Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 201. Kapitel: Jesus kommt den Wünschen der Herodianer zuvor.

01] Darauf ging denn auch der Hauptmann selbst hinaus ins Freie und stieß auch gleich auf einen Wachtmann, der ihn alsogleich fragte, was er nun außerhalb der Hütte suche.

02] Der Hauptmann sagte ihm den Grund auch gleich ganz offen, und der Wachtmann ließ ihn weiterhin unbeanstandet.

03] Wie voll Staunens kehrte aber der Hauptmann wieder in die Hütte zurück; denn es hatte sich der ganze Sturm derart völlig gelegt, daß der See ganz spiegelruhig sich vor seinen Augen weithin verhielt und das Schiff am Ufer auch nicht die geringste Bewegung von irgendeiner kleinen Woge anzunehmen genötigt war.

04] Auf diese Nachricht ward der Oberste ganz heiter gestimmt und sagte: »Es ist nun schade, daß wir keinen Wein und kein Brot mehr haben! Jetzt möchte ich noch ein paar Stunden lang wach bleiben und mit euch mich des Lebens freuen!«

05] Sagte der Hauptmann: »Im Herrenhause, wie auch im großen Bade geht noch alles bunt durcheinander! Vielleicht ließe es sich durch unsern eben nicht unfreundlichen Wachtmann doch noch ermöglichen, daß wir noch mehr Brot und Wein gegen unsere sogleich bare Bezahlung erhielten?«

06] Sagte der Oberste: »Mache den Versuch!«

07] Als der Oberste in der Hütte den Wunsch noch kaum ausgesprochen hatte, da hatte im Hause auch schon Ich dem Markus bedeutet, daß er sogleich in die Hütte noch mehr Wein und Brot, aber von der besten Art, solle schaffen lassen, was denn auch alsogleich geschah; denn bei uns im Hause wurde alles das, was in der Hütte gesprochen und beraten wurde, von Raphael laut wiedergegeben, was eine rechte Heiterkeit erregte.

08] Als der Hauptmann gerade schon im Zuge war, aus der Hütte zu treten, um mit dem Wachtmanne wegen noch mehr Brot und Wein zu verhandeln, da trat auch schon ein Diener mit mehreren Gehilfen in die Hütte und überbrachte ihnen doppelt soviel Brot denn das erste Mal und des Weines aber gut dreimal soviel, worüber der Oberste und alle die andern höchlichst erstaunten.

09] Der Oberste wollte sogleich bezahlen, doch der Diener sagte: »Dafür ist auch am Morgen Zeit!«

10] Darauf entfernte er sich mit seinen Gehilfen sogleich, und die in der Hütte wußten nicht, wie sie daran waren. Einer sah den andern groß an, aber keiner wußte sich zu bescheiden (erklären), durch wessen Veranlassung nun diese zweite und stärkere Sendung von Brot und Wein ins Werk gesetzt worden sei.

11] Nach einer Weile Nachdenkens fing der Oberste also zu reden an: »Hört, die Sache fängt sich bei mir ein wenig aufzuklären an! Hier diese zwar recht wohl und fest aus Zedernholz erbaute Hütte hat sicher irgendeine geheime Öffnung, durch welche der Wachtmann die in ihr beherbergten Gäste belauschen kann, was sie miteinander reden. Käme etwas Ungerechtes vor, so würden sie am nächsten Tage ganz gewiß sich über ein jedes unbedachtsam ausgesprochene Wort vor einem Richter sehr strenge zu verantworten haben.

12] Wir haben unsere erste Besprechung wohl so leise und kleinlaut gehalten, daß sie von dem Wachtmanne durchaus nicht gehört und auch nicht verstanden werden konnte, weil ich in althebräischer Sprache euch meine gute Meinung mitgeteilt habe; aber den Wunsch nach noch mehr Brot und Wein habe ich in griechischer Zunge ziemlich laut und wohlverständlich ausgesprochen, was der Wachtmann sicher vernommen hat. Dieser hat es sogleich einem Badediener unterbreitet, und der beeilte sich, damit er unserem Wünsche zuvorkäme, was denn auch der Fall war. Daß er uns nun sichtlich besser bedachte denn das erstemal, da wird der Grund etwa darin zu suchen sein: Der Badeherr wird unsere reichen Waffen in den rechten Augenschein genommen und ihren hohen Wert erkannt haben und sagte dann zum Diener, daß er uns sicher schon besser und reichlicher bewirten möge, da wir auch eine reichlichere und bessere Bewirtung zu bezahlen imstande sein würden. Also und nicht anders wird es gewesen sein, und wir brauchen uns darüber den Kopf nicht mehr zu zerbrechen.

13] Essen und trinken wir nun auf das Wohl aller guten und wahrhaftigen Menschen und denken über unsere böse Geschichte gar nicht weiter nach! Jehova sei den Seelen der im Meere Ertrunkenen gnädig und barmherzig! Amen.«

14] Nach dieser Rede des Obersten, die der Wachtmann wohl vernommen hatte, trat er in die Hütte und sagte mit einer ernstfreundlichen Miene: »Du, Oberster deiner kleinen Schar, also, wie du nun geurteilt hast - was ich wohl vernommen und verstanden habe -, verhält sich die Sache durchaus nicht! Denn ich habe keinen Diener beauftragt, daß er euch mehr Brot und Wein herbeischaffen solle, dessen ihr alle bei einem strengsten Eide aller Wahrheit nach vollkommen versichert sein könnt. Es muß dahinter schon ein ganz anderer Grund stecken.

15] macht euch weiter nichts daraus; denn wir leben hier in einer Gegend, in der die Wunder nichts Seltenes sind, daher dieser Badeort den Namen "Wunderbad" erhalten hat; denn es sei seine Entstehung schon an und für sich eine rein wunderbare gewesen, und so ist auch seine Heilungskraft eine stets wahrlich wunderbare. Seid darum voll guter Dinge; denn dieser Ort ist ein Ort des Heils und nicht des Fluches und seines Gerichtes!«



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