Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 180. Kapitel: Dank des Arztes und der Jünger für Raphaels Belehrung.

01] Sagte der Arzt: »O du mein hochherrlicher, himmlischer Freund! Nun hast du alle Bedenken und Zweifel ganz rein bis aufs letzte Atom aus mir hinausgefegt, und ich bin nun über alles vollends im klaren, und auch alle meine Gefährten werden es so gut sein wie ich; darum alles Lob dem allein Heiligen unter uns, der uns aus Seiner unermeßlichen Liebe durch dich, einen Bewohner der Himmel, auch die wahre Weisheit aus den Himmeln hat so lichtvoll und für unsern noch blöden Verstand leicht faßlich verkünden lassen!

02] Nun ist mir das Wesenhafte des Reiches Gottes, wie vor meine Fleischesaugen gestellt, beschaulich gemacht worden. O wie froh und heiter ist nun meine Seele!«

03] Hierauf sagten auch die Jünger zum Arzte: »Freund, nicht nur du allein bist dabei über das Wesenhafte des Reiches Gottes vollends ins klare gekommen, sondern auch wir; denn in dieser Hinsicht waren auch wir noch immer in unserem Gemüte mehr oder weniger umdunstet, obschon wir Übergroßes und zahllos vieles aus der Liebe und Weisheit des Herrn und auch von dir schon vernommen haben. Daher auch von uns aus alle Liebe, alles Lob und alle Ehre allein dem Herrn, der uns allen durch dich hier auf diesem Berge von neuem ein so helles Licht gegeben hat! Mit diesem Lichte aus den Himmeln soll alles, was auf der Erde noch finster ist, voll erleuchtet werden!«

04] Sagte Raphael: »Freunde, gut wäre es wohl, wenn das so leicht ginge, wie ihr Erleuchtete es euch nun vorstellet! Die Menschen im allgemeinen sind zu sehr materiell und vertiert geworden, und den Steinen und wilden, reißenden Tieren ist schwer das Evangelium vom Gottesreiche zu predigen.

05] Ihr habt nur einen noch ziemlich starken Weltling unter euch, der von Anfang an bei euch war und auch alles gehört und gesehen hat, was ihr gehört und gesehen habt. Für den war meine laute Unterredung mit dem Arzte nicht das, was sie für euch war. Er dachte dabei bei sich: "Oh, hätte ich dessen Weisheit und Macht, alle Goldberge der Erde wären mein Eigentum!"

06] Darum wird aus den Himmeln auch nur denen das Licht zur Erweckung ihres Geistes gegeben, die es suchen und als ein höchstes Lebensgut auch über alles lieben und hochschätzen; aber die damit nur in der Welt prunken möchten, um sich damit der Erde tote Schätze in Überfülle zu erwerben, für die ist solch ein Licht kein nütze und stürzt sie noch mehr in das alte Gericht der Materie. Darum ist es nicht gut, den Schweinen die Perlen aus den Himmeln vorzuwerfen. Das Reine gebet darum vorerst auch nur den Reinen!

07] Wenn ihr die Tiere erst zu Menschen umgestalten werdet, dann gebet ihnen auch eine reine, für Menschen gebührende Kost! Der (wahren) Menschen aber gibt es nur wenige, und die da noch sind, wohnen im Elend und werden von den Steinmenschen beinahe erdrückt und von den Tiermenschen zertreten.

08] Wenn ihr denn den Menschen das Evangelium predigen werdet, so prediget es zuerst den Armen und Elenden; dann erst seht, wie ihr aus den Steinen und Tieren Menschen bilden werdet! Dieses zu euch nun Gesagte gehört auch zur Weisheit aus den Himmeln.«

09] Unser römischer Richter, der alle die weisen Reden Raphaels mit großer Aufmerksamkeit mit angehört hatte und Ich ihn aber auch geheim innerlich Erweckte, so daß er den Sinn solcher Reden hatte fassen können, sagte zu Mir: »O Du Herr und Meister, wie überaus weise ist doch dieser herrliche Himmelsgeist! Ja, so ein Mensch auf dieser Erde es je verstanden hätte, die inneren, geheimen Dinge des Seelenlebens so klar und leichtbegreiflich darzustellen, da wäre doch sicher niemals ein finsterstes Götzentum unter den Menschen emporgekommen; denn nach einer solchen Belehrung und gemachten wundersamsten Erfahrung hätte doch ein jeder noch so einfache Mensch zu denken angefangen und hätte auch alsbald angefangen, aus seinem Glaubenslichte sich selbst nach solch einer Lehre zu bearbeiten und zu richten und wäre also mit Deiner Hilfe denn auch bald und leicht in jene innere Lebensvollendung gekommen, um derentwillen ihn Deine Liebe, Weisheit und Macht erschaffen hat.

10] Und - wie man sagt, daß die Beispiele ziehen - es würden darauf die andern Menschen sicher sehr aufmerksam geworden sein und den Vollendeten gefragt haben, wie er zu solch einer gottähnlichen Lebensvollkommenheit gekommen sei

11] Und hätte er ihnen dann mit der Klarheit dieses Geistes, den Du, o Herr, "Raphael" nanntest, die mit Händen zu greifende Wahrheit verkündet, so wären sie sicher auch alsogleich aus allen ihren Lebenskräften in jene Tätigkeit übergegangen, durch die allein auch sie als gleiche Menschen zur wahren Lebensvollendung hätten gelangen müssen.

12] Aber so ist meines Wissens wohl noch nie ein Gottes- und Lebenslehrer in solch einer leichtfaßlichen Klarheit vor und unter den Menschen auf dieser Erde aufgetreten wie nun dieser herrliche Geist, und es ist darum denn auch begreiflich, daß mit der Zeit gar so viele Menschen Gott, sich selbst und ihre wahre Lebensbestimmung ganz aus ihrem Erkennungs- und Wahrnehmungskreise verloren haben.

13] Ich habe als Richter mich mit allen im Römischen Reich vorhandenen Götter- und Menschenlehren und Gesetzen wohl bekannt gemacht und somit selbstverständlich auch mit der jüdischen (Lehre); aber da sind allenthalben Mysterien auf Mysterien gehäuft, die ein natürlicher Mensch, selbst mit klarer Vernunft und scharfem Verstande begabt, unmöglich verstehen und zur praktischen Anwendung für die wahrlich über alles notwendige Bildung seines inneren Seelenlebens begreifen kann. Doch nach solch einer Lehre muß es ja doch jedem Menschen klar werden, was er ist, was aus ihm werden soll, und was er zu tun hat, um das zu werden, wozu ihn Du, o Herr und Meister aller Wesen und Dinge, bestimmt hast. O Herr und Meister, habe ich hier nicht doch noch nur so einigermaßen richtig geurteilt?«



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