Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 165. Kapitel: Die Besprechung des Weinwunders.

01] Während der Wirt noch so seine höchst römisch gescheiten Bemerkungen machte, kam auch schon unser Dismas mit dem Oberstadtrichter daher, führte ihn zu Mir hin und sagte zu ihm: »Dies ist der nämliche Herr, der dich zu sehen und zu sprechen wünscht!«

02] Und Ich sagte zum Wirte: »Setze noch zwei Stühle und zwei Trinkbecher hierher; denn darum bin Ich eigentlich in diese Stadt gekommen, um vor allem diesen beiden einen vollgültigen Beweis Meiner Herrlichkeit zu liefern!«

03] Der Wirt tat das alsogleich, und Ich füllte aus dem steinernen Kruge beider Becher voll und hieß sie trinken.

04] Beide setzten die Becher an und sagten: »O Wirt, wo hast denn du diesen Wein her? Das ist ja eine außerordentliche Erscheinung, daß man bei dir einmal einen Wein bekommt, und den besten Kaiserwein von der Insel Cypern auch noch dazu! Sage uns, woher hast du ihn denn bezogen?«

05] Sagte der Wirt, etwas verlegen: »Meine Herren, glaubt es oder glaubt es nicht, - aber ich rede offen die Wahrheit und sage: Aus meiner Hauszisterne! Diese Herren Gäste verlangten statt Milch Wasser, und ich holte dasselbe aus meiner Zisterne und stellte es mit eigenen Händen auf den Tisch, und niemand rührte zuvor den Krug an, als bis ich mir meinen Becher aus diesem Kruge vollgefüllt hatte: wie ich aber den Becher an meinen Mund brachte, so war dessen Inhalt kein Wasser, sondern wie ihr ihn selbst gekostet habt, der allerbeste und kostspieligste Cypernwein. Ihr wißt aber, daß ich kein Wundergläubiger bin, - aber das halte ich für ein vollkommenes Wunder!«

06] Sagte darauf der Oberstadtrichter: »Laß mich mit dir mit dem Kruge zur Zisterne gehen und gleich draußen das Wasser kosten, und es wird sich gleich zeigen, ob du eine so wunderbare Zisterne besitzest!«

07] Darauf nahm der Wirt den ohnedies schon leer gewordenen Wasserkrug und eilte mit dem Oberstadtrichter hinaus zu der Zisterne, die sich im Hofe der Herberge befand.

08] Der Oberstadtrichter schöpfte mit höchsteigener Hand das Wasser und kostete es sogleich bei der Zisterne und fand, daß es wieder der gleiche Wein war.

09] Mit Freuden brachte er den Krug mit eigener Hand in unser geräumiges Gastzimmer, setzte ihn auf den Tisch und sagte laut: »Das ist wahrlich ein offenbares Wunder, wie ein ähnliches noch nie unter den Menschen dieser Erde ist erlebt worden! Ein solches Wunder kann wohl einem Gott zu bewirken möglich sein, aber einem Menschen niemals.«

10] Dismas, der von dem Weine nun bereits einen zweiten Becher geleert hatte und dabei ganz frohen und heiteren Mutes wurde, teilte auch die Meinung des Wirtes und des Oberstadtrichters und sagte: »Was haben die andern starrsinnigen Tempelnarren nun davon, daß sie diesem wirklichen Herrn der Herrlichkeit Gottes mit ihrer finstersten, rohen Grobheit begegnet sind? Dort, vor dem Tore draußen, werden sie, von vierzehn Löwen bewacht, vor Angst und Schrecken ordentlich Blut zu schwitzen anfangen müssen, während wir hier frohen und heiteren Mutes den besten Cypernwein aus des Kaisers Weinbergen trinken, von dem ich sonst in meinem Leben nur ein einziges Mal etwas Weniges zum Verkosten bekam, hier ihn aber nun gleich becherweise trinken kann.

11] Daher sage und bekenne auch ich, daß Derjenige, der mit Seiner Willenskraft jene vierzehn Löwen vor dem Stadttore draußen in Blitzesschnelle herbeirufen konnte und nun das Zisternenwasser ebenso schnell in den besten cyprischen Kaiserwein zu verwandeln imstande war, kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern es wohnt wahrlich die Fülle des göttlichen Geistes in Ihm! Und dieses Zeugnis, das ich jetzt ausgesprochen habe, wird mit mir denn auch zu Grabe gehen; und ich begreife nun auch alle Deine andern Wunderwerke, die Du, o Herr, in Jerusalem und auch in andern Orten gewirkt hast!

12] Aber diese da draußen vor dem Tore werden das schwerlich je begreifen; vielleicht werden ihnen die vierzehn Löwen die Nacht hindurch ihre sie beherrschenden Teufel austreiben, und sie werden dann für die göttliche Wahrheit zugänglicher sein denn heute. Du aber bist der Herr und kannst tun, was Du willst!«



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