Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


15] Wenn Ich nun also frage, welche bewegende Kraft setzt denn die Pflanze in ihrem Organismus in den Stand, daß sich die Organe in ihr verhältnismäßig erweitern und dadurch die Luft gleich einem Blasebalg in sich saugen? Da werdet ihr sagen: »Das ist ja eben der Punkt, wo es bei uns noch hapert!« - Allein ihr sollt von eurer »Haperei« sogleich befreit werden, müsst aber zuvor einen sorgfältigen Blick werfen auf die zahllosen, oft kleineren und oft größeren rauhen Spitzchen, welche sowohl den Stamm oft ganz, besonders aber die untere Seite der Blätter, anfüllen.

16] Seht, diese Spitzchen sind nichts anderes als lauter Elektrizitäts-Sauger. Sie saugen begierig dieses polarische Fluidum den ganzen Tag über in sich - und zwar an Tage das positive dieser Polarität. Durch dieses Insichsaugen der positiven Elektrizität, welche entspricht der Zentrifugal-Kraft, da sie in sich eine Fülle ausspricht, werden die Organe ausgedehnt, wodurch dann die Räume größer und größer werden und die Luft durch die Poren notwendig in sich saugen müssen.

17] Zur Nachtzeit aber ändert sich auch die elektrische Polarität, und das elektrische Fluidum entströmt durch die Spitzen oder entladet sich, wie ihr zu sagen pflegt, wodurch dann die Organe wieder enger aneinander treten und die durch die Polarität der Elektrizität selbst ausgeschiedene, unbrauchbare Kohlensäure- und Stickluft hinausstoßen, welche zwei Luftarten der negativen Polarität entsprechen.

18] Nun, da habt ihr die aufgelöste »Haperei«! - Nun werdet ihr sagen: »Jetzt haben wir's!« - Ich aber sage: Ihr habt es zwar wohl, aber eine Hauptsache geht uns noch ab. Und diese ist folgende: daß namentlich diejenigen Pflanzen, die da fortbestehen über den Winter, als dergleichen sind Gesträuche und Bäume, wie auch einige niedere Pflanzen, die dem Botaniker wohl bekannt sein werden, noch ein großartigeres periodisches Atmen haben, das im Verlaufe von einem Jahre einmal ein und einmal aus geschieht. Das heißt, den Sommer hindurch geschieht mit dem täglichen Atmen auch immerwährend das Haupteinatmen, und zwar auf folgende Art:

19] Es geht durch jeden speziellen Atemzug ein solcher Prozeß in dem Organismus des Baumes vor, daß, abgesehen von dem natürlichen Verbrauche der eingeatmeten Luft, immer noch etwas von dieser Luft in dem Organismus zurückbleibt, durch welchen Rest der Baum den Sommer hindurch ganz besonders sein Wachstum im Umfang fördert. Ist nun aber der Sommer vorüber, so wird der nicht verbrauchte, bedeutende Rest wieder hinausgeschafft, was teils in der groben Rinde, teils aber auch in dem an demselben häufig entstandenen Moose ersichtlich wird.



Home  |    Inhaltsverzeichnis 'Himmelsgaben' Band 1  |   Werke Lorbers