Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 199. Kapitel: Die Rettung des herodianischen Obersten.

01] Als sich eben dieses Schiff unserem Ufer, auf den Wegen wie auf- und niederspringend, zu zeigen begann, da sagte Ich zu den Anwesenden: »So von euch nun jemand ans Ufer gehen will, da wird er den Grund dieses Sturmes sehen, der sich darauf aber auch alsbald legen wird. Vier Schiffe mit hundertdreißig Kriegsknechten hat das Meer verschlungen; nur das eine gedeckte, das den Obersten mit seinen Untergebenen und zehn Kriegsknechten trägt, kommt hier an, und sie werden uns wahrlich nichts anhaben!«

02] Als Ich dieses gesagt hatte, da erhoben sich mehrere Jünger, und namentlich die bei Mir seienden Jünger des Johannes, die sich ganz besonders für den Grund des Sturmes interessierten, eilten ans Ufer hinaus und sahen das Schiff schon ziemlich nahe an das Ufer heranschaukeln.

03] Es dauerte nicht lange, so ward das Schiff mit einer hochgehenden Woge auch schon ziemlich unsanft an das Ufer geworfen, und die darin Seienden schrien um Hilfe.

04] Da kamen des Kisjona Schiffsknechte mit einer Fackel aus ihrer Hütte, hingen das Schiff an einen festen Uferpfahl an und sagten dann zu den im Schiffe Seienden: »Heraus aufs Trockene steigen könnt ihr selbst, so es euch beliebt!«

05] Da fragte der Oberste, sagend: »Oh, der arge Sturm hat uns ganz wirr gemacht! Sagt uns doch, wo wir nun sind, und ob sich hier über die Nacht für uns eine Herberge finden läßt; denn im Schiffe, das trotz seiner dichten und guten Deckung denn doch Wasser in seinen inneren Raum bekommen hat, läßt sich nicht eher übernachten, bis es am Tage völlig ausgetrocknet sein wird!«

06] Sagte ein erster Schiffer des Kisjona: »Fürs erste seid ihr im Badeorte des alten Römers Markus; was aber die Nachtherberge betrifft, da ist er selbst der Herr! Wir sind selbst nicht hier zu Hause und kennen die Ordnung dieses Hauses nicht.«

07] Darauf sagte der Oberste: »Sind denn keine heimischen Diener anwesend?«

08] Da sagte ein auch schon anwesender Diener des Markus: »Ihr müsst euch zuvor ausweisen, von woher ihr kommt, wer ihr seid, und was der Zweck eurer Reise hierher ist; oder geht eure Reise am Morgen wieder wo anderorts hin? Wollt oder könnt ihr euch darüber nicht ausweisen, so könnt ihr in eurem Schiffe, so naß es inwendig auch ist, verweilen die ganze Nacht hindurch; und daß von euch nicht jemand aus dem Schiffe komme, dafür werden schon unsere römischen Nachtwachen Sorge tragen!«

09] Sagte der Oberste: »So höre, du ziemlich roher Diener deines Herrn! Ich bin ein herodischer Oberster und habe mehrere Unterdiener und zehn Kriegsknechte bei mir; wir kommen eigentlich von Jerusalem, doch zunächst von der Stadt Tiberias her, und der Zweck unserer Reise liegt in dem, daß wir dem Willen unseres Königs zu gehorchen haben.«

10] Sagte der Diener: »Ich weiß es wohl, daß der stolze und habgierige Herodes auch diese Landschaft von Rom aus in Pacht hat; doch dieser Ort mit allem, was dazu gehört, bildet eine Ausnahme. Es ist eine für alle Zeit von Rom aus für sich bestehende Taverne, und Herodes hat hier weder etwas zu suchen und noch weniger etwas zu schaffen und zu gebieten, außer er will als ein Kranker zur Heilung seines Leibes für sein Geld das Bad benutzen, das ihm ebenso wie einem jeden andern Menschen zu Diensten steht. Im übrigen aber wird er hier gar nicht angehört, und es wird ihm sogar nicht gestattet, den Boden zu betreten. Wollte er das aber mit Gewalt tun, so würde man ihm mit Gewalt entgegenzutreten verstehen. Euer Gehorsam nach dem Willen eures Herrn und Gebieters geht uns demnach hier nichts an; wollt ihr aber hier durch unsern Ort etwa weiter in einen andern Ort, in dem euer Gebieter herrscht, ziehen, so werde ich unsere Wachen herbeirufen, die euch hier empfangen und über unseres Herrn Gebiet begleiten werden.«

11] Sagte der Oberste: »Nein, mein Freund, dessen hat es hier nicht vonnöten; denn wir sind ja eigentlich des Bades wegen hierhergekommen und wären schon um etliche Stunden eher hierher gekommen, so wir nicht mit dem argen Sturme solch eine entsetzliche Not zu bestehen gehabt hätten. Daher nehmt uns nur auf, wir werden euch keine Ungelegenheiten machen!«

12] Sagte der Diener: »Führt ihr Kriegswaffen? So ihr welche führt, so müsst ihr sie zuvor hier zur Verwahrung bis zu eurer Weiterreise abliefern; denn hier dürfen nur Römer Waffen tragen!«

13] Sagte der Oberste: »Waffen führen wir allerdings, weil wir dem Kriegerstande angehören: aber so schon hier in diesem Orte also ein Gesetz und eine Sitte besteht, da werden wir uns demselben nicht widersetzen. Ihr mögt denn unsere Waffen in eure Verwahrung nehmen, aber dann wohl dafür sorgen, daß wir eine Nachtherberge bekommen!«

14] Hierauf berief der Diener sogleich eine gehörige Anzahl wohlbewaffneter Nachtwächter, und als diese da waren, da sagte er zum Obersten: »Nun mögt ihr schon ans Land steigen!«

15] Da stiegen diese Herodianer denn auch alsbald ans Land, gaben ihre Waffen ab und wurden dann in eine neuerbaute Herbergshütte geführt, in der sich ein Tisch, eine rechte Anzahl Bänke und ebenso auch ganz brauchbare und reine Ruhebetten befanden. Und auf die Frage, ob sie auch etwas zu essen und zu trinken bekommen könnten, sagte der Diener: »Gegen sogleiche Bezahlung nur mehr Brot und Wein; von andern Speisen ist kein Vorrat mehr da!«

16] Sagte der Oberste: »So bringt uns denn Brot und Wein in rechter Menge; denn wir alle sind nun voll Hungers und Durstes! Wegen der Bezahlung hat sich da niemand zu sorgen.«

17] Da ward ein Licht in die Hütte gebracht und mit demselben auch eine rechte Menge Brot und Wein. Der Oberste bezahlte alles sogleich, worauf der Diener und seine Gehilfen die Hütte verließen und die Herodianer allein ließen, die sich übers Brot und über den Wein hermachten und ein bedeutendes Quantum in wenigen Augenblicken verzehrten.



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