Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 203. Kapitel: Wunsch des römischen Hauptmanns und seine Erfüllung.

01] Als alle von dem Wein etwas mehr begeistert worden waren und mit allerlei ganz guten Reden über Mich und mit bösen Reden über den Herodes, den sie stets den bösen und dummen Antipas nannten, sich unterhalten hatten, da sagte der Oberste: »Wir sind hier nun alle wie Freunde und Brüder, die wenigen Kriegsknechte nicht ausgenommen, da auch sie ebensogut Menschen sind wie wir und das wahrlich herbe Los auf dem Meere mit uns geteilt und durch ihre angestrengte Tätigkeit zu unserer Rettung vieles beigetragen haben.

02] Wir sind nun zwar - Jehova, dem Herrn, alles Lob und alle Ehre! - recht heiter und voll guten Mutes, und ich bin auch der Meinung, daß wir vor einem römischen Richter dieses Ortes ganz gut bestehen werden, doch gar zu sehr sich von einer guten Hoffnung gefangennehmen zu lassen, scheint jetzt noch nicht so recht an der Zeit zu sein.

03] Es wäre daher doch rätlich, so wir uns auch darüber noch näher besprächen, was wir dem Richter, vor den wir morgen sicher gestellt werden, auf seine über unser in dieser Gegend ohne römische Bewilligung immerhin ganz unbefugtes Unternehmen für Antworten geben werden; denn ich traue diesem heutnächtlichen Landfrieden wahrlich noch nicht so völlig trotz der guten Ansicht, die du, mein Freund, ehedem ausgesprochen hast.

04] Mir kommt es immer vor, daß wir morgen einen nicht minder argen Sturm - wennschon nicht auf dem Meere - werden zu bestehen haben. Darum würde es uns nun gar nicht schaden, so wir mit noch so ziemlich klarer Vernunft uns darüber beraten möchten, wie wir uns aus dieser fatalen Lage helfen könnten.«

05] Sagte der Hauptmann: »Aber, Freund, was kann uns hier eine solche Beratung und Besprechung nützen und helfen? Hast du denn das nicht tiefer beherzigt, daß es drüben im Herrenhause Menschen gibt, die auch unsere geheimsten Gedanken vielleicht schon eher wissen, als wir sie in uns noch gedacht haben?

06] Siehe, Menschen, die man morgen vor ein strenges Strafgericht stellen will, traktiert man bei den harten Römern niemals mit derlei Brot und Wein, sondern mit dem elendsten Brote und mit schlechtem Wasser, mit Fesseln und finsteren Kerkern und mit noch andern schauderhaften Dingen; denn gegen Verbrecher kennen die Römer niemals auch nur einen Funken groß von einer Humanität. Darum reden wir nun auch nicht mehr eine Silbe von dem, was wir um keinen Preis der Welt mehr ändern können.

07] Mein Wunsch wäre es, mit dem berühmten Nazaräer zusammenzukommen und mit ihm selbst über diese Sache zu reden; er allein könnte uns allen am ehesten helfen! Ich setze all mein Vertrauen auf ihn!«

08] Sagte der Oberste: »Ja, das wäre freilich ganz gut, so er in Wahrheit hier nur anwesend wäre! Aber was dann, so er am Ende doch nicht anwesend ist?«

09] Sagte der Hauptmann: »Da wird sicher ein anderer, als ein Abgeordneter von ihm, der in seinem Geiste handelt und richtet, unfehlbar anwesend sein. Und mit dem wird sich sicher ein kluges und wahres Wort reden lassen. Darum nun nur möglichst frohen und heiteren Mutes; denn ausgestanden haben wir ja heute doch schon ohnehin zur Übergenüge und im Sturme wahrlich so gut wie zehnmal den Tod erlitten!«

10] Als der Hauptmann diese Worte ausgesprochen hatte, da kam, von Mir entsendet, abermals ein Diener des Markus zu den Herodianern, doch diesmal ohne Brot und Wein.

11] Als er bei den darob verblüfften Herodianern ankam, sagte er in fragender Weise zu ihnen: »Welcher von euch ist der mutige Hauptmann, der den Namen Leander führt?«

12] Sagte der Hauptmann: »Freund, der bin ich! Was gibt es denn nun? Was soll geschehen?«

13] Sagte der Diener: »Höre! Der, auf den du dein Vertrauen setzest, und mit Dem du reden möchtest, ist hier und will, daß du zu Ihm kämest und Er mit dir rede! Folge mir darum ins Herrenhaus!«

14] Anfangs überraschte diese Einladung den Hauptmann sehr.

15] Und der Oberste konnte sich vor lauter Angst nicht helfen und sagte halblaut vor sich hin: »Oh, ich habe es mir wohl gedacht, daß unsere Sache ein arges Ende nehmen werde!«

16] Sagte der Diener: »Was ängstigst du dich umsonst vor dem größten und höchsten Wohltäter der Menschen?! Wer an Den glaubt, auf Ihn baut und vertraut, der geht niemals zugrunde! Komme du, Hauptmann Leander, nun mit mir; denn der Herr will nur mit dir reden!«



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