Jesus Christus: 'Himmelsgaben', Band 3, S. 261


08] Aber da ließ ihn sein Weib Tullia Innocentia rufen und vermeldete ihm insgeheim, wie sie gesehen mit klaren Augen, daß dieser Jesus auf den Wolken der Himmel daherschwebte, begleitet von zahllosen Myriaden der wunderseltsamsten Genien, - alle schrien mit Donnerstimme: "Heil unserem großen Gott; Heil dem ewigen allmächtigen Überwinder des Todes und der Hölle! - Wehe aber dir, Jerusalem; wehe euch, die ihr darinnen wohnet, euer Los wird sein der ewige Tod, die ewige Vernichtung, darum ihr Jesum nicht erkennt und Ihn richtet und Ihn kreuziget! - Dem allein Gerechten aller Gerechtigkeit sei ewig Ehre, Ruhm und alles Heil! - Darauf blickte dieser Jesus nach der Erde herab, und siehe, da erbrannte der ganze Erdkreis, und es war alles ein Feuer, und alles, was da atmet, wurde von diesem Feuer verzehrt! - Daher, lieber Pilatus, habe nichts zu schaffen mit diesem Gerechten!" -

09] Diese Erzählung machte den Pilatus, der als Römer große Stücke auf derlei Erscheinungen hielt, gar mächtig stutzen, so daß er bei sich fest beschloß, mit Jesu nichts weiteres mehr vorzunehmen, als Ihn dem Gerichte des Herodes anheimzustellen, der in solchen fraglichen Dingen wohl auch ein Ius gladii hatte, laut dessen er auch Johannes durfte enthaupten lassen. - Herodes aber roch hier den Braten und wußte gar wohl, daß ihm alles Volk wegen Johannes aufsässig ist; würde er nun auch Christum töten, so würde ihn das Volk zerreißen. Daher sandte er Jesum, den viele für Christum hielten, fein wieder zu Pilatus zurück.

10] Pilatus versuchte nun alle Mittel, Jesum frei zu machen; aber es war alles vergebliche Mühe, bis er endlich in höchster Entrüstung sich öffentlich die Hände wusch und sprach: "Ich will keine Schuld haben am Blute dieses Gerechten! - Ihr aber habt selbst ein Gesetz; nehmt ihn und richtet ihn!" - Da schrien dann die hohen Priester: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! - Wir aber dürfen unsere Hände nicht mit Blut besudeln; daher gib uns römische Soldaten!"

11] Als Pilatus das vernahm, da gedachte er der alten Sitte, laut der er dem jüdischen Volke zu seinem Paschafeste einen Verbrecher freigeben mußte. Er wandte sich daher noch einmal zu der Menge der Jesus-Feinde und bekannte, wie er an Jesu zufolge so kurzer Untersuchung durchaus keine Schuld finden könne, daß es daher nötig sei, um ein richtiges und vollgerechtes Urteil zu schöpfen, diesen Menschen länger zu verhören und in allen Stücken zu untersuchen. Zugleich aber sei es ohnehin Sitte, am Feste einen Verbrecher dem Volke freizugeben; nun stelle er ihnen Jesum, dessen Schuld noch nicht erwiesen sei, und Barabbas, den berüchtigten Raubmörder, zur freien Wahl, welchen von beiden sie wollten? - Sie alle aber schrien: "Barabbas!"

12] Das aber war es eben, was eigentlich Pilatus wünschte und wohl wußte, daß diese aufgereizte Priestermenge nicht Jesum freirufen werde; denn nur dadurch glaubte er Ihn frei zu machen, daß, so sie Barabbas frei haben werden, dann an seiner Stelle Jesus ins Gefängnis kommen werde, und so könnte dadurch dann allem mit der Zeit geholfen sein. Denn fürs erste wäre dadurch den Priestern das Maul gestopft, und er könnte fürs zweite dadurch den Priestern beim römischen Hofe bedeutende Schanzen legen, die sie schwerlich durchbrechen würden.



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