Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 15


Jesus tröstet die nicht zur Gotteskindschaft berufenen Nubier.

01] Sagt der Anführer: ”Ja, Herr, mir ist nun alles klar, und meine Seele fühlt sich nun wie ganz in allem völlig daheim zu sein! Aber ich merke es bei Deinen Jüngern, wie sie zumeist alle dieses Bild von den drei Spiegelgattungen durchaus nicht recht zu fassen scheinen! Ich danke Dir innigst für solche Deine Aufhellung, die allen meinen Lebensgefühlen vollkommen entspricht; aber wie gesagt, es ist mir unangenehm zu sehen, wie gerade diejenigen dies alles am wenigsten zu verstehen scheinen, die es als eigentlich zur Kindschaft Berufene am meisten verstehen sollten!“

02] Sage Ich: ”Das kümmere dich wenig oder gar nicht! So du es verstehst, was kümmert's dich weiter? Diese werden es dann schon verstehen, wenn es an der Zeit für sie sein wird; denn sie werden noch länger um Mich sein, während ihr morgen in euer Land ziehen werdet!

03] Es ist ja doch wohl eine gute Sitte von alters her bei allen Völkern, daß der fremde Gast eher bedacht werde denn die Kinder des Hauses. Die Kinder werden darum nicht zu kurz kommen! Euch war diese Sache vorderhand leicht verständlich zu machen, weil ihr mit dem Wesen der Spiegel schon bekannt waret; aber von Meinen wahren Jüngern und Kindern hat noch nie einer einen andern Spiegel gesehen als allein den einer ruhigen Wasseroberfläche. So Ich ihnen aber diese Sache näher werde erläutern wollen, da werde Ich Mir wegen der leichteren Verständlichung ebenso leicht die betreffenden Spiegel zu verschaffen verstehen, als wie Ich Mir das Menschengehirn zu verschaffen verstand, und wie Ich es verstand, dem alten Markus dieses neue Haus mit allem Zubehör zu verschaffen.

04] Es sei dir darum Meiner Jünger und Meiner wahren Kinder wegen nicht bange; denn Ich Selbst gebe dir die Versicherung, daß sie alle nicht zu kurz kommen werden. Denn die Fremden kommen wohl und gehen wieder; aber die Kinder bleiben im Hause! - Hast du auch dieses verstanden?“

05] Sagt der Anführer: ”Ob ich's verstanden habe, - aber heiterer ist darum meine Seele nicht geworden; denn es klang aus Deinem Munde gar so entfernt, mit dem Namen 'Fremde' benannt zu werden! Aber wir werden es ewig nicht ändern können, was Du von Ewigkeit her schon einmal also bestimmt hast, und sind Dir als Fremde aber dennoch aufs liebeglühendste dankbar für alle diese auch nie verdienten übergroßen Gnaden, die Du uns nun erwiesen hast!“

06] Hier treten dem Anführer Tränen in die Augen, wie auch seinem Diener, und die Jarah sagt zu Mir ganz heimlich: ”Herr und Vater aller Menschen, siehe, die beiden Schwarzen weinen!“

07] Ich aber sage: ”Das macht nichts, Mein liebstes Töchterchen; denn eben dadurch werden sie zu Kindern Meiner Kinder, die auch nicht aus dem Hause des Großvaters gestoßen werden!“

08] Als die beiden Schwarzen solche Worte aus Meinem Munde vernommen hatten, sanken sie vor Mir auf ihre Knie und schluchzten laut, aber nur aus Freuden.

09] Und nach einer Weile rief der Anführer laut aus: ”O Gott voll Gerechtigkeit, Weisheit, Liebe, Macht und Erbarmung, mit der größten Zerknirschung meines ganzen Wesens danke ich Dir in meinem und in meines Volkes Namen, daß wir uns wenigstens Kinder Deiner Kinder nennen dürfen!“

10] Sage Ich: ”Sei ruhig, du Mein Freund! Den Ich annehme, der ist Mir kein Fremder mehr! Du siehst die Erde, wie sie voller Berge ist, und es gibt darunter hohe und niedere. Die hohen sind zwar die ersten und eigentlichen Ursöhne der Erde, und die niederen sind erst nach und nach als Absitzlinge der hohen entstanden, - und siehe, während die allerersten und allerhöchsten ihre Häupter mit ewigem Schnee und Eise schmücken, saugen die niederen Nachkömmlinge fortwährend die Milch der Liebe aus der Brust der großen Mutter!

11] Ich sage es euch: Wer Liebe hat und Liebe tut, der ist Mein Kind, Mein Sohn, Meine Tochter, Mein Freund und Mein Bruder! Wer aber die Liebe nicht hat und also auch nicht nach ihr tut, der ist ein Fremder und wird als solcher behandelt. So Ich dich aber Meinen Freund nenne, da bist du kein Fremder mehr, sondern gehörst zu Meinem Hause durch Mein Wort, das du in dein Herz treulichst aufgenommen hast. Gehe aber nun getrost hin und verkünde das alles deinen Brüdern!“

12] Der Anführer begibt sich nun mit seinem Diener hin zu den Gefährten und verkündet ihnen alles, was er nun von Mir vernommen hat, und alle fangen förmlich an zu jauchzen vor Freude über solch eine für sie so übertröstliche Nachricht. Wir überlassen sie nun ihrer gerechten Freude. Aber Cyrenius, der die Erklärung mit den Spiegeln auch nicht eben zu klar aufgefaßt hatte, obwohl er von den verschiedenen Spiegelgattungen einen ganz guten Begriff hatte, fragte Mich, ob Ich ihm darüber nicht etwas Näheres sagen wollte. Ich aber beschied ihn, sich darob ein wenig zu gedulden, da wir sogleich mit einer etwas traurig aussehenden Deputation aus Cäsarea Philippi zu tun bekommen würden. Und Cyrenius stellte sich damit zufrieden.



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 5  |   Werke Lorbers