Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 172. Kapitel: Jesus über den Kontakt mit Jenseitigen. Die innere geistige Sehe.

01] (Jesus:) »Du hast behauptet, daß man mit den Menschen, die einmal verstorben sind, keine Rücksprache mehr führen könne; allein da bist du sehr irrig daran.

02] Menschen deiner Art ist das wohl nicht leicht möglich; denn sie sind von Anbeginn zu diesweltlich gebildet, haben mit allem möglichen wohl ihre natürliche Seh- und Begriffskraft geschärft, aber dadurch auch in den Hintergrund gestellt ihre innere geistige Sehe. Denn es geht ihnen mit dieser inneren geistigen Sehe ungefähr ebenso wie einem Menschen, der an seinem Hause gläserne Fensterscheiben angebracht hat. Er befindet sich aber außerhalb des Hauses und vernimmt auf einmal ein tüchtiges Geräusch im Hause. Er eilt demnach zu einem Fenster hin und will in das Innere des Hauses sehen; aber trotz aller seiner Anstrengung kann er nahezu gar nichts entdecken, denn des Tages Widerschein aus den Fensterscheiben hindert ihn daran. Wenn er denn weiter die Ursache des inneren Geräusches erfahren will, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Haustor und alle Nebentüren aufzumachen und hineinzugehen, um nachzusehen, was die Ursache des Geräusches war; oder er muß eine Fensterscheibe durchstoßen, und tut es sich mit einer nicht, auch mehrere, um dann ins Haus wirkungsvoller hineinsehen zu können, was etwa das Geräusch verursacht habe.

03] Hätte sich der betreffende Hausherr im Moment des vernommenen Geräusches statt außerhalb des Hauses im Hause selbst befunden, so wäre er auch eher und leichter auf den Grund des vernommenen Geräusches gekommen; da er sich aber außerhalb befand, so konnte er in dem Augenblick nicht gegenwärtig sein, als das Geräusch geschah, sondern erst später, und das in jeder Beziehung unvollkommener, weil die Ursache samt der Wirkung sich schon verloren hatte. Er mußte dann lange alle Winkel im Innern des Hauses mühsam durchsuchen und am Ende ein zerbrochenes Geschirr finden, von dem er dann mutmaßen mußte, daß es durch irgendeine Bewegung von der Höhe hinab auf den Boden gestürzt sei, dabei zerbrach und den Lärm verursachte. Aber dennoch hat er selbst über diese Annahme keine volle Gewißheit, weil das zerbrochen gefundene Geschirr wohl auch schon früher hatte zerbrochen werden können, - daher seine Annahme dessenungeachtet keine Gewißheit, sondern nur eine Vermutung ist, und das alles bloß darum, weil er im Moment des vernommenen Geräusches sich nicht innerhalb, sondern außerhalb seines Hauses befand.

04] Und siehe, durch dieses Bild will Ich dich darauf aufmerksam machen, wie ein Mensch, der bloß äußerlich verstandesmäßig gebildet ist, von dem, was in ihm geistig vor sich geht, entweder gar nichts oder nur sehr weniges und Unbestimmtes vernehmen und begreifen kann!

05] Der Leib ist der Seele Haus und der Geist in ihr dazu von Gott aus gegeben, daß er die Seele in allem unterweise und erwecke, was da geistig ist, und sie mit demselben auch in Verkehr setze.

06] Wie kann aber der Geist das, wenn die Seele im Vollbesitze ihres freien Willens sich zuallermeist nur außerhalb des Hauses befindet und sich erquickt und erlabt am Weltlichte? Durch dieses aber wird sie derart geblendet und betäubt, daß sie dann nichts mehr sieht und wahrnimmt, was in ihrem Hause vor sich geht.

07] Mit der Zeit, so sie etwas gemahnt, will sie sich freilich in ihrem Hause umsehen und wird sehr bekümmert um dasselbe; sie findet es schon hie und da schadhaft, will es ausbessern und haltbar machen und vereinigt sich dann endlich selbst mit der Materie ihres inneren und äußeren Wohnhauses.

08] Sie sucht dann freilich den Geist in ihrem Hause, der sie durch einen dann und wann veranstalteten Lärm im Wohnhause zu sich ins Haus rufen wollte; aber oft überhörte sie solchen Lärm vor lauter Weltgetümmel. Dann und wann machte sie wohl einen flüchtigen Blick in das Innere ihres Hauses, fand aber nur weniges und Unzuverläßliches und kehrte sich dann bald wieder nach einer kleinen Untersuchung nach außen, wo es ihr besser gefiel als in den dunklen Gemächern ihres Hauses, in denen sie darum nichts Entschiedenes mehr auffinden konnte, weil ihre Sehe vom Außenlicht zu geblendet und ihr inneres Vernehmvermögen von dem lauten Weltgetümmel zu übertäubt war.

09] Da gibt es aber hie und da, den Kindern ähnlich, furchtsame Seelen, die sich vor dem Weltlicht und dem Weltgetümmel fürchten. Diese bleiben dann lieber im Hause und unterhalten sich mit dem, was sich im Hause befindet. Geschieht nun ein Lärm, so können sie gar wohl von innen nach außen durch die durch ein äußeres Licht ungeblendeten Fensterscheiben schauen und bald und leicht dahinterkommen, was den Lärm verursacht hat, und können von mancherlei, was auch im Hause geschieht, sicher richtiger und eher innewerden als diejenigen, die sich außerhalb des Hauses befinden.

10] Also ist das geistige Seh- und Hörvermögen stets innerhalb des Menschen und nie außerhalb in seinen weltlichen Sinnen. Wenn du demnach mit einer oder der andern Seele dich besprechen und sie sehen möchtest, so kann dies nur in dir, nie aber außer dir bewerkstelligt werden.

11] Wärest du mehr in dir zu Hause geblieben, so hättest du schon lange dieselben Lebenserfahrungen gemacht wie gar viele andere, die dir davon wohl erzählten, deren Erzählung du aber stets für eine leichtgläubige Selbsttäuschung erklärtest, und du hast dich dadurch auch stets mehr und mehr nur außer deinem Hause aufgehalten und nur sehr selten einen flüchtigen Blick in dasselbe geworfen, wo es dich denn allzeit mehr und mehr geärgert hat, weil du infolge der Überblendung deiner inneren Sehe durch das äußere Weltverstandeslicht immer weniger und schlechter ausnehmen konntest, was sich in deinem Lebenshause vorfand, und du hast dich dadurch selbst gestraft, indem du mit deinem äußeren Weltlicht den ewigen Tod und das ewige Nichtsein als die größte Wohltat für ein einmal in ein selbstbewußtes Dasein gerufenes Wesen ansahst und noch ansiehst.

12] Siehe aber, Ich habe als ein wahrer Herr des Lebens die Gabe, dich in dein Inneres zurückzuführen und auf einige Momente deine innere Sehe zu stärken, und du wirst dich dann alsogleich überzeugen, was es mit dem Fortbestehen der Seele nach ihres Leibes Tod für eine Bewandtnis hat!

13] Sage Mir, wen aus deiner früheren Zeit du nun sehen und sprechen willst, und er wird im Augenblick kommen und dir Rede und Antwort geben, und du wirst ihn auch als den erkennen, als den du ihn bei seinen Lebzeiten gekannt hast!«



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