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Kapitelinhalt 181. Kapitel: Bathianyi und Miklosch über diese Szene. Minerva macht den letzten Schritt. Das herrliche Himmelsgewand als Lohn. Mögliche Folgen der vollen Erlösung Satanas.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Sagt einmal der Graf Bath., den diese Szene schon ein wenig zu langweilen beginnt: „Freund Miklosch, du bist wahrlich ein prächtiger Wiedergeber des Geschauten, und es ist äußerst interessant dich anzuhören; aber was wahr ist, das ist wahr; diese Geschichte zwischen dem wohlkondizionirten Kado, und der sogenannten Minerva, die besser Luziferina oder gerade „Satan" hieße, wird etwas langweilig. Ich bewundere nur die ungeheuere Geduld des Herrn, wie auch die der Erzväter, der Profeten und Apostel! Diese betrachten diese nun höchst einförmig gewordene Szene, als läge da, Gott der Herr weiß es, was für eine ungeheuere Wichtigkeit daran. Ich für mich finde nun stets weniger daran; es fängt die ganze Geschichte nun stets mehr und mehr an, das Gesicht eines allerfadesten Romanes zu bekommen, der so angelegt ist, daß er sich ganz kommod eine ganze Ewigkeit fortspinnen kann. Der Kado verdient wahrlich allen Respekt, aber die Min. ist ein feines Luder, ein wahrer Proteus, der sich in alle Gestalten, Formen und Elemente verwandeln kann, und somit auch gar nie zu fangen ist. Kado ist zwar wohl ein höchst politisch feiner Kauz; aber sie ist bei all ihrer Luderei dennoch pfiffiger als er, und ich fürchte sehr, daß es ihm bei aller seiner wahrlich wunderbaren Karakterstärke nie gelingen wird, sie zu diesem letzten Schritte zu bewegen. Sie stellt sich zwar hie und da, als wäre, sie blöde; aber von ihrem innersten verborgenen Plane läßt sie ja weislich nichts merken. Er solle sie lehren. Von dem Unterrichte möchte ich mir auch ein Exemplar ausbitten. Auskosten will sie ihn ganz; dann wird sie schon wissen, was sie thun wird. O, das ist eine Kanaille non plus ultra! Gieb nun nur wieder weiter Acht, Bruder und Freund Miklosch; du wirst sehen, daß ich Recht habe!"

02] Sagt Mikl.: „Lassen wir das alles nur dem Herrn über; ich meine, daß da am Ende schon alles recht werden wird." (Am 5. April 1850) Sagt Bath.: „Ja, ja, das meine ich auch; es wird am Ende alles gut werden; aber wann wird dieß Ende kommen? Wir werden es wohl sicher erleben, weil wir ewig leben werden; aber der Faden der Ewigkeit ist ein ganz entsetzlich langer, und die Meilenzeiger sind auf diesem ewigen Fadenwege der Ereignisse und Zustände ganz entsetzlich weit auseinandergerückt. Ueber welchem dieser endlos vielen Meilenzeiger aber der Herr das große Finis coronat opus geschrieben hat, das weiß nur Sein heiliger Geist; wir Alle zusammen aber wissen so viel als nichts; und es ist unsereinem daher sehr gut zu verzeihen, so man bei der nur sicher zu sehr ersichtlichen Lumperei der schönen „Minerva" notgedrungen auf die Idee gerathet, der zufolge diese Geschichte zwischen dem Kado und der sogenannten Minerva wohl schwerlich ewig je zu einem Ende kommen werde."


03] Spr. Miklosch: „Weißt du, Brudr, was da mich betrifft, so kümmert mich das nun im Grunde sehr wenig; im Uebrigen interessirt mich diese Geschichte ganz außerordentlich; denn das ist sicher keine Alltagsgeschichte. Zwei allerdurchtriebenste Geister der Hölle liegen sich in den Haaren, und es wird sich da bald zeigen, welcher aus ihnen den Sieg davon tragen wird. Ich halte es noch immer mit Kado." - Spricht Bathiani: „Ich auch; denn am Ende, so es überhaupt ein Ende giebt, soll denn doch hoffentlich die gute Sache obenauf zu stehen kommen. Aber für diese steht die Geschichte noch ganz verzweifelt schiefrig da; siehe du aber nun nur wieder hin zu dem sonderbarsten Dunste, und erzähle uns nach deiner ausgedehnten Weise, was dort vor sich geht."

04] Miklosch schauet hin, und sagt: „Schaue auch du so wie ich gleichfort hin, und du wirst nun ja ebenfalls ersehen können, wie die Min. nun ganz freundlich dem Kado die schönste Hand reichet, und dieser dafür zu ihr sagt: »Das nützt dir nichts, denn alles, was du mir aus deinem Wollen zur Annahme anträgst, kann und darf ich nicht eher annehmen, als bis du alles Verlangte, also auch den letzten Schritt gemacht haben wirst. Hebe den Fuß, und setze ihn an den meinigen her, dann hast du deine Aufgabe gelöst, und bist zu deiner Freiheit wieder gelanget; von da angefangen werde ich dann, wie ich es dir oft genug versprochen habe, auch manches thun können, was du von mir wünschen wirst!«

05] Spricht die Min.-S.: »Nun denn, um zu erfahren, wie du dein Wort halten wirst, und was machen mit mir, so hebe ich meinen rechten Fuß vom Boden, und setze ihn an den deinigen hin! Alle Himmel und alle Höllen sollen mir ein lautestes Zeugniß geben, ob ich Jemandes Willen so weit nachgekommen bin, als dem deinigen. Aber wehe, wehe, wehe dir Kado, so du mich nur im geringsten hintergangen haben solltest, da ich dich liebe! Ich müßte an dir die fürchterlichste Rache nehmen, eine Rache, die noch nie da war!«

06] Die Minerva hebt nun ihren rechten Fuß im Ernste vom Boden, und setzt ihn ganz zum Fuße des Kado hin, und sagt: »Nun habe ich erfüllet, was du verlangtest von mir; und nun, was wohl wirst du thun?«

07] Spricht nun Kado: »Hebe auch den andern, dann erst hast du die dir gegebene Bedingung ganz gelöset, und ich werde dir dann alles sagen, was ich thun werde. Im Grunde habe ich es dir schon ohnehin gesagt, was darnach geschehen werde, so du dir meinen Willen wirst eigen gemacht haben; aber da du stets ein sehr kurzes Gedächtniß zu haben scheinst, so werde ich darnach das schon zu öfternmalen Gesagte ganz kurz wiederholen. Aber zuvor muß der letzte Schritt ganz und nicht nur blos zur Hälfte gemacht werden. Darum also noch mit dem andern Fuße aus der Gefangenschaft, und es wird dann sogleich alles Andere in der besten Ordnung sich befinden.«

08] Spr. die Minerva: »Nun, mir scheint es, daß deine sauberen Begehrungen an mich nimmer ein Ende nehmen werden. Wie kann ein ganzer Schritt, der stets nur nach der Vorwärtssetzung des einen Fußes gerechnet wird, darum nur ein halber Schritt sein? Siehe, das ist ein reinster Unsinn! Aber weil ich schon so viel gethan habe, so will ich auch noch das thun; aber siehe dich vor, daß ich dich dann ja nicht verlasse; denn du weißt es, daß mir dann der freieste Abzug und Rücktritt in meinen vorigen Zustand gestattet ist, und zwar als eine Hauptbedingung zu dieser meiner mich unter alles Luderwerk entwürdigenden Handlung nach deinem Willen.«

09] Nun hebt sie auch im Ernste den zweiten Fuß nach, und sagt (Min.-S.): »Jetzt ist es vollbracht; ich habe deinen Willen ganz erfüllet; nun was geschieht jetzt?« - Spricht Kado: »Endlos Holdeste! hier löse das Bündel auf; nehme das Gewand heraus, und bedecke deine mein ganzes Wesen zu mächtig aufregenden bloßen Reize!«

10] Die Minerva beugt sich sogleich nieder, löset das Bündel auf, und als sie im selben ein karmin-rothes mehr als die Sonne hell strahlendes Kleid mit einer schweren Menge strahlendster Diamanten und Rubinen besetzt erschauet, erschrickt sie vor dieser ungeheuern Lichtmasse, so daß sie in Anwandlung von einer barsten Lustschwäche förmlich zu Boden sinkt, und nun in einer Art Betäubung vor dem Kado nahe ohne Regung liegt.

11] Kado fragt sie nun sagend: »Nun Minerva, wie ist es dir? gefällt dir das urkönigliche Gewand? Habe ich dich angelogen, oder - habe ich dir die Wahrheit gesagt? Was hältst du nun von mir?«

12] Die Minerva vor lauter Staunen kaum der Sprache mächtig, spricht mit einer etwas bebenden Stimme: »Kado, Kado, das ist zu viel, zu groß, zu herrlich! Ich kenne doch alle Himmel, und deren Einwohner; aber mit so einem Kleide habe ich allda noch nie Jemanden angethan gesehen, nicht einmal die Gottheit in ihrem unzugänglichsten Lichte. Wie solle ich nun aus meiner ärgsten und tiefsten Verworfenheit kaum ein wenig auftauchend solch ein Feuergewand anzunehmen und am Ende gar zu tragen im Stande sein? Ich habe daran zwar eine unbeschreibliche Freude; aber anzuziehen wage ich es wahrlich nicht; denn das Tiefste der Hölle kann nicht sobald mit dem Höchsten der Himmel einen zu schnell veranlaßten Bund eingehen! Da gehört noch eine lange Dauer, in der ich über mein langes höllisch grundböses Wirken und Handeln nachdenken und mich über dasselbe mehr und mehr werde hinaussetzen können. Denn wohl bedenke, daß ich der Urgrund alles Bösen und alles Gerichtes bin. Wie und wann ich mich aber über diese meine höchst böseste Stellung werde erheben können! o Kado! wie sehr ferne noch ist eines solchen Zeitraums Herbeikommen!«

13] Spricht Kado: »Thörin! zähle die Sonnen im endlosen Raume, zähle die Planeten alle, die nicht selten zu Trillionen um eine einzige und letztere Zentralsonne wie Atome im Aether umherkreisen, die noch lange keine Haupt-Zentralsonne ist; zähle den gerichteten Sand nur eines kleinsten Planeten; summire alle die atomistischen Materiepartikeln, die im endlosen Aethermeere des ewigen Raumes als gerichtet rasten, und über ihren kleinen Rücken das Licht von einer Unendlichkeit zur andern tragen müssen; sieh', das alles ist arg gerichtet aus deinem höchst eigenen Gerichte. Wie lange wohl müßtest du da zählen, und wie viel denken, bis du den Grund eines jeden gerichteten Atomes der ganzen Unendlichkeit durchsähest und durchdächtest, um dich in dir selbst dann darüber hinaus erheben zu können! - Sieh, das wäre im höchsten Grade eitel und thöricht; daher thue du das, was ich dir zu deiner wahren Freiwerdung anrathe, und du wirst der ganzen ewigen Großrechnung nicht bedürfen, um wahrhaft frei, dadurch auch der allmächtigen Gottheit in Ihrer Jesus-Menschheit wohlgefällig zu werden.«


14] Spr. die Min.S.: »Geliebtester Kado, du hast wohl recht, ich sehe es ein; aber nur den gewissen Namen spreche mir nicht mehr aus; - denn dieser Name ist für mich im höchsten Grade unerträglich. Ich kann dir's zwar nicht sagen: Warum? aber es ist einmal so. Der Name brennt mich mehr, denn alles Feuer der Hölle.«

15] Spr. Kado: »Siehe, das ist schon wieder im höchsten Grade dumm und thöricht von dir! Gerade in diesem Namen wie ewig in keinem andern, ist für dich und mich ein ewig wahres Heil zu erringen. Deßhalb lobe und preise du in der Zukunft lieber diesen Namen, so wirst du vollkommen siegen über alles zahllose Böse in deinem Herzen, und wirst dann einen wahrsten Triumf feiern über alles, was dich je zu solch einem großen fortlaufenden Abfalle von der ewigen Gottheit mag verleitet haben.«

16] Spricht die Min.-S.: »Guter Kado! du hast wohl viel leichter reden, denn ich, und hast auch Recht in allem; aber bedenke, wie viele Eonen ärmster Wesen schmachten nun noch in größter Qual, die ich ihnen bereitet habe! Wie solle ich überhaupt je frei und wahrhaft glücklich werden können, so lange die zahllosen durch mich unglücklich Gemachten in aller Qual schmachten müssen? Ich solle nun glänzen in diesem Kleide, und zahllose Kinder aus mir sollen meinetwegen schmachten, ewig schmachten; nein, nein, das geht nicht, das kann nicht sein!«

17] Spricht Kado: »Kümmere dich um was anders! Seit die Gottheit zum Körpermenschen ward, hat Sie auch die ganze materielle Schöpfung auf ihren Namen genommen, und jeden Menschen von dir im höchsten Grade unabhängig, und dem eigenen Gewissen zinsbar gemacht; alle Welt ruht nun auf der Schulter Gottes, und auf denen der freien Menschen, und du stehest mit der Gottheit schon lange in keiner Verrechnung mehr. Daher thue, was ich dir sage, und du wirst frei sein in Allem!«

01] Sagt nun der Graf Bathianyi, den diese Szene schon ein wenig zu langweilen beginnt: "Freund Miklosch, du bist wahrlich ein prächtiger Wiedergeber des Geschauten, und es ist äußerst interessant dich anzuhören. Aber was wahr ist, das ist wahr - diese Geschichte zwischen dem wohlkondizionierten Cado und der sogenannten Minerva, die besser Luziferina oder geradezu Satan hieße, wird etwas langweilig! Ich bewundere nur die ungeheuere Geduld des Herrn, wie auch die der Erzväter, der Propheten und Apostel! Diese betrachten diese nun höchst einförmig gewordene Szene, als läge da, Gott der Herr weiß es, was für eine ungeheure Wichtigkeit darin! Ich für mich finde nun stets weniger daran. Es bekommt die ganze Geschichte mehr und mehr das Gesicht eines allerfadesten Romanes, der so angelegt ist, daß er sich ganz kommod (bequem) eine ganze Ewigkeit fortspinnen kann. Der Cado verdient wahrlich allen Respekt! Aber die Minerva ist ein feines Luder, ein wahrer Proteus (Zauberer und Halbgott der griechischen Sage), der sich in alle Gestalten, Formen und Elemente verwandeln kann und somit auch gar nie zu fangen ist. Cado ist zwar wohl ein höchst politisch feiner Kauz. Aber sie ist bei all ihrer Luderei dennoch pfiffiger als er, und ich fürchte sehr, daß es ihm bei all seiner wahrlich wunderbaren Charakterstärke nie gelingen wird, sie zu diesem letzten Schritte zu bewegen. Sie stellt sich zwar hie und da, als wäre sie blöde. Aber von ihrem innersten, verborgenen Plane läßt sie weislich ja nichts merken. Er solle sie lehren! - Von dem Unterrichte möchte ich mir auch ein Exemplar ausbitten! Auskosten will sie ihn ganz! Dann wird sie schon wissen, was sie tun wird! - Oh, das ist eine Canaille non plus ultra! - Gib jetzt nur wieder weiter acht, Bruder und Freund Miklosch! Du wirst sehen, daß ich recht habe!"

02] Sagt Miklosch: "Lassen wir das alles nur dem Herrn über! Ich meine, daß da am Ende schon alles recht werden wird. - Sagt Bathianyi: "Ja, ja, das meine ich auch; es wird am Ende alles gut werden! Aber wann wird dies Ende kommen?! Wir werden es wohl sicher erleben, weil wir ewig leben werden; aber der Faden der Ewigkeit ist ein ganz entsetzlich langer, und die Meilenzeiger sind auf diesem ewigen Fadenwege der Ereignisse und Zustände ganz entsetzlich weit auseinandergerückt. Über welchem dieser endlos vielen Meilenzeiger aber der Herr das große »Finis coronat opus (das Ende krönt das Werk) geschrieben hat, das weiß nur Sein heiliger Geist, wir alle zusammen aber wissen so viel als nichts. Und es ist unsereinem daher sehr gut zu verzeihen, so man bei der nur sicher zu sehr ersichtlichen Lumperei der schönen Minerva notgedrungen auf die Idee geratet, daß diese Geschichte zwischen dem Cado und der sogenannten Minerva wohl schwerlich ewig je zu einem Ende kommen werde."

03] Spricht Miklosch: "Weißt du, Bruder, was da mich betrifft, so kümmert mich das nun im Grunde sehr wenig. Im übrigen interessiert mich diese Geschichte ganz außerordentlich, denn das ist sicher keine Alltagsgeschichte! Zwei allerdurchtriebenste Geister der Hölle liegen sich in den Haaren, und es wird sich da bald zeigen, welcher von ihnen den Sieg davontragen wird! - Ich halte es noch immer mit Cado." Spricht Bathianyi: "Ich auch! Denn am Ende, so es überhaupt ein Ende gibt, soll denn doch hoffentlich die gute Sache obenauf zu stehen kommen. Aber dafür steht die Geschichte noch ganz verzweifelt schiefrig da! - Sehe du aber jetzt nur wieder hin zu dem sonderbaren Dunste und erzähle uns nach deiner ausgedehnten Weise, was dort vor sich geht."

04] Miklosch schaut hin und sagt: "Schaue auch du, so wie ich, gleichfort hin, und du wirst nun ja ebenfalls ersehen können, wie die Minerva nun ganz freundlich dem Cado die schönste Hand reicht und dieser dafür zu ihr sagt: »Das nützt dir nichts, denn alles, was du mir aus deinem Wollen zur Annahme anträgst, kann und darf ich nicht eher annehmen, als bis du alles Verlangte, also auch den letzten Schritt gemacht haben wirst! Hebe den Fuß und setze ihn an den meinigen her, dann hast du deine Aufgabe gelöst und bist zu deiner Freiheit wieder gelangt! - Von da angefangen werde ich dann, wie ich es dir oft genug versprochen habe, auch manches tun können, was du von mir wünschen wirst!«

05] Spricht die Minerva: »Nun denn, um zu erfahren, wie du dein Wort halten und was du mit mir machen wirst, so hebe ich meinen rechten Fuß vom Boden und setze ihn an den deinigen hin! Alle Himmel und alle Höllen sollen mir ein lautestes Zeugnis geben, ob ich jemandes Willen je so weit nachgekommen bin wie dem deinigen! - Aber wehe, wehe, wehe dir Cado, so du mich nur im geringsten hintergangen haben solltest, da ich dich liebe! Ich müßte an dir die fürchterlichste Rache nehmen, eine Rache, die noch nie da war!!«

06] Die Minerva hebt nun ihren rechten Fuß im Ernste vom Boden und setzt ihn ganz zum Fuße des Cado hin und sagt: »Nun habe ich erfüllt, was du verlangtest von mir! - Und jetzt, was wirst du wohl tun?!«

07] Spricht nun Cado: »Hebe auch den andern! Dann erst hast du die dir gegebene Bedingung ganz gelöst, und ich werde dir dann alles sagen, was ich tun werde! Im Grunde habe ich es dir schon ohnehin gesagt, was darnach geschehen werde, so du dir meinen Willen wirst zu eigen gemacht haben. Aber da du stets ein sehr kurzes Gedächtnis zu haben scheinst, so werde ich darnach das schon zu öfteren Malen Gesagte ganz kurz wiederholen. Aber zuvor muß der letzte Schritt ganz und nicht nur bloß zur Hälfte gemacht werden! - Darum also noch mit dem andern Fuße aus der Gefangenschaft, und es wird dann sogleich alles andere in der besten Ordnung sich befinden!«

08] Spricht die Minerva: »Nun, mir scheint, daß deine sauberen Begehrungen an mich nimmer ein Ende nehmen werden! Wie kann ein ganzer Schritt, der stets nur nach der Vorwärtssetzung des einen Fußes gerechnet wird, darum nur ein halber Schritt sein? Siehe, das ist ein reinster Unsinn! - Aber weil ich schon so viel getan habe, so will ich auch noch das tun! Aber sehe dich vor, daß ich dich dann ja nicht verlasse! Denn du weißt es, daß mir dann der freieste Abzug und Rücktritt in meinen vorigen Zustand gestattet ist, und zwar als eine Hauptbedingung zu dieser meiner mich unter alles Denkbare entwürdigenden Handlung nach deinem Willen.«

09] Nun hebt die Minerva im Ernste auch den zweiten Fuß nach und sagt: »Jetzt ist es vollbracht! Ich habe deinen Willen ganz erfüllt! - Nun was geschieht jetzt?« - Spricht Cado: »Endlos Holdeste! Hier löse das Bündel auf! Nimm das Gewand heraus und bedecke deine mein ganzes Wesen zu mächtig aufregenden bloßen Reize!«

10] Die Minerva beugt sich sogleich nieder, löst das Bündel auf, und als sie im selben ein karminrotes, mehr als die Sonne hellst strahlendes Kleid, mit einer schweren Menge strahlendster Diamanten und Rubinen besetzt, erschaut, erschrickt sie vor dieser ungeheuern Lichtmasse, so daß sie, von einer barsten Luftschwäche angewandelt, förmlich zu Boden sinkt und nun in einer Art Betäubung beinahe ohne Regung vor Cado liegt.

11] Cado fragt sie nun, sagend: »Nun Minerva, wie ist es dir?! Gefällt dir das urkönigliche Gewand!? - Habe ich dich angelogen oder habe ich dir die Wahrheit gesagt? - Was hältst du nun von mir?«

12] Die Minerva, vor lauter Staunen kaum der Sprache mächtig, sagt mit einer etwas bebenden Stimme: »Cado, Cado, das ist zu viel, zu groß, zu herrlich! Ich kenne doch alle Himmel und deren Einwohner - aber mit solch einem Kleide habe ich allda noch nie jemanden angetan gesehen, nicht einmal die Gottheit in ihrem unzulänglichen Lichte? - Wie soll ich nun, aus meiner ärgsten und tiefsten Verworfenheit kaum ein wenig auftauchend, solch ein Feuergewand anzunehmen und am Ende gar zu tragen imstande sein!? Ich habe daran zwar eine unbeschreibliche Freude; aber anzuziehen, wage ich es wahrlich nicht! Denn das Tiefste der Hölle kann nicht so bald mit dem Höchsten der Himmel einen zu schnell veranlaßten Bund eingehen! Dazu gehört noch eine lange Zeit, in der ich über mein langes höllisch-grundböses Wirken und Handeln nachdenken und mich über dasselbe mehr und mehr werde hinaussetzen können. Denn wohl bedenke, daß ich der Urgrund alles Bösen und alles Gerichtes bin! Wie und wann ich mich aber über diese meine höchst böse Stellung werde erheben können - o Cado, wie sehr ferne noch ist eines solchen Zeitraumes Herbeikommen!«

13] Spricht Cado: »Törin, zähle die Sonnen im endlosen Raume, zähle die Planeten alle, die nicht selten zu Trillionen wie Atome im Äther um eine einzige und letzte Zentralsonne umherkreisen, die noch lange keine Haupt-Zentralsonne ist! Zähle den gerichteten Sand nur eines kleinsten Planeten! Summiere alle die atomistischen Materiepartikeln, die im endlosen Äthermeere des ewigen Raumes als gerichtet rasten und über ihren kleinen Rücken das Licht von einer Unendlichkeit zur andern tragen müssen! Sieh, alles das ist arg gerichtet aus deinem höchsteigenen Gerichte! Wie lange wohl müßtest du da zählen und wie viel denken, bis du den Grund eines jeden gerichteten Atoms der ganzen Unendlichkeit durchsähest und durchdächtest, um dich in dir selbst dann darüber hinaus erheben zu können!? Sieh, das wäre im höchsten Grade eitel und töricht! Daher tue du das, was ich dir zu deiner wahren Freiwerdung anrate, und du wirst der ganzen, ewigen Großrechnung nicht bedürfen, um wahrhaft frei und dadurch auch der allmächtigen Gottheit in Ihrer Jesus-Menschheit wohlgefällig zu werden!«

14] Spricht die Minerva: »Geliebtester Cado, du hast wohl recht, ich sehe es ein! Aber nur den gewissen Namen spreche mir nicht mehr aus! Denn dieser Name ist für mich im höchsten Grade unerträglich. - Ich kann dir zwar nicht sagen, warum - aber es ist einmal so: der Name brennt mich mehr als alles Feuer der Hölle!«

15] Spricht Cado: »Siehe, das ist schon wieder im höchsten Grade dumm und töricht von dir! Gerade in diesem Namen, wie ewig in keinem andern, ist für dich und mich ein ewig wahres Heil zu erringen. Deshalb lobe und preise du in Zukunft lieber diesen Namen, so wirst du vollkommen siegen über alles zahllos Böse in deinem Herzen, und du wirst dann einen wahren Triumph feiern über alles, was dich je zu solch einem großen, fortlaufenden Abfalle von der ewigen Gottheit mag verleitet haben!«

16] Spricht die Minerva: »Guter Cado, du hast wohl viel leichter reden als ich und hast auch recht in allem. Aber bedenke, wie viele Äonen ärmster Wesen schmachten nun noch in größter Qual, die ich ihnen bereitet habe. Wie soll ich überhaupt je frei und wahrhaft glücklich werden können, solange die zahllosen, durch mich unglücklich Gemachten in aller Qual schmachten müssen?! Ich soll nun glänzen in diesem Kleide, und zahllose Kinder aus mir sollen meinetwegen schmachten, ewig schmachten!? Nein, nein, das geht nicht, das kann nicht sein!«

17] Spricht Cado: »Kümmere dich um etwas anderes! - Seit die Gottheit zum Körpermenschen ward, hat Sie auch die ganze materielle Schöpfung auf Ihren Namen genommen und jeden Menschen im höchsten Grade von dir unabhängig und dem eigenen Gewissen zinsbar gemacht! Alle Welt ruht nun auf der Schulter Gottes und auf denen der freien Menschen. Und du stehst mit der Gottheit schon lange in keiner Verrechnung mehr. Daher tue, was ich dir sage, und du wirst frei sein in allem!«

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