Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


128. Kapitel: Des Cyrenius Belehrung über die verheißenen Zupfereien des Herrn. Josephs Erklärung über die wunderbaren Erscheinungen in der Natur. (29.01.1844)

01] Nachdem also alles wieder zur Ordnung und Ruhe gebracht ward, da richtete Sich das Kindlein auf und sprach zu Cyrenius:

02] »Höre Mich an, du edelherziger Mann! Erinnerst du dich noch dessen, wie Ich den Bruder Jakob bei den Haaren zupfte?!

03] Siehe, da wolltest du, daß Ich auch dich bei den Haaren zupfen sollte!

04] Ich versprach dir solches, und siehe, nun halte Ich auch schon Mein Versprechen;

05] denn all die kleinen Überraschungen, die dir seither vorkamen sind nichts als die dir verheißenen Zupfereien bei den Haaren!

06] Wenn dir aber in Zukunft wieder solche vor- und zukommen werden, da erinnere dich dieser Meiner Worte und fürchte nichts, und werde nimmer zornig!

07] Denn du wirst darob kein Haar verlieren. Dem Ich solches tue, den liebe Ich, und der hat nichts zu fürchten weder in dieser noch in der andern Welt!«

08] Dem Cyrenius kamen bei dieser Erklärung des Kindleins die Tränen und er wußte sich vor lauter Liebe und Dank nicht zu helfen.

09] Es vernahmen aber auch viele umstehende Heiden solche Rede des Kindleins und erstaunten über alle Maßen, wie dies Kindlein von einem Vierteljahre Alters also vollkommen weise und klarst zu reden vermöge.

10] Und es wandten sich einige an den Joseph und fragten, wie doch solches zuginge, daß dies Kindlein in so frühester Zeit also vollkommen ausgebildet zu reden vermöchte!

11] Hier zuckte Joseph mit den Achseln und sprach: »Liebe Freunde! Auf der großen Erde, und besonders im Gebiete des Lebens, zeigen sich hier und da die wunderbarsten Erscheinungen.

12] Sie geschehen vor unseren Augen zwar, aber wer kann die geheimen Gesetze einer schaffenden Gottheit bestimmen, nach denen sie solches wirkt?

13] Fürwahr, wir treten, als selbst die größten Wunder, der Wunder Unzahl täglich mit unseren Füßen - und beachten sie kaum!

14] Wer von uns aber weiß, wie dieses zahllose Wunderwerk entsteht - wie das Gras, wie der Baum, wie der Wurm, wie die Mücke, wie der Fisch im Wasser?

15] Fürwahr, uns bleibt da nichts übrig, als die Wunder zu betrachten und den großen heiligen Werkmeister derselben zu rühmen, zu loben und anzubeten!«

16] Diese Erklärung Josephs beruhigte vollkommen die fragenden Heiden,

17] und sie sahen von diesem Augenblicke die ganze Natur mit ganz anderen Augen an.

18] Sie zerstreuten sich dann nach allen Seiten des freien Berges und betrachteten die Wunder der Schöpfung.

19] Cyrenius aber wandte sich dennoch heimlich an Joseph und fragte ihn, ob er solches im Ernste nicht wüßte.

20] Und Joseph beteuerte ihm das und sprach: »Wende dich darob an das Kindlein; das wird dir sicher die beste Auskunft geben!«



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