Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 183


Cyrenius erhält Kunde von Jesu Anwesenheit bei Markus.

01] Als wir nach wenigen Augenblicken unten ankamen, so war auch das Mittagsmahl bereitet, und wir setzten uns an den großen Tisch im Freien, der unter dem dichten Schatten einer Kastanie errichtet war. Wohlzubereitete Fische, Brot, Wein und gute, frische Feigen wurden im rechten Maße aufgetragen, so daß wir, in allem bei dreißig an der Zahl, zur Übergenüge zu zehren hatten. Sehr gemütlich ward das Mahl eingenommen, und Markus, der gesprächige, alte, biedere Kriegsmann, erzählte uns so manches aus den Erlebnissen, und das mit einer ihm angeborenen Redesalbung. Meine Jünger aber hatten dabei die Gelegenheit, die Welt so recht enthüllt vor sich zu sehen und sich davon so manches zum Besten der Menschheit herauszunehmen, die später ihrer Leitung anvertraut ward.

02] Nach der über zwei Stunden andauernden Tischsitzung kam aus der Stadt ein Bote zu Markus und hinterbrachte ihm die Nachricht, daß der alte Oberstatthalter Cyrenius um die Mitte des Tages in Cäsarea Philippi angekommen sei; er möge sonach als ein dem Oberstatthalter wohlbekannter Krieger hinkommen und ihm seinen bekannt ärmlichen Zustand vortragen, und der Oberstatthalter werde für ihn nach Möglichkeit etwas tun.

03] Sagt Markus zum Boten: »Sage du zu meinem alten Kriegsgefährten, daß ich mich ihm zu Füßen legen und ihm viele Male danken lasse für seine gnädigste Erinnerung an meinen stark ärmlichen Zustand! Ich werde aber diesmal von seiner Gnade keinen Gebrauch machen können, so ich darum in die Stadt gehen soll, weil ich Gäste habe, deren Oberster, Herr und Meister mich wunderbarst aus aller meiner früheren Ärmlichkeit riß. Dieser Herr und Meister versprach mir, sechs volle Tage hindurch bei mir zu verweilen, und so würde ich es für eine große Sünde halten, Ihn auch nur einen Augenblick zu verlassen. Sollte mein alter Kriegsgefährte es aber nicht zu tief unter seiner hohen, kaiserlichen Würde halten, zu mir heraus einen Lustgang zu tun, so solle hier alles aufgeboten werden, ihn seiner so würdig als möglich zu empfangen!«

04] Sagt der Bote: »Ganz gut, ich werde dem hohen Gebieter wortgetreu alles so wiedergeben, wie du es mir gesagt hast!« - Mit dem empfiehlt sich der Bote, besteigt sein Maultier und entfernt sich eiligst.

05] Als der Bote aber über Stock und Stein war, sagte Markus: »Ich glaube es nicht, daß der hohe Statthalter mir solche meine Antwort übel deuten wird!«

06] Sage Ich: »Sorge dich um etwas anderes! Ich sage es dir: Wie er es vernehmen wird, daß offenbar Ich hier Mich befinde, da wird er auch nicht zehn Augenblicke lang säumen, sich zu entschließen, hierherzukommen, und du wirst da erst die Gelegenheit bekommen, von der Herrlichkeit Gottes dir einen Begriff zu machen! Denn sei versichert, daß Mich Cyrenius kennt Mein Leben lang!«

07] Sagt Markus: »Das wird schon alles so sein; aber er ist ein zu hochgestellter Mann in der Welt und muß darum so manches vermeiden der dummen Menschen wegen, was er sonst sicher tun würde, und so zweifle ich denn doch so hübsch stark, daß er mir die hohe Gnade des Besuchs erweisen können wird.«

08] Sage Ich: »Ehe du dreimal aufs bekannte Plätzchen hinauf- und wieder zurückkommst, wird er dasein: Der Bote wird ihm kaum die Nachricht hinterbringen, und Cyrenius, der sein Mahl noch nicht eingenommen haben wird, wird ohne alles Säumen alles liegen- und stehenlassen und wird mit seiner ganzen Begleitung hierhereilen, um Mich zu sehen und zu sprechen.

09] Sage es aber deinem Weibe und deinen Töchtern, daß sie sogleich noch ein Mahl für ihn und seine Leute richten sollen; denn da er in der Stadt kein Mahl nehmen wird samt seinen Leuten, so wird ihm auch ein solches Mahl sehr erwünscht und willkommen sein!«

10] Markus ruft sogleich sein Weib und seine sechs Töchter aus der Hütte und sagt, daß sie für den ankommenden Oberstatthalter Cyrenius ein Mahl bereiten sollen, und zwar in Menge für ungefähr noch einmal dreißig Personen!

11] Das Weib sieht den Markus ganz verblüfft an und weiß nicht, ob so etwas Ernst oder Scherz sei. Aber Markus schafft (weist) sie dennoch gleich in die Küche, und das Weib macht sich an die gebotene Arbeit.

12] Zugleich aber gebot Markus seinen beiden Söhnen, daß sie über den Hügel hinausschauen sollten, und so sie irgendeine glänzende Schar aus der Stadt kommen sähen, so sollten sie ihn sogleich benachrichtigen. Die beiden Söhne eilten alsbald über den Bug (Wegbiegung) hinaus bis zur Stelle, von der man recht gut bis Cäsarea Philippi sehen konnte, und entdeckten die glänzende Schar schon am Ende der breiten Straße ihre Schritte in den schmalen Fußsteig einlenken, auf dem man in einer kleinen Viertelstunde ganz leicht die Behausung unseres Markus erreicht.

13] Als die beiden Söhne solches ersahen, eilten sie nahe atemlos zurück und erzählten, was sie gesehen.

14] Da fragte Mich Markus, sagend: »Herr und Meister, da werden wir ihm denn doch entgegengehen müssen in aller echt römischen Gebeugtheit!?«

15] Sage Ich: »O mitnichten! Den sein Heil zu Mir drängt, der kommt schon, ob wir ihm auch nicht entgegengehen! Cyrenius aber ist ein Starker im Geiste und bedarf nicht, daß man ihm entgegengeht; nur wo ein Schwacher an Seele und Leib den Weg zu uns eingeschlagen hat, dem müssen wir wohl entgegengehen, auf daß er nicht ermüde am halben Wege, da liegenbleibe und verderbe!«


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