Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 48. Kapitel: Nikodemus bei Jesus.

01] Als Nikodemus noch kaum die Frage ausgesprochen hatte, da erhob sich diese nun eine Säule und stieg höher und höher, und das so lange und auch äußerst schnell, daß man bald gar nichts mehr von ihr ersah, und es ward wieder sehr finster auf der Erde.

02] Und Nikodemus sagte: »Da haben wir's nun! Was war nun diese so drohende Erscheinung, und was hat sie bedeutet? Daß sie von Gott aus zugelassen war, das ist nun wohl ganz klar; denn keine menschliche Macht hätte sie in des Firmamentes tiefste Tiefen emporziehen können. O du menschliche Weisheit, wie stehst du nun einmal wieder da: so nackt, so unbehilflich und ratlos wie ein neugeborenes Kind! Freund Lazarus, was denkst du nun über diese Erscheinung, die nun bei zwei Stunden lang aller Menschen Gemüter mit Furcht und Angst erfüllte? Ist sie eine göttliche Zulassung gewesen, so stehen uns große Dinge bevor, und war sie irgendein Spiel der Erd- und Luftgeister, so haben wir armen und schwachen Erdenmenschen auch nichts Gutes zu erwarten; denn nach den großen, feurigen Erscheinungen kommen gerne große Erdstürme, große Ungewitter, Erdbeben und auch Krieg, Hungersnot und Pest. Und das sind auch wahrlich keine tröstlichen Aussichten für uns arme Menschen! - Was aber ist da deine Ansicht?«

03] Sagte Lazarus: »Ich weiß da für mich ebensoviel wie du; aber lassen wir das nun gut sein! Sieh dort hinter den Zelten nur die große Menschenmenge an! Die alle sind nun meine Gäste, und über zweihundert sind noch im Hause untergebracht, die von dieser Erscheinung wenig gesehen haben werden. Aber unter diesen vielen Menschen, die sich jenseits der Zelte befinden, werden schon ein paar sein, die diese Erscheinung sicher besser verstehen werden als wir beide.«

04] Sagte Nikodemus: »Ja, das wird wohl schon also sein; aber wie komme ich zu ihnen?«

05] Sagte auf Mein inneres Geheiß Lazarus: »Komme du nun mit mir, und ich werde dich schon dem Rechten vorstellen!«

06] Sagte Nikodemus: »Das wäre auch alles recht, wenn ich unerkannt bleiben könnte, damit ich im Tempel nicht verraten werde.«

07] Sagte Lazarus: »Ah, sorge dich da um etwas anderes! Die Menschen, die du hier bei mir findest, sind selbst Feinde des Tempels, weil sie einen besseren Tempel gefunden haben; daher hast du von allen jenen Menschen nicht das Allergeringste zu besorgen (befürchten), - gehe nur ganz unbesorgt und mutig mit mir!«

08] Da erst entschloß sich Nikodemus, mit Lazarus zu uns zu gehen.

09] Als er aber in Meine Nähe kam, da erschrak er ordentlich, da er gar keine Ahnung hatte, Mich allda zu treffen.

10] Ich aber trat zu ihm hin, reichte ihm die Hand und sagte: »Was erschrickst du vor Mir, als wäre Ich irgendein Gespenst? Du wolltest Mir doch nachziehen, so du von Lazarus erführest, wohin Ich gezogen wäre, und nun hast du Mich hier! Ist dir denn das nicht um so lieber nun?«

11] Sagte nun Nikodemus: »O Herr, das wohl sicher; aber Du bist der Heilige Gottes und ich ein alter Tempelsünder! Das drückt und beengt sehr mein Herz, und ich habe nun wenig Mut, mit Dir zu reden.«

12] Sagte Ich: »Wenn Ich dir eine Sünde vorhalten werde, so kannst du sagen: "Herr, vergib mir die Sünde!" Doch da Ich dir das zu sagen keinen Grund habe, so bist du frei und kannst reden, wie es dich freut. Was sagst denn du zu der Erscheinung, über die sich die Templer nun noch in den Ohren und Haaren liegen?«

13] Sagte Nikodemus: »O Herr, die Erscheinung war etwas Unerhörtes, noch nie dagewesen seit Anbeginn der Welt! Aber was sie zu bedeuten hat, das wirst Du sicher wohl besser wissen als wir alle hier, und darum möchte ich nur Dich fragen. Denn ich war ehedem sogar der Meinung, daß sie etwa gar von Dir herrühre, da Du Dich ja auch ganz leicht in jener Gegend hättest befinden können. Denn vor etwa einem Jahre soll sich, wie ich's später vernommen habe, ja auch bei Cäsarea Philippi während Deiner Anwesenheit etwas Ähnliches gezeigt haben und soll die eigentliche Ursache vom Brande jener Stadt gewesen sein. Und so meinte ich denn nun auch, daß hier nun eine Wiederholung jener Erscheinung zu Cäsarea Philippi statthaben könnte, so Du Dich in jener Gegend befandest. Doch Du bist noch hier bei uns in Jerusalem, und so haben wir wahrlich keine Ursache, uns nun noch weiter mit der Erscheinung zu ängstigen. Aber was war denn die Erscheinung in sich? Du, o Herr, wirst das wohl am allerbesten wissen, wie ich das schon bemerkt habe! Wenn es Dir genehm wäre, so könntest Du uns schon etwas darüber sagen!«

14] Sagte Ich: »Die Erscheinung war Mein Wille und somit auch Mein Werk; doch wir haben dann später noch Zeit, ein mehreres darüber zu sprechen. Für jetzt aber bleibe du noch in der Ruhe, denn es war diese von dir gesehene Erscheinung das letzte noch nicht, was diese Nacht bieten wird; dann erst wird die Erklärung im Hause folgen! Hebet aber nun alle eure Augen empor, und seht, was sich nun in einem Bilde zeigen wird!«



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