Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 16


Die Deputation von Cäsarea vor Cyrenius.

01] Als Ich solches kaum ausgeredet hatte, kamen schon ums alte Haus gebogen zwölf Männer daher; es waren sechs Juden und sechs Griechen. Die nun in einigen Hütten kampierenden Cäsaräer hatten nämlich durch ihre Hirten und Fischer die Nachricht überkommen, daß dem alten Fischer Markus ein großer Teil Landes vom römischen Statthalter wäre geschenkt und als sein volles Eigentum mit einer unüberwindbaren Mauer wäre umgeben worden. Die Cäsaräer hielten aber allen Grund weit und breit um die Stadt für ein Gemeindegut und wollten vom Cyrenius nun erfahren, mit welchem Rechte er sich am Eigentume der Stadt habe vergreifen können, da die Stadt davon stets sowohl an die Römer wie auch nach Jerusalem den Tribut entrichtet hätte. Ich hatte dem Cyrenius aber schon vorher geheim einen Wink ins Herz gelegt, und er wußte denn auch schon zum voraus, um was es sich da handeln werde, bevor noch jemand von der Deputation den Mund aufgetan, und war darum auch zur Genüge vorbereitet in dem, was er der höchst unbescheiden traurigen Deputation zu erwidern hatte.

02] Es trat denn nach allen gemachten Verbeugungen ein feiner Grieche namens Roklus zum Cyrenius hin, tat seinen Mund auf und sprach: ”Allergerechtester, gestrengster und allerdurchlauchtigster Herr, Herr, Herr! (Wir nahen uns dir) in Anbetracht dessen, daß dem alten Krieger und nun Fischer Markus durch deine Munifizenz (Freigebigkeit) ein bedeutender Teil von unseren mit starkem Tribut belegten Gemeindegründen zum eingefriedeten Eigentume ist eingeantwortet worden. Dies haben wir vor einer Stunde durch unsere um das schöne Stück Landes traurigen Hirten in unsere noch trauriger aussehende Erfahrung gebracht.

03] Welch ein Unglück uns sonst so wohlhabende Cäsaräer getroffen hat, davon zeugen die hier und da noch dampfenden Ruinen. Wir sind nun im vollen Sinne des Wortes die elendsten Bettler von der Welt. Wohl dem, der bei dem mächtigen Brande etwas von seiner Habe zu retten vermochte! Uns armen Faunen ist solch ein Glück nicht möglich gewesen; denn das Feuer griff so schnell um sich, und wir und noch viele von uns mußten den Göttern noch sehr dankbar sein, daß wir mit dem nackten Leben davongekommen sind. Etwas Vieh ist nun unsere ganze Habe, wir sind nun wieder Nomaden geworden; aber wie selbst diese letzte Habe erhalten, wenn deine Munifizenz gegen eingeborene Römer uns unsere besten Gründe wegnimmt und sie denen als volles, unantastbares Eigentum einfriedet, die das Glück haben, in deiner hohen Gunst zu stehen?!

04] Wir wollen dich demnach nur bittend fragen, ob der nun so überglücklich gewordene Markus an uns eine Entschädigung zu leisten haben wird oder nicht! So ganz ohne Entschädigung wäre in dieser unserer gedrücktesten Lage diese Wegnahme wohl etwas, was die Geschichte der Menschheit schwerlich irgendwo und -wann aufzuweisen hätte. - Allerhöchster Herr, was haben wir Armen zu erwarten?“

05] Sagt Cyrenius: ”Was redet ihr, und was wollt ihr unverschämten Halbmenschen?! Dieser Grundanteil hat seit fünfhundert Jahren zu diesem Berge und zu dieser Fischerhütte gehört und war völlig wertlos, weil er eine pure Sand- und Schottersteppe war. Es gehörten aber noch zwanzig Morgen Landes hierher, die nicht eingefriedet und somit der Stadtgemeinde zur freien und beliebigen Benutzung überlassen wurden. Zudem habt ihr euch als komplette Arme und Bettler nun bei mir aufgeführt, die aller ihrer Habe bar geworden sind! Was soll ich aber nun zu solch eurer boshaften Lügenhaftigkeit sagen?! Wohl weiß ich, daß euch eure Stadthäuser durchs Feuer zerstört worden sind, und weiß genau, wie hoch sich euer Schaden beläuft; aber ich weiß auch um eure großen Besitzungen in Tyrus und Sidon, und weiß, daß eben du, Roklus, dort so viel der Schätze besitzest, daß du dich mit mir ohne weiteres messen könntest! Und ebenso sind alle die elf, die nun mit dir hierhergekommen sind!

06] Ihr zwölfe habt noch so viel der Schätze und Reichtümer, daß ihr allein die durchs Feuer zerstörte Stadt wenigstens zehnmal von neuem aufbauen könntet; und doch kommt gerade ihr, beklagt euch der Armut und wollt mich eines Unrechtes beschuldigen, weil dem alten Markus, der in jeder Fiber seines Lebens ein Ehrenmann ist, sein blankes und rechtmäßigstes Eigentum von dem eurigen abgesondert wurde! Sagt, mit welchen Namen ich euch belegen soll!

07] Geht hin und beseht den Grund, der über der Gartenmauer noch als volles Eigentum des Markus sich befindet! Es sind noch gut über zwanzig Morgen Landes. Ich verkaufe ihn an euch um zehn Silbergroschen. Wenn ihr findet, daß er es wert ist, dann erlegt die zehn Groschen, und der Grund gehört euch! Ein schlechteres Klebah (Gleba, lat. = Erdscholle) gibt es außer auf Saharia in Afrika nicht auf der lieben, weiten Erde; denn außer Sand und taubem Steingeröll und hie und da eine verkümmerte Distelstaude werdet ihr nichts finden!

08] Ihr aber seid reiche Leute, könnt Erde von weit her bringen lassen und damit diese kleine Wüste überlegen und zum fruchtbaren Lande machen! Auch könnt ihr von weit her eine sehr kostspielige Wasserleitung anlegen, um das also kultivierte Landstück in hier gewöhnlich trockenen Sommern recht tüchtig bewässern zu können, und ihr habt dadurch ein recht ertragbares Stück Landes in euren rechtmäßigen Besitz gebracht! Aber mit solch euren allerunbegründetsten Ansprüchen werdet ihr bei mir ewig nichts ausrichten, und ich werde es euch faktisch beweisen, daß nach eurer gegenwärtig allerungerechtesten Petition stets nur der Mächtigere das Recht für sich hat! Was wollt ihr nun tun?“

09] Sagt Roklus, stark eingeschüchtert durch die energische Sprache des Oberstatthalters: ”Herr, Herr, Herr! Wir sind es nicht selbst, die da sucheten ein Recht für sich, sondern wir sind nur Repräsentanten derjenigen, die in der zerstörten Stadt im vollsten Ernste ein gar jämmerliches Dasein fristen. Wir haben für sie schon viel getan, und die ganze, nun ganz verarmte Stadtgemeinde hat uns aus Dankbarkeit nur alle die umliegenden Gründe zum vollen Eigentum eingeantwortet und sagte uns, daß auch diese Gründe am Meere ihr Gemeineigentum seien!

10] Wenn also, dachten wir, da kann es uns durchaus nicht gleichgültig sein, daß sich unbefugtermaßen jemand einen Teil davon nimmt, kultiviert und den kultivierten Teil gleich mit einer unüberwindlichen, allerfestesten Mauer einfrieden läßt, und das in einer wahrhaft zauberhaften Schnelligkeit, - was natürlich euch kriegsgeübtesten Römern möglich sein kann, weil ihr im Felde nicht selten in wenigen Augenblicken ein Lager für hunderttausend Mann zu errichten versteht!

11] Nun sich aber die Sache ganz anders verhält, so stehen wir ganz einfach von unserer Forderung ab und begeben uns nach Hause! Die noch übrigen, außerhalb der Mauer liegenden zwanzig Morgen Landes kann sich der alte Biedermann auch noch dazu einfrieden lassen, und wir geben hiermit unsere Erklärung dahin ab, daß er weder je von uns noch von der Stadtgemeinde aus in seinem freien Besitze soll gestört werden. Aber das glauben wir doch, daß er an die Stadt wegen seines ausschließlichen Fischerrechts den altherkömmlichen Zehent fortan zu entrichten haben soll!“

12] Sagt Cyrenius: ”O ja, aber ihr müßt es erweisen, in welcher Zeit die Stadt dieses Recht ersessen hat! Mir ist in dieser Hinsicht kein Dokument bekannt, da ich seit meiner hiesigen, nun schon bei fünfunddreißig Jahre langen Dienstzeit davon nie etwas zu Gesichte bekommen habe. Denn erst unter mir ist der frühere Flecken zu einer Stadt erhoben worden, und zwar zu Ehren meines Bruders, der Rom über vierzig Jahre lang beherrscht hatte. Mir sind sonach alle die noch so kleinen Verhältnisse dieser eurer Stadt ungemein bekannt! Von einem von dieser Stadt rechtlich zu fordern habenden Fischzehent weiß ich nichts; wohl aber weiß ich, daß man solchen widerrechtlich von der Stadt aus gefordert hatte und mein Markus genötigt war, euch solchen stets zu entrichten, wofür er, so er schlecht wäre, eine vollgültige Rückerstattung verlangen könnte, was er jedoch nicht tun wird, weil er ein zu ehrlicher und zu echt guter Mensch ist. Aber daß er in der Folge an euch keinen solchen ganz widerrechtlichen Zehent entrichten wird, dafür stehe ich euch!

13] Anstatt euch nun irgendein Recht einzuräumen, mache ich euch Deputierte dieser Stadt damit bekannt, daß ich laut meiner Macht, vom Kaiser ausgehend, den alten Markus zum Obersten über die Stadt und über ihr weites Umgebiet, mit aller Macht, die mir selbst eigen ist, ausgerüstet, setze, und daß in der Folge er allein über euch und alle eure Angelegenheiten das volle Recht zu sprechen haben soll und ihr alle an ihn den pflichtigen Tribut zu entrichten haben werdet! Das sage ich euch nun mündlich, er aber wird sich vor euch mit der Schrift, mit dem Stabe und mit dem Schwerte und mit der goldenen Wage der Gerechtigkeit ganz vollkommen gesetzlich ausweisen! Nur in ganz besonderen Fällen wird eine Berufung an mich zulässig sein, sonst aber wird er völlig alles zu schlichten haben! Seid ihr damit zufrieden?“



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