottes in deiner Seele vollendet sein wirst, dann wirst du auch alles das in einem verjüngten Maße in dir selbst zur Beschauung und zum Gebrauche haben, was Gott von Ewigkeit her im endlosest größten Maße in Sich hat. Und so wirst du auch diese Erde, wie sie nun ist, wie sie in allen den früheren Bestandsperioden war und in den künftigen bis an ihr materielles Ende sein wird und darüber ewig hinaus in ihrem unveränderbaren geistigen und reinsten Zustande fortbestehen wird, und ebenso auch den Mond, die Sonne und alle die endlos vielen andern Weltkörper unbeschreibbar klarer schauen und sie auch vom kleinsten bis zum größten verstehen denn nun mit deinen trüben und unvollkommenen Sinnen, die dem Menschen eben darum leiblich trüb und unvollkommen gegeben sind, damit sie ihn zur inneren Denk- und Suchtätigkeit in einem fort nötigen, weil der Seele, die dem Urlichte Gottes verwandt ist, nichts lästiger und unerträglicher ist als die Trübheit und Unbestimmtheit in allem, was sie eben nur durch des Leibes trübe und unvollkommene Sinne wahrnimmt und kaum der Außenrinde nach erkennt.

08] Die Seele sehnt sich also in einem fort nach der vollen Wahrheit und denkt und fragt und sucht denn auch ebenso ununterbrochen; und in dieser Seelentätigkeit besteht denn auch das fortwährend wachsende Zunehmen der Erweckung und Stärkung des inneren geistigen Sinnes, sowohl in bezug des Schauens, Hörens und Wahrnehmens, als des Fühlens und Empfindens.

09] Würde aber eine Seele sogleich mit dem vollgeweckten inneren Sinne in diese Welt treten, so würde sie denn auch sogleich in eine vollste Trägheit und Untätigkeit versinken, was dann ebensoviel wäre, als hätte sie kein Leben.

10] Die Seligkeit des Lebens aber besteht hauptsächlich ja nur in der Tätigkeit, und so ist es der Seele nützlicher, daß sie sich in aller Tätigkeit übe, als daß sie sich gleichfort in aller Klarheit des inneren Wahrnehmens nach allen Richtungen des Lebens hin befände.

11] Wenn du dieses alles wohl überdenkst, so wirst du dadurch schon zu einer großen Klarheit in dir gelangen und wirst vieles begreifen, was dir bis jetzt unbegreiflich war.«



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