Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 115. Kapitel: Guter Zweck von Giftbäumen in Indien. Die Entwicklung der Erde. Die Wanderung der Meere.

01] Sagte nun der Magier: »Es dämmert in mir wie am frühen Morgen vor dem Aufgang der Sonne; aber es sind das Dinge, die in mir erst eine rechte Wurzel fassen müssen, bis sie zum völligen Eigentum meines Lebens werden. Aber daß es also ist, wie du es mir nun gezeigt hast, daran zweifle ich wahrlich keinen Augenblick mehr. Nur eine ganz kleine Frage hätte ich noch. So deine große Geduld mit mir noch nicht völlig zu Ende ist, da würde ich dich wohl bitten, mir auch noch diese kleine Frage gütigst zu meiner tieferen Belehrung beantworten zu wollen.«

02] Sagte Raphael: »So entledige dich auch solch deines Anliegens! Was ist es denn? Rede!«

03] Sagte der Magier: »Sieh, du holdester und gar überaus weiser Jüngling! Bei uns in Indien, und zwar auf einer großen Insel, wie auch in einigen Küstentälern, die sonst sehr üppig sein könnten, wächst dir ein eigenes Gesträuch, ein wahrer Schrecken des Landes. Dieses Gesträuch ist so böse und so giftig, daß es durch seine Ausdünstung weithin alles tötet, was sich ihm naht. Es ist um vieles gefährlicher als dieser vorbeschriebene See und kann nicht ausgerottet werden. Unkundige Menschen geraten doch dann und wann in die Nähe solcher Gewächse und müssen darauf eines elenden Todes sterben.

04] Nun, wozu dient solch ein wahres Höllengewächs?«

05] Sagte Raphael: »Ja, du mein lieber Freund, ein solches Gewächs hat eine gar große und für die Menschen gar sehr wichtige Bedeutung in dem Lande, in welchem es der Herr des Himmels und dieser Erde wachsen läßt; denn es ist den Menschen jenes Landes als ein treuer Wächter gegeben, der sie warnt, solche kleinen Landteile der Erde zu bewohnen, mit denen für die Erhaltung der Erde Gott der Herr einen ganz andern Zweck verbunden hat.

06] Es ist das aber schon euren Urvätern treu geoffenbart worden, wie sie jene wenigen Täler meiden und nicht bewohnen sollen, weil sie für die Bewohnbarkeit noch lange nicht reif sind, und wie unter ihnen noch roher Elemente Kräfte walten, wie auch, daß die angezeigten Gesträuche da sind um das ausdünstende Gift aus den Tiefen der Erde in sich aufzunehmen, damit es nicht andere und weitere Länderstrecken vergifte und sie unbewohnbar mache.

07] Wenn aber den Menschen solches einmal angezeigt worden ist und durch Lehrer tausend Jahre lang vorgesagt wurde, so kann sich dann doch wohl niemand mehr aufhalten, wenn er, der Warnung uneingedenk, sich noch an solche Erdorte hinbegibt, von denen er doch wissen sollte, daß sie für die Aufnahme von Menschen und Tieren noch lange nicht reif sind.-Verstehst du nun auch das?«

08] Sagte der Magier: »Ja, auch das verstehe ich nun! Aber wie kommt denn das, daß manche Gegenden der Erde früher reif geworden sind als andere?«

09] Sagte Raphael: »Du bist wahrlich noch recht blind! Hast du schon einmal einen Menschen gesehen, bei dem alle seine Leibesteile auf einmal vollends reif geworden sind? Wie lange braucht es, bis der Mensch nur dem Leibe nach vollends reif wird, und wie lange, bis seine Seele vollends lebensreif wird! Meinst du denn, daß der allweiseste Gott irgendwo Seine ewige Ordnung überspringe? O mitnichten! Gott ist die vollkommenste Ordnung Selbst und weiß höchst genau, was Er, wie Er und warum Er es also tut!

10] Sieh an die hohen Berge um uns herum! Die waren vor vielen tausend Jahren noch mehr als noch einmal so hoch und die Taltiefen noch mehr denn noch einmal so tief, als sie nun sind, von den hohen Bergen herab gemessen; aber da waren solche Taltiefen noch völlig unbewohnt, nur Seen auf Seen füllten sie aus mit manchen riesigsten Wassertieren.

11] Da ließ der große Herr und Meister von Ewigkeit furchtbare Stürme mit Blitz und Donner und große Erdbeben walten. Diese zertrümmerten die hohen Berge, und mit ihren Trümmern wurden die Taltiefen ausgefüllt. Anstatt der großen Seen wogten bald große und mächtige Ströme über die ausgefüllten Talebenen hin und rollten mit ihrer Gewalt die kleineren Bergtrümmer auf ihrem Grunde fort und fort, wodurch diese noch mehr zermalmt und somit sehr verkleinert wurden; denn aller Sand in den Strömen, Flüssen, Bächen und Meeren ist eine möglichste Verkleinerung der einst in der Urzeit so riesenhaft hohen Gebirge. Als die Täler auf solche Art ausgefüllt waren, ließ der Herr die Ströme auch mehr und mehr versiegen und kleiner werden, und ihre Ufer wurden nach und nach zum fruchtbaren Lande.

12] Und was in den Urzeiten der Erde geschah, das geschieht heutzutage auch, wennschon in einem kleineren Maßstabe. Und so siehst du, daß Gott der Herr in Sich die ewige Ordnung Selbst ist und es wahrlich nicht nötig hat, Sich irgendwo zu übereilen; denn es macht eben das Seine eigene höchste Seligkeit aus, zu sehen, wie in der ganzen ewigen Unendlichkeit, alles so in der größten Ordnung, eins aus dem andern hervorgeht und hervorgehen muß. Wenn aber also, da ist deine Frage, warum die Gegenden auf der festen Erde nicht auf einmal bewohnbar gemacht werden, wahrlich ganz überflüssig gewesen!

13] Sieh, ich will dir noch etwas hinzusagen! Das große Meer wird von so ungefähr 14 000 Jahren zu wieder 14 000 Jahren vom Süden der Erde bis zum Norden derselben und ebenso wieder nach rückwärts geschoben! Von heute an in etwa 8000 bis 9000 Jahren steht hoch über diesem Berge, auf dem wir nun stehen und davon reden, das große Meer. Dafür aber werden im Süden große Ländereien wieder trockengelegt werden, und Menschen und Tiere werden dort hinreichend Nahrung finden. Bei solch einer Gelegenheit werden dann schon wieder eine Menge jetzt noch unreifer und unwohnlicher Stellen der Nordhälfte der Erde schon reif und wohnlich werden für künftige Menschengenerationen, das heißt, wenn die Nordhälfte der Erde wieder vom Meere frei wird.

14] Nun meine ich, dir als einem Naturgelehrten doch mehr als genug gesagt zu haben, und ich konnte es dir wohl sagen, weil ich weiß, daß ihr Weisen aus dem Morgenlande die Gestalt und das Wesen der ganzen Erde für euch wohl kennt, obwohl ihr solche eure Kunde vor den anderen Menschen stets verborgen haltet. - Hast du jetzt auch noch eine Frage übrig?«

15] Sagte der Magier: »Nein, du junger, mir vollends unbegreiflicher Weiser! Du redest von der ganzen Erde ja gerade also, als wärst du bei ihrer Erschaffung von Urbeginn an dabeigewesen und hättest alles gesehen, was sich mit ihr zugetragen hat! Und das Merkwürdigste des Merkwürdigsten ist, daß wir dir selbst bei unserem besten Wissen und Gewissen nirgends widersprechen können! Denn nach unseren vielen Erfahrungen auf der weiten Erde verhält es sich geradealso, wie du nun geredet hast, und das Dasein eines wahren, ewigen Gottes ist für uns mehr als sonnenhell erwiesen, und eines weiteren bedarf es nun für uns nicht, da wir von dir aus auch das wissen, was wir zu tun haben, um Gott Selbst wahrhaft zu finden.

16] Wie gerne möchten wir dich für diese deine große Güte mehr denn königlich belohnen, so du von uns eine Belohnung annehmen würdest; aber dagegen hast du dich schon auf das feierlichste verwahrt, und so bleibt uns nichts übrig, als dir aus unserem tiefsten Herzensgrunde zu danken und dich aber auch abermals zu bitten, unser zu gedenken, so du bei Gott dem ewigen Herrn zugegen sein wirst.

17] Nun aber möchte ich nur ein paar Wörtchen noch mit dem Manne reden, der mich zuvor beim Abendessen gar so angezogen hat; dann wollen wir gerne froh und sehr getröstet diesen Berg verlassen und uns hinab zu den Unsrigen begeben und ihnen auch sagen und beweisen, daß wir endlich das zu aller Fülle gefunden, was wir so lange vergebens gesucht haben. Darf ich also mit dem Manne ein paar Wörtlein reden?«



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