aus Karl Brodeck: "Freimaurerlogen, die verschiedenen Systeme und ähnliche Organisationen" (Auszug) Bern 1948

Die Neugründung des Illuminatenordens durch Leopold Engel (+ 8. November 1931)

Im Jahre 1896 gründete der Schriftsteller Leopold Engel den neuen Illuminatenorden, der sich von seinem Vorgänger ganz wesentlich unterscheidet, obschon er vieles von ihm übernommen hat. Nur wenig Eingeweihte kennen die Ziele und Einrichtungen des neuen Ordens. Sehr umstritten ist seine Stellung zur Freimaurerei, denn während er anfänglich selbst Logen gründete und in maurerischen Graden arbeitete, ist er später sehr stark von ihr abgerückt.

Leopold Engel war selbst aktiver Freimaurer. Als Mitglied der Johannisloge "Adam Weishaupt zu Pyramide" im "Orient Berlin-Schöneberg" war er Mitbegründer und Präsident der frei arbeitenden Johanneslogen. Diese Vereinigung war mit dem Illuminatenorden sehr eng verbunden und beide hatten "Das Wort" als gemeinschaftliche Bundeszeitung.

Nach Artikel 1 der Gründungsbestimmung konstituiert und gründet der neue Illuminatenorden selbständig Johannis- und Andreaslogen. In die höheren Grade, heißt es wörtlich, werden nur Freimaurer-Meister aufgenommen.

Im Jahre 1902 gab es eine Ordenstrennung: ein Teil der Mitglieder unter der Führung von Th. Reuss gingen eigene Wege. Aus dieser Spaltung ist ein starker amerikanischer Zweig hervorgegangen. Die Oberbehörde dieser Gruppe in Amerika nannte sich nationale Großloge von Atlantis. Dieser Illuminaten-Freimaurerbund will alle geistig strebenden Männer arischer Rasse unter den Freimaurer-Symbolen sammeln, um mit ihnen das Reich Gottes auf Erden zu begründen. Im Dienste des Menschentums soll geistig dem höchsten Wesen ein Tempel gebaut werden. In diesen Illuminatenkreisen wird es entschieden abgelehnt, sich den anderen Freimaurerorganisationen anzugliedern. Die führenden Mitglieder sind der Ansicht, der Orden sei durch seine Abstammung vollkommen regulär.

In Deutschland ist der Zweig von Th. Reuss später wieder eingegangen. Das offizielle Organ der Illuminaten berichtet darüber: "Im Laufe der Zeit haben im Illuminatenorden mehrere Reorganisationen stattgefunden. Die früheren Werke besitzen daher nur noch historischen Wert. Der Orden steht in Verbindung mit den Freimaurern in Frankreich, England und Amerika."

Am 18. Januar 1903 wurden neue Satzungen aufgestellt und die Grade des Ordens umgearbeitet und vereinfacht. Der Bund wurde im Vereinsregister eingetragen und bearbeitete noch folgende Grade:

1. Grad: Novize

2. Grad: Minerval

3. Grad: Magus

4. Grad: Großmagus

5. Grad: Kleiner Illuminat

6. Grad: Großer Illuminat

7. Grad: Dirigierender Illuminat

Wie die Freimaurer tragen die Illuminaten bei ihren Arbeiten und Beförderungen als Zeichen der Arbeit die weiße Schürze. Dem Grade entsprechend ist dieser mit farbigen Bändern und Rosetten verziert. Auf der Brust tragen alle Brüder den goldenen Ordensstern (Hexagramm).

Wie früher, erteilt der Orden schriftlichen Unterricht über Selbst- und Gotteserkenntnis. Die Mitglieder werden angehalten, sich nicht mehr vom blinden Zufall treiben zu lassen; sie sollen sich bemühen, das Glück in ihrer eigenen Seele zu suchen. Durch innere Einkehr soll jedes Mitglied sich auf das jenseitige Leben vorbereiten. Politische Diskussionen werden nicht geduldet. Jedes Mitglied erhält bei seiner Aufnahme einen eigenen Brudernamen.

Im Jahre 1925 wurde der Orden nochmals neu organisiert und zu einem Weltbunde erweitert. Der Bund verfolgt den ausgesprochenen Zweck, seine Mitglieder zu freien, selbstbestimmten Persönlichkeiten zu entwickelt. Sitz der Bundesleitung war Berlin. Zum Präsidenten wurde Leopold Engel gewählt.

Die Lehrbriefe wurden ebenfalls neu bearbeitet. Ein systematischer Lehrgang beschreibt dem Schüler, wie Neigungen und Leidenschaften entstehen und wie diese je nachdem gefördert oder besiegt werden können.

Bei genügender Anzahl bilden die Mitglieder sogenannte Ortssynoden, welche nach feststehenden Ritual arbeiten. Der Leiter einer Minervalsynode heißt "Magus des Lichtes". Ihm zur Seite stehen der Schriftführer und der Schatzmeister. Große Synoden wählen noch den Zeremonienmeister, den Redner, den Almosenpfleger und den Vorbereiter.

Sieben Mitglieder im Großmagusgrade sind berechtigt eine Großmagussynode zu bilden; sie bedürfen aber der Zustimmung des Kustosamtes. Die einzelnen Länder sind einem Provinzial unterstellt. Dem Kustosamte direkt unterstellt sind die Einzelmitglieder. Drei Einzelmitglieder an einem Ort bilden einen Stern; sieben können eine Synode eröffnen. Die Beamten des Kustoamtes heißen:

Kustos, Ordenskanzler, Präfekt, Großschriftführer, Großschatzmeister und Großzensor. Nach dem Tode von Leopold Engel (Theophrastus) 8. November 1931 wurde im Oktober 1932 Julius Meyer (Marius) zum Nachfolger gewählt, doch nur kurze Zeit sollte dieser dem Orden vorstehen. Im Jahre 1933 wurde der Orden in Berlin auf Antrag des Präfekten Dr. H. Teumer, (Theobald) Chemnitz, aufgelöst. Das Material wurde etwas später von der nationalsozialistischen Polizei beschlagnahmt.

Zunächst begründeten die Vertreter von Österreich und der Schweiz im Jahre 1933 in Wien den neuen Areopag und vereinigten sich zu einer Arbeitsgemeinschaft, so dass das geistige Erbe vorerst gerettet wurde. Nachdem Österreich, entgegen den Ordenssatzungen den Arierparagraph einführte, trennten sich 1935 beide Teile. In Österreich wurde den Juden der Zutritt zum Orden verboten; auch die Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge war nicht mehr gestattet. Ganz einseitig, ohne das Kustosamt von Helvetien anzufragen, wählte der österreichische Zweig einen Großmeister. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurde der Orden aufgelöst.

In der Schweiz konnte er sich wegen diesen Umständen nicht mehr stark ausbreiten. Das Kustosamt von Helvetien ist im Besitze des geistigen Ordensgutes, so dass der Orden später wieder aufblühen kann.


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