Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


14] Denn auch die Welt ist ein großes Schauspielhaus, in welchem zahllose Szenen in jeder Sekunde aufgeführt werden, von denen jede von unendlichem Werte ist. Wer da nicht taub und blind ist, der wird gewiß eine eitle Lust daran finden. Wer da aber taub und blind ist, der gleicht einem Polypen, der sich festgesetzt hat in einem finstern Sumpfe des Meeres und kein anderes Bedürfnis empfindet, als mit tausend Mäulern zu fressen.

15] So ihr aber aufwacht am Morgen, so seht mit aufmerksamem Herzen die Dinge um euch her, habt acht auf eure Gefühle, die allezeit modifiziert erscheinen, auch schon, wenn nur ein Wölkchen am Himmel die frühere Form verändert, ja die wieder anders werden, so ihr in irgendeine (andere) Weltgegend eure Blicke richtet. Anders fühlet ihr am Morgen, anders am Abende.

16] Wenn ein freundliches Lüftchen weht, werden da nicht euere Gefühle heiter und lieblich bewegt? - Wenn da weht ein warmer Südwind, der herrliche Wolkenmassen durch den blauen Himmel treibt und ihr seht die Vögel der Luft sich wetteifernd emsig herumtummeln in den heftigen Wogen der Südluft - werden da nicht eure Gefühle selbst geweckt und heldenmäßig gestimmt, daß ihr oft eure Arme gleich Flügeln ausbreitet, um euch Vögeln gleich zu erbeben in die wogende warme Luft und mutig zu kämpfen daselbst gleich den Vögeln mit dem Flügelpaare gegen solches ziemlich gewaltsame Strömen der Südluft. Wenn aber ein feuchter Ost- oder ein gewaltiger Nordwind zu wehen anfängt, so werdet ihr ganz kümmerlich in euren Gefühlen und zieht euch bescheiden zurück vor diesen unfreundlichen, sehr gewaltsamen Winden. Wenn sich der hohe West erhebt, dann schauet ihr empor, und eure Augen weiden sich an den lämmerartigen Gebilden der Wölkchen und euere Gefühle werden weiter und weiter unter den weiten Hallen des blau und weiß durchwirkten Himmels. Und werden nicht wiederum eure Gefühle ganz anders, so euch am heiteren Morgen aus den roten Wölkchen des Aufganges ein frisches Morgenlüftchen entgegenweht?

17] Und so mögt ihr bei irgendeiner Erscheinung zugegen sein, ja wo immer hinreisen, und selbst in was immer für einer Handlung begriffen sein, so habt acht auf jegliche auch noch so kleinfügige Erscheinung, und ihr werdet gewiß allezeit sicher gewahr werden, wie sehr sich die Gefühle allezeit modifizieren, ja oft so stark, daß, so ihr euer eigenes Gemach wieder betretet, euch dasselbe vorkommt, als wenn ihr es zum ersten Male betreten hättet, oder es kommt euch doch im selben alles ein wenig fremdartig vor.



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