Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 63. Kapitel: Vom Wesen der Kindschaft Gottes.

(Am 22. August 1843, von 5 1/4 - 6 3/4 Uhr Nachm.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Höret! unser Aeltester spricht; Hoher Gesandter des großen Gottes! Jetzt bin ich ganz im Klaren, und die ganze Sache der Kindschaft Gottes bekommt jetzt ein ganz anderes Gesicht. Da sich aber die Sache sicher also und nicht anders verhält, da mußt du mir vergeben, daß es, von meiner Seite betrachtet, nicht nur gewisserart wider die göttliche Ordnung wäre, nach der sogenannten ganz eigentlichen Kindschaft Gottes zu trachten, an der nach deiner gegenwärtigen Aussage fürwahr wenig, wo nicht gar nichts gelegen ist; es wäre sogar eine offenbare Thorheit, für Nichts das Gute und Reichliche, das man besitzt, fahren zu lassen. Da sage ich: Gott und Vater hin und her, und ich als das Kind Gottes hin oder her, wenn ich dabei gänzlich gewinnlos mich verhalten müßte.

02] Es ist einerseits nicht zu leugnen, daß der Gedanke, Gott zum Vater zu haben, und das durch die allerintimste gegenseitige Liebe, jeden andern Gedanken rein zu Grunde richtet; denn ein größeres Verhältniß kann sich kein geschaffenes Wesen denken. - Aber wenn man auf der anderen Seite betrachtet, daß man in Rücksicht dieses großen Gedankens und großen Namens an und für sich dennoch gar nichts ist und sein darf; ja, daß man sogar zum letzten Dienste für alle Geschöpfe stets bereit da stehen muß, so ficht einen, wie wir da sind auf dieser Welt, dieser Gedanke und dieser große Name gar nicht mehr an.

03] Wenn wir hier Alles haben können, was unser Herz verlangt, zeitlich und ganz besonders im Geiste ewig, als Kinder aber uns nicht einmal nach eigenem Willen über die Schwelle rühren dürften, höre, da bleiben wir doch sicher, was wir sind; denn um Nichts zu werden, bedürfte es nie einen Daseins! - Ist ein Wesen aber einmal da, so setzt dieses sein Dasein schon eine fortwährend höhere Entwicklung seiner Kräfte voraus; nicht aber - (wenn man bedenkt, daß man hier fortwährend in den Erkenntnissen und Kräften zunimmt) - daß man hernach, wo man die höchste Vollendung erwartet, nichts als eine völlige Richtung aller Kräfte und Erkenntnisse, die man sich hier zu dem Behufe eigen gemacht hat, erwarten solle.

04] Ich meine, du wirst mich gründlich verstanden haben; denn ich habe hier also geredet, wie da ein jedes nur einiger Maßen weise denkende Wesen nothwendig hätte reden müssen, so es die Verhältnisse der Kindschaft Gottes von dir auf die obige Weise erörtert vernommen hätte.

05] Meines Theiles aber bin ich über die Kindschaft Gottes einer ganz anderen Meinung, und behaupte ganz festweg, daß hinter der Kindschaft Gottes ganz außerordentlich mehr verborgen ist, als du es mir kund gegeben hast. - Es mag schon immerhin sein, daß man als Kind sicher aus der höchsten Liebe zum Vater freiwillig Alles hintan giebt. Solches ist ganz eigenthümlich im Charakter der Liebe; - daß man aber andererseits für solch' ein geringes Opfer etwas Unaussprechliches zu erwarten hat, das kann mir die ganze Ewigkeit nicht absprechen!

06] Wir haben hier zwar nach unserer geistigen Lehre die große Fähigkeit zu Gute, als Geister alle Tiefen der Schöpfungen Gottes zu bereisen, und sich unaussprechlich zu erlustigen an Seinen ewig zahllosen allermannigfaltigsten Wunderwerken; aber wie es mir so tief ahnend vorkommt, so können die Kinder Gottes das mit einem Blicke übersehen, wozu wir Ewigkeiten brauchen. Wir haben wohl Macht als Geister die Dinge unserer Welt, und wie ausfließend auch noch anderer von dieser abhängenden Welten zu ordnen; aber die Kinder Gottes, als mit Gott allernächst und intimst vereint, sind sicher Mitschöpfer, - und während wir doch immer nur Materielles zu ordnen haben, so haben aber die Kinder aus Gott, ihrem Vater, die Macht nicht nur über die gesammte endlose materielle Schöpfung, sondern auch über alle geistige Kreatur.

07] Siehe, das ist meine Meinung, für deren Wahrheit ich Alles zum Pfande biete, was immer ich nur auf dieser Welt mein nennen darf. Du hast freilich wohl gesagt, daß ein Kind ohne den Willen des Vaters sich nicht über die Schwelle bewegen darf, darf sich selbst keine Speisen nehmen, und muß wohnen in einfachen Hütten. Das lasse ich Alles recht gerne zu; aber wenn man als Kind Gottes mit einem Blicke alle endlosen Herrlichkeiten Gottes überschauen kann, da möchte ich doch wohl wissen, wozu man seine Füße über die Schwelle setzen sollte? - Wenn man ferner in der vollkommenen schöpferischen Fähigkeit mit Gott Selbst im ewigen Centrum steht, von wo aus alle zahllosen Geschöpfe enährt werden, da möchte ich auch den Grund wissen, der Einen nöthigen würde, sich selbst eine Kost zu nehmen, so man im Centrum alles Lebens steht. - Und eben also, denke ich, steht es mit der Einfachheit der Wohnung der Kinder Gottes; ob jetzt eine Hütte, oder ein Palast, das wird doch etwa alles Eins sein, so man in sich selbst alle Herrlichkeiten Gottes anschaulich vereiniget.

08] Wenn man in der Herrlichkeit über alle Unendlichkeit und Ewigkeit sich befindet, welche Einem alle Geschöpfe in der Unendlichkeit nicht im Geringsten zu schmälern vermögen, da kann man gleichwohl ein allergeringster Diener sein und ein Knecht aller Knechte; denn was verliert ein Solcher dadurch? Muß ihm darum nicht, wenn es sein muß, dennoch die ganze Schöpfung auf einen allerleisesten Wink den pünklichsten Gehorsam leisten?

09] Es ist wahr, unsere Geister haben auch Kraft und Gewalt, zu beherrschen die eigene Welt; aber sind sie darum Herren derselben? O nein! - Sie thun zwar, was sie wollen, aber sie können nicht wollen, was sie wollen. Unser Wille liegt in euerem Grunde; ihr aber seid frei in dem Wollen Dessen, der euer Vater ist!

10] Hoher Gesandter des Herrn! Ich glaube, daß ich die Sache richtig bemessen habe; dessen ungeachtet aber bitte ich dich, du möchtest mir darüber noch einige Wörtlein schenken, damit ich aus denselben erkennen möchte, in wie weit mein Urtheil mit der allerhöchsten Wahrheit verwandt ist.

11] Nun spreche ich, und sage: Höre, mein achtbarer Aeltester dieses Ortes! Ich wußte es ja, daß du in dir das rechte Licht finden wirst, so ich dir dazu nur den rechten Weg gezeigt habe. Dein Urtheil ist richtig; du hast dießmal das Wesen der Kindschaft Gottes genau erkannt. Wie du die Sache bezeichnet hast, also ist es auch; aber mit der Demuth und mit der Liebe bist du dadurch denn doch wieder genöthiget, das dir von dir früher so gerühmte „Weniger" zu erlangen.

12] Was aber wird sich da machen lassen? - Denn siehe, du bist weder mit dem Einen, noch mit dem Andern zufrieden. Beim Mehrerlangen ist dir die Demuth und die Liebe ein schlechtes Mittel, also keine Tugend; das Wenigererlangen für solche Tugend kommt dir als eine Thorheit vor. Wie soll die Sache demnach bestellt sein, daß du zufrieden gestellt werden möchtest? Ich will dir dieses Räthsel lösen;

13] siehe, du bist noch in dem Begriffe, daß man nur dann mehr bekommen müsse, wenn man mehr verlangt, und weniger, wenn man wenig verlangt; ich aber sage dir: das ist ein geschöpflicher Maßstab; aber beim Schöpfer ist da ein ganz umgekehrter Fall. Der viel verlangt, wird wenig empfangen; der wenig verlangt, wird viel empfangen; und wer nichts verlangt, dem wird Alles zu Theil werden!

14] Diese Sache möchtest du wohl ein wenig unnatürlich finden; aber siehe es giebt ja auch bei dir ähnliche Verhältnisse, und du handelst in dieser Hinsicht durchgehends nicht anders, als da handelt der Herr. - Wenn dir z. B. Jemand einen geringen Dienst erweiset, verlangt dafür aber einen großen Lohn, wie wird er in deinem Herzen empfangen sein? - Du sagst: Da wird er gering empfangen sein. - Wenn er dir aber einen großen Dienst erwiesen hat, und verlangt wenig dafür, wie wird der in deinem Herzen empfangen sein? - Du sprichst: Der wird groß empfangen sein. - Wenn dir aber Jemand Alles gethan hat, was du nur immer wünschest, und verlangt am Ende nichts von dir; denn er that Alles ja nur aus Liebe zu dir; - sage, wie wird Der in deinem Herzen empfangen sein? - Dlr sprichst: Diesen werde ich zu meiner Rechten setzen, und er soll in Allem mit mir in gleichem Besitze stehen; - denn Solcher hat sich mein Herz in der Fülle zinspflichtig gemacht!

15] Siehe, mein achtbarer Aeltester, das ist auf ein Haar das Verhältniß Gottes zu Seinen Geschöpfen; und thust du das Letzte, so bist du ein Kind Gottes, und wirst ebenfalls von Ihm zu Seiner Rechten gestellt werden. Solches bewirkt die Liebe; denn Gott sieht nicht auf das alleinige Werk, sondern allein auf die Liebe. Geht das Werk aus der Liebe hervor, dann hat es vor Gott einen Werth; geht es aber nur aus der alleinigen Weisheit hervor, dann hat es entweder keinen Werth, oder nur in so weit einen, in wie weit die Liebe damit im Spiele war. - Nun weißt du Alles; und ich habe dir nichts mehr zu sagen. Willst du den dir klarst bezeichneten Weg wandeln, so weißt du nun recht wohl welch' ein Ziel du erlangen kannst; bleibst du aber, wie du bist, so wirst du ebenfalls dein gutes Ziel erreichen, aber nur das der so ganz eigentlichen Kindschaft Gottes nicht.

16] Nun sehet, unser Aeltester wird ganz demüthig und überdenkt wohl meine Worte. Er wird sobald eine Anrede an seine Kinder zu machen anfangen; diese wollen wir noch anhören, sodann dieses Volk segnen und uns sogleich von dannen begeben.

01] Höret! unser Ältester spricht: Hoher Gesandter des großen Gottes! Jetzt bin ich ganz im klaren, und die Sache der Kindschaft Gottes bekommt jetzt ein ganz anderes Gesicht. Da sich aber die Sache sicher also und nicht anders verhält, da mußt du mir vergeben, daß es, von meiner Seite betrachtet, nicht nur gewisserart wider die göttliche Ordnung wäre, nach der sogenannten ganz eigentlichen Kindschaft Gottes zu trachten, an der nach deiner gegenwärtigen Aussage fürwahr wenig, wo nicht gar nichts gelegen ist. Es wäre sogar eine offenbare Torheit, für nichts das Gute und Reichliche, das man besitzt, fahrenzulassen. Da sage ich: Gott und Vater hin oder her, und ich als das Kind Gottes hin oder her, wenn ich dabei gänzlich gewinnlos mich verhalten müßte.

02] Es ist einerseits nicht zu leugnen, daß der Gedanke, Gott zum Vater zu haben, und das durch die allerintimste gegenseitige Liebe, jeden andern Gedanken rein zugrunde richtet denn ein größeres Verhälnnis kann sich kein geschaffenes Wesen denken. Aber wenn man auf der anderen Seite betrachtet, daß man in Rücksicht dieses großen Gedankens und großen Namens an und für sich dennoch gar nichts ist und sein darf, ja, daß man sogar zum letzten Dienste für alle Geschöpfe stets bereit dastehen muß, so ficht einen, wie wir da sind auf dieser Welt, dieser Gedanke und dieser große Name gar nicht mehr an.

03] Wenn wir hier alles haben können, was unser Herz verlangt, zeitlich und ganz besonders im Geiste ewig, als »Kinder« aber uns nicht einmal nach eigenem Willen über die Schwelle rühren dürften, höre, da bleiben wir doch sicher, was wir sind; denn um nichts zu werden, bedürfte es nie eines Daseins! Ist ein Wesen aber einmal da, so setzt dieses sein Dasein schon eine fortwährend höhere Entwicklung seiner Kräfte voraus; nicht aber - (wenn man bedenkt, daß man hier fortwährend in den Erkenntnissen und Kräften zunimmt) - daß man hernach, wo man die höchste Vollendung erwartet, nichts als eine völlige Vernichtung aller Kräfte und Erkenntnisse, die man sich hier zu dem Behufe zu eigen gemacht hat, erwarten solle.

04] Ich meine, du wirst mich gründlich verstanden haben, denn ich habe hier also geredet, wie da ein jedes nur einigermaßen weise denkende Wesen notwendig hätte reden müssen, so es die Verhältnisse der Kindschaft Gottes von dir auf die obige Weise erörtert vemommen hätte. -

05] Meines Teiles aber bin ich über die Kindschaft Gottes einer ganz anderen Meinung und behaupte ganz festweg, daß hinter der Kindschaft Gottes ganz außerordentlich mehr verborgen ist, als du es mir kundgegeben hast. Es mag schon immerhin sein, daß man als Kind sicher aus der höchsten Liebe zum Vater freiwillig alles hintan gibt. Solches ist ganz eigentümlich im Charakter der Liebe: - daß man aber andererseits für solch ein geringes Opfer etwas Unaussprechliches zu erwarten hat, das kann mir die ganze Ewigkeit nicht absprechen!

06] Wir haben hier zwar nach unserer geistigen Lehre die große Fähigkeit zugute, als Geister alle Tiefen der Schöpfungen Gottes zu bereisen und uns unaussprechlich zu erlustigen an Seinen ewig zahllosen allermannigfaltigsten Wunderwerken; aber wie es mir so tief ahnend vorkommt, so können die Kinder Gottes das mit einem Blicke übersehen, wozu wir Ewigkeiten brauchen. Wir haben wohl Macht, als Geister die Dinge unserer Welt und wie ausfließend auch noch anderer von dieser abhängenden Welten zu ordnen; aber die Kinder Gottes, als mit Gott allernächst und intimst vereint, sind sicher Mitschöpfer. Und während wir doch immer nur Materielles zu ordnen haben, so haben aber »die Kinder aus Gott«, ihrem Vater, die Macht nicht nur über die gesamte endlose materielle Schöpfung, sondern auch über alle geistige Kreatur.

07] Siehe, das ist meine Meinung, für deren Wahrheit ich alles zum Pfande biete, was immer ich nur auf dieser Welt mein nennen darf. Du hast freilich wohl gesagt, daß ein Kind ohne den Willen des Vaters sich nicht über die Schwelle bewegen darf, darf sich selbst keine Speisen nehmen und muß wohnen in einfachen Hütten. Das lasse ich alles recht gerne zu. Aber wenn man als Kind Gottes mit einein Blicke alle endlosen Herrlichkeiten Gottes überschauen kann, da möchte ich doch wohl wissen, wozu man seine Füße über die Schwelle setzen sollte? Wenn man ferner in der vollkommenen schöpferischen Fähigkeit mit Gott Selbst im ewigen Zentrum steht, von wo aus alle zahllosen Geschöpfe ernährt werden, da möchte ich auch den Grund wissen, der einen nötigen würde, sich selbst eine Kost zu nehmen so man im Zentrum alles Lebens steht. Und eben also, denke ich, steht es mit der Einfachheit der Wohnung dier Kinder Gottes. Ob jetzt eine Hütte oder ein Palast, das wird doch etwa alles eins sein, so man in sich selbst alle Herrlichkeiten Gottes anschauilich vereinigt.

08] Wenn man in der Herrlichkeit über alle Unendlichkeit und Ewigkeit sich befindet, welche einem alle Geschöpfe in der Unendlichkeit nicht im geringsten zu schmälern vermögen, da kann man gleichwohl ein allergeringster Diener sein und ein Knecht aller Knechte; denn was verliert ein solcher dadurch? Muß ihm darum nicht, wenn es sein muß, dennoch die ganze Schöpfung auf einen allerleisesten Wink den pünktlichsten Gehorsam leisten?

09] Es ist wahr, unsere Geister haben auch Kraft und Gewalt, zu beherrschen die eigene Welt, aber sind sie darum Herren derselben? O nein! Sie tun zwar, was sie wollen, aber sie können nicht wollen, was sie wollen. Unser Wille liegt in eurem Grunde, ihr aber seid frei in dem Wollen Dessen, der euer Vater ist!

10] Hoher Gesandter des Herrn! Ich glaube, daß ich die Sache richtig bemessen habe; dessen ungeachtet aber bitte ich dich, du möchtest mir darüber noch einige Wörtlein schenken, damit ich aus denselben erkennen möchte, inwieweit mein Urteil mit der allerhöchsten Wahrheit verwandt ist. -

11] Nun spreche ich und sage: Höre, mein achtbarer Ältester dieses Ortes! Ich wußte es ja, daß du in dir das rechte Licht finden wirst, so ich dir dazu nur den rechten Weg gezeigt habe. Dein Urteil ist richtig; du hast diesmal das Wesen der Kindschaft Gottes genau erkannt. Wie du die Sache bezeichnet hast, also ist es auch; aber mit der Demut und mit der Liebe bist du dadurch denn doch wieder genötigt, das von dir so verurteilte »Mehr« und nicht das von dir früher so gerühmte »Weniger« zu erlangen.

12] Was aber wird sich da machen lassen? Denn siehe, du bist weder mit dem einen noch mit dem andern zufrieden. Beim Mehrerlangen ist dir die Demut und die Liebe ein schlechtes Mittel, also keine Tugend; das Wenigererlangen für solche Tugend kommt dir als eine Torheit vor. Wie soll die Sache demnach bestellt sein, daß du zufriedengestelit werden möchtest? Ich will dir dieses Rätsel lösen.


13] Siehe, du bist noch in dem Begriffe, daß man nur dann mehr bekommen müsse, wenn man mehr verlangt, und weniger, wenn man wenig verlangt. Ich aber sage dir: Das ist ein geschöpflicher Maßstab; aber beim Schöpfer ist da ein ganz umgekehrter Fall. Der viel verlangt, wird wenig empfangen; der wenig verlangt, wird viel empfangen; wer nichts verlangt, dem wird alles zuteil werden!

14] Diese Sache möchtest du wohl ein wenig unnatürlich finden; aber siehe, es gibt ja auch bei dir ähnliche Verhältnisse, und du handelst in dieser Hinsicht durchgehends nicht anders, als da handelt der Herr. Wenn dir z.B. jemand einen Dienst erweiset, verlangt dafür aber einen großen Lohn, wie wird er in deinem Herzen empfangen sein? Du sagst: Da wird er gering empfangen sein. Wenn er aber dir einen großen Dienst erwiesen hat, und verlangt wenig dafür, wie wird der in deinem Herzen empfangen sein? Du sprichst: Der wird groß empfangen sein. Wenn dir aber jemand alles getan hat, was du nur immer wünschest, und verlangt am Ende nichts von dir, denn er tat alles ja aus Liebe zu dir, sage, wie wird der in deinem Herzen empfangen sein? Du sprichst: Diesen werde ich zu meiner Rechten setzen, und er soll in allem mit mir im gleichen Besitze stehen; denn solcher hat sich mein Herz in der Fülle zinspflichtig gemacht!

15] Siehe, mein achtbarer Ältester, das ist auf ein Haar das Verhältnis Gottes zu Seinen Geschöpfen; und tust du das letzte, so bist du ein Kind Gottes und wirst ebenfalls von Ihm zu Seiner Rechten gestellt werden. Solches bewirkt die Liebe, denn Gott sieht nicht auf das alleinige Werk, sondern allein auf die Liebe. Geht das Werk aus der Liebe hervor, dann hat es vor Gott einen Wert; geht es aber nur aus der alleinigen Weisheit hervor, dann hat es entweder keinen Wert, oder nur insoweit einen, inwieweit die Liebe damit im Spiele war. - Nun weißt du alles, und ich habe dir nichts mehr zu sagen. Willst du den dir klarst bezeichneten Weg wandeln, so weißt du nun recht wohl, welch ein Ziel du erlangrn kannst; bleibst du aber, wie du bist, so wirst du ebenfalls dein gutes Ziel erreichen, aber nur das der so ganz eigentlichen Kindschaft Gottes nicht!

16] Nun seht, unser Ältester wird ganz demütig und überdenkt wohl meine Worte. Er wird sobald eine Anrede an seine Kinder zu machen anfangen; diese wollen wir noch anhören, sodann dieses Volk segnen und uns dann gleich von dannen begeben. -

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