Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 189. Kapitel: Jesus über die Schwierigkeit des Lehramtes.

01] Als wir so noch am Tische beisammensaßen und Brot und Wein zu uns nahmen, da sagte Barnabas, der ein Pharisäer war, wie ihr wißt: »Herr und Meister, so Du auch mich für würdig halten würdest, Deine Lehre unter den Menschen auszubreiten, so würde ich nicht ein Wort von Deiner Lehre hinwegnehmen und auch nicht eines dazusetzen!«

02] Sagte Ich: »Du bist zwar ein Jude und hast es durch dein bedeutendes Vermögen dahin gebracht, daß du ein Pharisäer geworden bist, indem du nachweisen konntest, daß du aus dem Stamme Levi bist; du bist aber unter den Griechen erzogen worden und hast dir dadurch auch viel griechischen Starrsinn angeeignet und wirst dich auf die Länge der Zeit mit einem andern Meiner Jünger eben nicht am besten vertragen mögen. Ich werde euch allen aber etwas sagen, und so hört Mich denn an!

03] Ein wahrer Weiterverbreiter Meiner Lehre muß sein wie ein äußerst erfahrener, gefügiger und überaus geschickter Arzt.

04] Ein Arzt aber kommt zum Beispiel in einen Ort, dahin er gerufen wird zu vielen Kranken, die da behaftet sind mit Gicht und allerlei Fiebern. Nun denkt sich der Arzt: "Derlei Kranke habe ich schon viele behandelt und ihnen mit diesen oder jenen Arzneien geholfen, und diese Kranken hier leiden an denselben Krankheiten; ich werde ihnen daher dieselben Arzneien geben, und sie werden gesund werden!" Und der Arzt tut das - und seht, die Kranken werden, statt besser, immer schlimmer auf seine Arzneien, verlieren das Vertrauen zu ihm und suchen sich einen andern Arzt! Der Arzt wird darüber ärgerlich und sagt bei sich: "Diese meine Arzneien haben schon so vielen geholfen; warum denn gerade diesen nicht?" und zieht ärgerlich nach Hause.

05] Und es kam bald der zweitgerufene Arzt. Er war aber klüger als der erste, erkundigte sich zuvor, wie der Kranke gelebt hatte, was für Speisen er zu sich genommen, und von welchen Krankheiten er schon von Jugend auf geplagt ward. Und so erkundigte er sich noch um Verschiedenes, um das sich ein weiser Arzt zu erkundigen hat, und richtete demnach auch seine Arzneien ein: für einen Kranken das, für einen andern wieder ganz etwas anderes. Und seht, der Arzt, der sich diese Mühe nahm, heilte bald im ganzen Orte die Kranken, da er es verstand, seine Arzneien nach den verschiedenen Naturen und Eigenschaften seiner Kranken einzurichten.

06] Und wie ein Arzt nur auf diese Weise - so es nicht gar zu spät an der Zeit ist - glückliche Heilungen an den Kranken bewerkstelligen kann, ebenalso auch ein wahrer Seelenarzt bei den vielen seelenkranken Menschen auf dieser Welt, von denen eine Seele leichtgläubig, eine andere hartgläubig, eine andere hochmütig, eine andere geizig, selbstsüchtig und dergleichen noch vieles mehr ist. Kommt nun der Seelenarzt zu solchen Seelen und fängt alsogleich an, ganz steinstarr seine von Mir überkommene Lehre solchen verschiedenartigen Seelen vorzupredigen, so wird er damit wenig Nutzen stiften.

07] Wer da nicht versteht, a mit den Weinenden zu weinen, mit den Lachenden zu lachen, mit den Heiteren selbst heiter und mit den Ernsten selbst ernst zu sein , der ist noch nicht geschickt zur Ausbreitung Meines Reiches auf Erden und gleicht in dieser Hinsicht einem Landmanne, der b beim Aufackern eines Feldes wohl seine Hände an den Pflug legt, aber seine Blicke immer hinter sich richtet, um zu sehen, wie sich die Furchen legen; dabei vergißt er aber den Pflug, der seitwärts ging wegen Mangels rechter Aufmerksamkeit des Pflügers, und diesem bleibt dann nichts übrig, als den Pflug zurückzuziehen bis an die Stelle, wo er noch geradeaus ging, um daselbst wieder von neuem anzufangen zu pflügen. (a vgl. Römer.12,15; Lukas.09,62)

08] Und so ist es mit den Lehrern, die alle Menschen - welchen Charakters und von welchen Natureigenschaften sie auch immer sein mögen - auf ganz eine und dieselbe Art in was immer unterrichten wollen. Einige von diesen Menschen werden etwas von diesem Unterrichte fassen, weil der Unterricht gerade für ihre Fähigkeiten getaugt hatte; die andern aber werden, unwissend und ungeschickter als sie vorher waren, den Lehrer verlassen.

09] Und so ist denn auch hier bei der Ausbreitung Meiner Lehre wohl darauf zu sehen, von welcher Beschaffenheit diejenigen sind, denen ihr Meine Lehre vorprediget, ansonst ihr wenig Nutzen stiften werdet.

10] Der Leichtgläubige wird bald alles glauben, - besonders, wenn ihr die Lehre noch mit irgendeinem Wunderzeichen bekräftigt; aber dabei denkt euch das: Wer gar zu leicht etwas Neues annimmt, der läßt es auch ebenso leicht wieder fahren, als wie leicht er es angenommen hat, besonders so ihn eine Versuchung dazu nötigt. Mit einem Hartgläubigen werdet ihr zwar viel mehr Arbeit haben, - aber habt ihr ihn einmal gewonnen, so wird er auch bei dem verbleiben, was er angenommen hat. Darum müßt ihr euch bei ihm auch mehr Mühe nehmen als bei den Leichtgläubigen. Diesen aber trauet nicht, weil sie so gern und ohne viel Mühe eure Lehre angenommen haben. Denn so ihr wieder zu ihnen kommen werdet, werden sich vielleicht kaum die Hälfte noch bei eurer Lehre halten, die andere Hälfte aber zu ihrem alten, faulen Glauben zurückkehren oder irgendeinem andern falschen Propheten anhangen.

11] Darum seid zwar vollkommen einig in dem, was Meine Lehre betrifft, - aber was den Vortrag betrifft, so seht euch die Menschen zuvor an, welches Geistes Kinder sie sind, und fanget danach erst an, ihnen Mein Evangelium zu predigen, und ihr werdet da allenthalben gute Wirkungen hervorbringen!

12] Gedenkt dabei auch des alten römischen Sprichwortes, nach welchem aus einem höchst plumpen und faulen Holzklotze keine Gottheit geformt werden kann, und daß die sanfte und furchtsame Taube noch niemals einen Aar aus ihren Eiern gehecket hat! Daher seid denn auch - was Ich euch schon öfter gesagt habe - klug wie die Schlangen, dabei aber dennoch voll Sanftmut gleich den Tauben!

13] Das Lehramt ist eines der schwersten Ämter; aber wohl dem, der ein solches Amt tüchtig zu verwalten versteht!«

14] Hierauf sagte Barnabas: »O Herr und Meister, Du hast nun nur zu offen die reinste Wahrheit gesprochen; denn auch ich war zuvor ein Lehrer und habe es erfahren, wie schwer mit den verschiedenartigen Menschen umzugehen ist. Daher werde ich auch diesen Deinen Rat über alles wohl beherzigen und ihn zur Tat werden lassen.«

15] Sagte Ich: »Das wirst du wohl; aber du wirst auch einer der ersten sein, der bei einer Gelegenheit mit einem eben von Mir erwählten Jünger hart übereinanderkommen (zusammenstoßen) wird, und ihr werdet euch trennen auf eine längere Zeit hin. Ich sage dir nicht, wann, bei welcher Gelegenheit und mit welchem Jünger; wenn es aber geschehen wird, so wirst du dich dessen erinnern, was Ich dir soeben gesagt habe.«

16] Sagte darauf Barnabas: »Herr und Meister, da Du solches schon zum voraus weißt, so sollte es Dir ja auch möglich sein, solch einem unliebsamen Vorkommnis schon im voraus die rechten Hindernisse in den Weg zu stellen!«

17] Sagte Ich: »Die allerfreiesten Menschen auf der ganzen Erde seid ihr, Meine Jünger, nun, und eben euch will Ich durchaus auch nicht die leiseste Fessel, von seiten Meiner Allmacht ausgehend, anlegen; denn so Ich euch in die Welt sende, daß ihr die andern Menschen von den Fesseln der harten Knechtschaft unter dem Gesetze befreien sollt in Meinem Namen, - wie sollte Ich euch dann als gefesselte Knechte hinaussenden? So Ich das täte, da würde es mit der Freimachung und Erlösung bei den Menschen sehr schlimm aussehen; denn in dem Falle würde ihnen ein neues, schwereres Joch auferlegt werden, denn da war das alte, und Meine Herniederkunft wäre kein nütze.

18] Ich erwecke euch aber zu Aposteln und Propheten des neuen und nicht mehr alten Bundes und mache euch dadurch zu den ersten Erlösten auf dieser Erde, auf daß durch euch diese Meine Erlösung auf alle Menschen übergehe in rechter Art und Weise und in der vollkommensten Ordnung Meiner ewigen Liebe, Weisheit und Macht. - Hast du, Barnabas, solches verstanden?«

19] Barnabas sagte, daß er dieses wohl verstanden habe, und alle sagten das gleiche.

20] Und Ich sagte zu ihnen: »So bleibt denn in Mir, so werde Ich bei euch verbleiben bis ans Ende der Zeiten und werde einen jeden von euch erwecken an seinem jüngsten Tage in Meinem Reiche!«



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