Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 97. Kapitel: Adams Bekenntnis.

01] Nach dieser Rede Asmahaels aber erhob sich alsbald wieder der Adam und konnte sich nicht halten in seinem auf lebenslang ausgesprochenen Schweiggelübde, welches er ohnehin vorher schon mit Seth hinterging, sondern begann alsbald folgende Rede gleich einem Selbstbekenntnisse von sich zu geben, sagend:

02] »Höret ihr alle, Kinder der Linie wie der Seitenlinie: Ich habe schon neunhundertundzwanzig Steine niedergelegt, jährlich einen, sooft nach dem Winter die ersten Blümchen die nackte Erde zu schmücken angefangen hatten.

03] Bis jetzt war es beständig mehr oder weniger Nacht in mir, und all mein vermeintliches Licht war kein Tageslicht, sondern nur des Mondes trüglicher, flüchtiger Schimmer, der kaum hinreicht, um durch ihn einen Gegenstand der äußeren Form nach zu erschauen; aber was die Farbe betrifft, die da ist ein erquickender Abglanz der göttlichen Wahrheiten und tiefsten Geheimnisse des inneren Lebens, so ist und bleibt nur eine getreu, nämlich allein die gelbe Farbe des Todes, - alle anderen sind vernichtet und umgewandelt, daß sie dann sind, als wären sie gar nicht.

04] Wer möchte es zählen, was alles mir in meiner mit geringem Erfolge lange durchlebten Nacht aufgefallen ist, über wie vieles ich nachgedacht und oft auch fruchtlos geweint habe, wie oft ich zu meinem Gott und eurem Gott gebetet und geseufzt habe?! Euch gab ich Licht; ich selbst aber blieb beständig in dem betrüglichen Schimmer der unverweisbaren Nacht meines eigenen Herzens begraben. Nichts vermochte mich dauernd im Lichte zu erhalten. Die Reden Henochs und aller anderen, von gutem und wahrem Geschmacke, waren gleich den nächtlichen Blitzen, deren grelles Licht wohl auf Augenblicke die Fluren der Erde erleuchtet, aber gleich darauf das erstaunte Auge des Forschers mit der dicksten, undurchdringlichsten Finsternis straft. Und wahrlich, liebe Kinder, mir ging es nach jeder Rede um kein Haar besser! Denn ich verstand gerade das, was da gesagt wurde; so ich aber daraus vor- und rückwärts zu denken und zu forschen begann, da wollte der schwache Schimmer nicht mehr ausreichen, und mir ward der ferne Baum zu allem, was meine Einbildung aus ihm machen wollte, - nur zur bleibenden Wahrheit ward er mir nicht! Und um nichts besser war das Licht der nächtlichen Blitze. Ich glaubte oft, die Sache anfassen zu müssen; allein ehe ich mich noch selbst fassen konnte ob des plötzlich starken Glanzes, mußte ich denn alsbald wieder gewahren, daß nicht nur der Gegenstand, nach dem meine Hand greifen wollte, sondern auch die fruchtlos ausgestreckte Hand meiner Sehe in der undurchdringlichsten Nacht entschwunden war.

05] Wahrlich, selbst die gestrige höchst unerwartete, allergnädigste Erscheinung des Herrn war, obschon sie begleitet war von dem unerhörtesten Liebes- und Gnadenlichte, für mich nicht viel besser als ein überaus starker Blitz in der finsteren Nacht!

06] Solange der Herr unter uns verweilt hatte, glaubte ich alles zu verstehen; allein als Er uns wieder sichtbar verließ, war ich auch alsbald genötigt, mir von Henoch eine Erläuterung der unergründlich tiefen Rede Jehovas zu erbitten.

07] Henoch hat es getan, und zwar aus dem Herrn Selbst; allein für meine Nacht war sein Fünklein zu schwach, und ich verstand - in aller Wahrheit zu reden - nach- wie vorher nichts als nur die Worte, aus der die schöne; herrliche Rede bestand.

08] O Kinder, höret und freuet euch mit mir; diese lange Nacht hat bei mir nun ihr Ende erreicht.

09] Kein Mondesschimmer, kein Blitzlicht mehr ist es, das mich nun für ewige Zeiten überhelle durchleuchtet, nein, - sondern Jehovas Sonne, des ewigen Lebens ewiger Tag ist in mir aufgegangen!

10] O Asmahael! Asmahael! Wer Worte redet wie Du, die lebendig sind wie Gott Selbst, wahrlich, der ist kein Fremdling, sondern ist gar wohl zu Hause in eines jeden Menschen Herzen!

11] Asmahael, vergib mir Schwachem vor Dir, daß ich es noch wagen mag, vor Dir meine Stimme ertönen zu lassen!

12] Dein Wort ist kein eingegebenes Wort, sondern es ist Dein eigenes! Nun ist mir alles klar, warum die Kinder vor mir schweigen mußten!

13] Mein Gott und mein Herr! Laß auch mich schweigen, auf daß Du uns nicht verlassen möchtest! Dein heiliger Wille! Amen.«


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