Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 77. Kapitel: Das 4. Gebot im vierten Saal (im geistigen Sinn)

(Am 26. Sept. 1843, von Nachm. 5 - 6 Uhr.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Das vierte Gebot, wie ihr es auf der Erde habt, lautet: „Ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebest und es dir wohlgehe auf Erden." - Dieses Gebot ist so gut göttlichen Ursprunges, als die ersten drei. Was gebietet es aber, und was verheißt es? - Nichts Anderes, als den Gehorsam der Kinder gegen ihre Eltern, und für diesen Gehorsam eine zeitliche Vergünstigung.

02] Kann da nicht Jedermann fragen und sagen: Wie? Ein göttliches Gebot sanctionirt sich bloß nur durch zeitliche Verheißungen, und hat nichts Ersichtliches im Hintergrunde, darin ewige geistige Vortheile geboten würden? Was liegt wohl an solch' einer zeitlichen Vergünstigung? Was liegt am Wohlleben, was am langen Leben, wenn hinter demselben nichts Höheres folgt?

03] Es ist wahr: Gut und lange leben ist besser, als kurz und schlecht; wenn aber am Ende des Lebens Abschnitt, der unwirthliche Tod erscheint, welchen Vorzug hat das gute und lange Leben vor dem schlechten und kurzen? - Ich meine, dazu braucht man eben kein Fundamental-Mathematiker zu sein, um sagen zu können: Der Unterschied läuft überall in eine reine Null aus; - denn der Erste überkommt so gut wie der Zweite ein allerbestes Nichts, und er fragt sich dann wenig darum, wie der Weg zu diesem Empfange beschaffen war, ob gut'oder schlecht.

04] Also wäre denn, nach diesem Maßstabe betrachtet, das vierte Gebot auf einem sehr schlüpfrigen Grunde baslrt, und die Eltern wären fürwahr übel daran, so ihre Kinder mit solcher Philosophie schon auf die Welt geboren würden, und die Kinder selbst würden bei solcher Betrachtung wenig Grund finden ihren Eltern zu gehorchen. - Ferner läßt sich noch über dieses Gebot folgende kritische Betrachtung anstellen. Wie das Gebot klingt, so hat es nur eine zeitliche Basis; also bloß nur die Pflicht der Kinder gegen ihre Eltern darstellend.

05] Es fragt sich demnach: was soll es denn mit diesem Gebote hier im Geisterreiche, wo die Kinder hier ihren Eltern auf Erden auf ewig enthoben sind? - Sind sie aber ihrer Eltern enthoben, da werden sie doch sicher auch der irdischen Pflicht gegen sie enthoben sein; und dennoch bemerken wir hier in diesem vierten Saale dieses Gebot auf der Tafel gezeichnet. Soll es etwa für diese Kinder auf den Herrn bezogen werden? Das ließe sich allerdings hören, wenn nur darunter nicht der Verheißungssatz stände: „Auf daß du lange lebest und es dir wohl gehe auf Erden." - Stünde es: „Auf daß du ewig lebest und es dir wohl gehe im Himmel", - da wäre eine solche Transversion des Gesetzes gar überleicht zu verstehen; aber eine zeitliche Verheißung im ewigen Reiche der Geister klingt denn doch etwas sonderbar.

06] Was meint ihr wohl, das sich hier wird thun lassen, um diesem Gesetze ein vollgegründetes göttliches Ansehen zu verschaffen? - Ihr zucket da freilich mit den Achseln, und saget so ganz leise in euch: Lieber Freund und Bruder! Wenn es hier auf unsere Erörterung ankommt, da wird es mit der reingeistig göttlichen Sphäre dieses Gesetzes einen bedeutenden Haken haben; denn nach obiger Betrachtung läßt sich da mit so leichter Mühe, als man glaubt, eben nicht gar zu viel Geistiges herausfinden.

07] Ich sage euch aber, daß eben dieses Gebot, wie beinahe kein anderes, am meisten rein geistig ist. - Ihr machet da große Augen; aber darum ist die Sache doch nicht anders. Damit ihr aber Solches auf einen Hieb erschauet, so will ich nichts Anderes thun, als dieses Gesetz nur mit etwas umänderten Worten sagen, wie es auch hier in diesem Lehrsaale vorgetragen wird, und ihr werdet die Fülle der Wahrheit sogleich erschauen. - Wie also lautet es aber hier? - Höret!

08] „Kinder! Gehorchet der Ordnung Gottes, welche ausgeht aus Seiner Liebe und Weisheit (d. i. Vater und Mutter) auf daß ihr lange lebet auf Erden unter Wohlergehen. - Was ist langes Leben, und was ist dagegen ewiges Leben? - das lange Leben bezeichnet das Leben in der Weisheit; und es wird „lang" nicht die Dauer, sondern die Ausbreitung und die stets größere Mächtigwerdung des Lebens verstanden; denn das Wort oder der Begriff „Leben" schließt ja schon für sich die ewige Dauer ein. Aber das Wort „lang" bedeutet ja durchaus keine Dauer, sondern nur eine Ausbreitung der Lebenskraft, mit welcher das lebende Wesen stets mehr und mehr in die Tiefen des göttlichen Lebens langet, und eben dadurch sein eigenes Leben stets vollkommener, fester und wirksamer macht.

09] Dieses hätten wir; aber das Wohlergehen auf Erden, was besagt denn das? Nichts Anderes, als das Sich zu eigen machen des göttlichen Lebens; denn unter der „Erde" wird hier das Eigenwesen verstanden, und das Wohlergehen in diesem Wesen ist nichts Anderes, als das freie Sein in sich selbst nach der sich völlig eigengemachten göttlichen Ordnung.

10] Diese kurze Erklärung genügt, um einzusehen, daß eben dieses Gesetz völlig rein geistiger Art ist. Wenn ihr es bei Muße genauer durchprüfen wollet, so werdet ihr es auf eigener Erde finden, daß es also ist. - Also aber wird es auch hier praktisch den Kindern beigebracht, und das mit dem größten Nutzen. - Da wir aber nun Solches wissen, so begeben wir uns sogleich in den fünften Saal.

01] Das vierte Gebot, wie ihr es auf der Erde habt, lautet: »Ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebest und es dir wohlgehe auf Erden«. - Dieses Gebot ist so gut göttlichen Ursprunges wie die ersten drei. Was gebietet es aber und was verheißt es? Nichts anderes als den Gehorsam der Kinder gegen ihre Eltern und für diesen Gehorsam eine zeitliche Vergünstigung.

02] Kann da nicht jedermann fragen und sagen: Wie, ein göttliches Gebot sanktioniert sich bloß durch zeitliche Verheißungen und hat nichts Ersichtliches im Hintergrunde, darin ewige geistige Vorteile geboten werden? Was liegt wohl an solch einer zeitlichen Vergünstigung? Was liegt am Wohlleben, was am langen Leben, wenn nach demselben nichts Höheres folgt?

03] Es ist wahr: gut und lange leben ist besser als kurz und schlecht. Wenn aber am Ende des Lebensabschnitts der unwirtliche Tod erscheint, welchen Vorzug hat das gute und lange Leben vor dem schlechten und kurzen? Ich meine, dazu braucht man eben kein Fundamental-Mathematiker zu sein, um sagen zu können: der Unterschied läuft überall in eine reine Null aus; denn der erste überkommt so gut wie der zweite ein barstes Nichts, und es fragt sich dann wenig, wie der Weg zu diesem Empfange beschaffen war, ob gut oder schlecht.

04] Also wäre denn, nach diesem Maßstabe betrachtet, das vierte Gebot auf einem sehr schlüpfrigen Grunde basiert, und die Eltern wären fürwahr übel daran, so ihre Kinder mit solcher Philosophie schon auf die Welt geboren würden, und die Kinder selbst würden bei solcher Betrachtung wenig Grund finden, ihren Eltern zu gehorchen. - Ferner läßt sich über dieses Gebot noch folgende kritische Betrachtung anstellen: Wie das Gebot klingt, so hat es nur eine zeitliche Basis, also bloß die Pflicht der Kinder gegen ihre Eltern darstellend.

05] Es fragt sich demnach: Was soll es denn mit diesem Gebote hier im Geisterreiche, wo die Kinder ihren Eltern auf ewig enthoben sind? Sind sie aber ihrer Eltern enthoben, da werden sie doch sicher auch der irdischen Pflicht gegen sie enthoben sein. Dennoch bemerken wir hier in diesem vierten Saale dieses Gebot auf der Tafel gezeichnet. Soll es etwa für diese Kinder auf den Herrn bezogen werden? Das ließe sich allerdings hören, wenn darunter nur nicht der Verheißungssatz stände: »Auf daß du lange lebest und es dir wohl gehe auf Erde?«. Stünde da: »Auf daß du ewig lebest und es dir wohl gehe im Himmel«, da wäre eine solche Transversion des Gesetzes gar leicht zu verstehen; aber eine zeitliche Verheißung im ewigen Reiche der Geister klingt denn doch etwas sonderbar.


06] Was meint ihr wohl, was sich hier wird tun lassen, um diesem Gesetze ein vollgegründetes göttliches Ansehen zu verschaffen? Ihr zucket da freilich mit den Achseln und sagt ganz leise in euch: Lieber Freund und Bruder! Wenn es hier auf unsere Erörterung ankommt, da wird es mit der reingeistiggöttlichen Sphäre dieses Gesetzes einen bedeutenden Haken haben; denn nach obiger Betrachtung läßt sich da mit leichter Mühe so, wie man glaubt, eben nicht gar zuviel Gistiges herausfinden.

07] Ich sage euch aber, daß eben dieses Gebot, wie beinahe kein anderes, rein geistig ist. Ihr macht nun zwar große Augen; aber darum ist die Sache doch nicht anders. Damit ihr aber solches auf einen Hieb erschaut, so will ich nichts anderes tun, als dieses Gesetz mit etwas umgeänderten Worten sagen, wie es auch hier in diesem Lehrsaale vorgetragen wird, und ihr werdet die Fülle der Wahrheit sogleich erschauen. Wie aber lautet es hier? - Höret!

08] Kinder! Gehorcht der Ordnung Gottes, welche ausgeht aus Seiner Liebe und Weisheit (d.i. Vater und Mutter), auf daß ihr lange lebet auf Erden unter Wohlergehen. Was ist langes Leben, und was ist dagegen ewiges Leben? Das »lange Leben«. bezeichnet das Leben in der Weisheit; und es wird »lang« nicht als Dauer, sondern als Ausbreitung und stets größere Mächtigwerdung des Lebens verstanden; denn das Wort oder der Begriff »Leben« schließt ja schon für sich die ewige Dauer ein. Aber das Wort »lang« bedeutet durchaus keine Dauer, sondern nur eine Ausbreitung der Lebenskraft, mit welcher das lebende Wesen stets mehr in die Tiefen des göttlichen Lebens gelanget, und eben dadurch sein eigenes Leben stets vollkommener, fester und wirksamer macht.

09] Dieses hätten wir; aber das »Wohlergehen auf Erden« was besagt denn das? Nichts anderes als das Sich-zu-eigen-machen des göttlichen Lebens, denn unter der »Erde« wird hier das Eigenwesen verstanden, und das Wohlergehen in diesem Wesen ist nichts anderes als das freie Sein im sich selbst nach der völlig sich zu eigen gemachten göttlichen Ordnung.

10] Diese kurze Erklärung genügt, um einzusehen, daß eben dieses Gesetz völlig rein geistiger Art ist. Wenn ihr es bei Muße genauer nachprüfen wollt, so werdet ihr es auf eigener Erde finden, daß es also ist. Also aber wird es auch hier praktisch den Kindern beigebracht, und das mit dem größten Nutzen. - Da wir aber nun solches wissen, so begeben wir uns sogleich in den fünften Saal. -

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