Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


84. Kapitel: Die Sage von der Entstehung der Stadt Ostrazine. Des Cyrenius Zukunftssorge wegen der Göttertempel. (04.12.1843)

01] In der Freie (Im Freien) angelangt, fingen Joseph und Cyrenius sich über so manche Dinge zu besprechen an, während unter der Zeit Maria das Kindlein versorgte im Hause,

02] und die Söhne Josephs sich abgaben mit der Beordnung des Hauswesens, wobei ihnen die Dienerschaft des Cyrenius so manche Dienste leistete.

03] Nach mehreren weniger gehaltvollen Gesprächen zwischen Joseph und Cyrenius in Begleitung des Maronius Pilla aber kam auch ein wichtiger Punkt zur Sprache, und dieser lautete also, und das aus dem Munde des Cyrenius:

04] »Erhabener Freund und Bruder! Siehe, die Stadt und das ganze große Gebiet, welches noch zur Herrschaft der Stadt gehört, zählt bei achtzigtausend Menschen sicher!

05] Darunter gibt es nur sehr wenige deines Glaubens und deiner Religion.

06] Sie sind zumeist mehr oder weniger seit Jahrtausenden meines Wissens Erzgötzendiener.

07] Ihre Götzentempel haben sie alle in dieser uralten Stadt, von der die Mythe sagt, sie sei bei Gelegenheit der Götterkriege mit den Giganten der Erde erbaut worden, und das von Zeus selbst zum Zeichen des Sieges über diese Giganten der Erde.

08] Merkur habe die Knochen der Giganten sammeln und sie versenken müssen ins Meer; dadurch sei dieses Land entstanden.

09] Über diese Gigantenknochen habe Zeus dann einen ganzen Monat hindurch Sand und Asche regnen lassen und mitunter große und schwere Steine.

10] Darauf habe Zeus die alte Ceres beordert, sie solle dieses Land fruchtbar machen und in seiner Mitte nicht zu ferne vom Meere eine Burg und eine Stadt erbauen zum Zeichen des großen Sieges.

11] Zeus selbst aber werde dann ein Volk aus der Erde rufen, welches für alle Zeiten der Zeiten dieses Land und diese Stadt bewohnen solle. -

12] Aus dieser meiner Kundgabe wirst du nun leicht ersehen, daß eben dieses Volk, wie nicht leichtlich ein anderes irgend auf der Erde, noch fest der Meinung ist, die Stadt zu bewohnen, welche die Götter selbst erbaut haben,

13] aus welchem Grunde du denn auch die überaus zerlumpten Wohnhäuser allzeit ersiehst, indem sich kein Mensch an dem Werke der Götter etwas auszubessern getraut, um sich nicht zu versündigen gegen sie.

14] Ganz besonders soll die alte Ceres mit Hilfe des Merkur und des Apollo die Tempel eigenhändig erbaut haben. -

15] Das ist die Mythe und zugleich der noch feste Glaube dieses sonst gutmütigen Volkes, welches trotz seiner Armut sehr gastfreundlich und ausnahmsweise ehrlich ist.

16] Was aber wird nun hier zu tun sein, wenn das Volk etwa die Wiederherstellung der Tempel verlangt?

17] Soll man ihm die Tempel wieder aufbauen oder nicht, oder soll man es bekehren zu deiner Lehre?

18] Und tut man das, was werden die benachbarten Völker dazu sagen, die auch nicht selten diese Stadt besuchen, die nun um so mehr, wie freilich schon seit gar langen Zeiten, mehr eine Ruine als eine eigentliche Stadt ist?«



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